„Wir wollen die Kernkräfte besser verstehen"

EU-Kommission bewilligt Spitzenforschungs-Anlage in Rumänien

09.10.2012 von

Der Einsatz von Professor Norbert Pietralla von der TU Darmstadt hat sich gelohnt: Die EU-Kommission hat die geplante europäische Spitzenforschungs-Anlage „Extreme Light Infrastructure – Nuclear Physics“ (ELI-NP) bewilligt. Das Zentrum im rumänischen Magurele wird mit 180 Millionen Euro gefördert.

Auch an der TU Darmstadt werden Eigenschaften von Atomkernen untersuchte: Mithilfe des Elektronenbeschleunigers S-DALINAC. Bild: Paul Glogowski

Wie entstehen Elemente? Wie können Gifte wie Plutonium in unschädliche Elemente umgewandelt werden? Die europäische Spitzenforschungs-Anlage „Extreme Light Infrastructure – Nuclear Physics“ (ELI-NP) soll Antworten liefern. Die Initiative für das Herzstück des Photo-nuklearen Forschungszentrums kam aus Darmstadt. Norbert Pietralla ist Professor für Kernphysik an der TU und hat dafür geworben, eine Quelle für den weltweit brillantesten Gammastrahl in die Anlage zu integrieren (die Brillanz ist ein Maß für die Qualität einer Strahlungsquelle).

Der 45-jährige Darmstädter Forscher entwickelte bereits vor zehn Jahren an der Duke University im US-Staat North Carolina ein Verfahren, mit dem Atomkerne durch brillante Gammastrahlen gezielt in gewünschte Quantenzustände versetzt werden können. Dabei trifft ein hochintensiver Laserstrahl auf einen scharf fokussierten Strahl aus Elektronen. Wenn die Elektronen auf Lichtteilchen des Lasers treffen, verlieren sie Energie. Diese wird in Form energiereicher elektromagnetischer Strahlung, also Gammastrahlung, abgegeben. In die Richtung, aus der die Elektronen kommen, wird dabei Gammastrahlung mit scharf festgelegter Energie abgegeben, die die Zustände von Atomkernen gesteuert verändern kann.

Neue Möglichkeiten auch für Astrophysik

„Auch an der Technischen Universität Darmstadt erzeugen wir am Elektronenbeschleuniger S-DALINAC Gammastrahlung, mit der wir die Eigenschaften von Atomkernen untersuchen“, erläutert Pietralla die Expertise, die Darmstädter Physiker in ELI-NP einbringen. Die Forschungsanlage werde den Forschern nun erlauben, mit bisher ungekannter Energieschärfe einzelne Energiezustände von Atomkernen zu untersuchen. Am S-DALINAC durchgeführte Voruntersuchungen könnten dann präzisiert werden. „Die Anlage wird neue Möglichkeiten bieten, Atomkerne zu manipulieren“, sagt der Physiker.

Die Darmstädter Kernphysiker erwarten sich von der geplanten rumänischen Anlage, die mit 180 Millionen Euro aus EU-Infrastrukturmitteln unterstützt wird, entscheidende neue wissenschaftliche Erkenntnisse. „In der Astrophysik beispielsweise untersuchen wir die Frage, wie schwere Elemente, zum Beispiel Blei oder Uran bei Supernova-Sternexplosionen entstehen“, erklärt Pietralla. Dabei sei es nicht nur wichtig zu wissen, wie die Atomkerne zusammengefügt werden, sondern auch, wie sie das Inferno aus energiereichen Lichtteilchen bei einer Supernova überstehen. „Das ist von großer astrophysikalischer Relevanz.“

Kernkräfte besser verstehen

Professor Norbert Pietralla. Bild: TU Darmstadt
Professor Norbert Pietralla. Bild: TU Darmstadt

Auch der Antwort auf eine grundlegende Frage wollen die Kernphysiker am ELI-NP näher kommen: Wie werden die hochkomplex aus Quarks und weiteren Elementarteilchen namens Gluonen aufgebauten Atomkerne zusammengehalten? „Wir wollen die Kernkräfte besser verstehen“, sagt Pietralla.

Die Darmstädter Experimentalphysiker wollen dabei mit theoretischen Kernphysikern der TU Darmstadt um Achim Schwenk, Gabriel Martinez Pinedo, Robert Roth und Almudena Arcones zusammenarbeiten. Auch die Forschungsarbeiten von Schwenk werden von der EU gefördert. „Wir werden die Berechnungen der theoretischen Physiker an der neuen Anlage sehr präzise testen können“, sagt Pietralla.

Auch irdischeren Themen werden sich Physiker am ELI-NP widmen können: „Die Anlage wird große Vorteile im Zusammenhang mit der Transmutation von Atomkernen bieten“, sagt der Kernphysiker. Bei der Transmutation werden Atomkerne eines Elementes in Kerne anderer Elemente umgewandelt.

Ein Anwendungsfeld der Transmutation ist die Behandlung von radioaktivem Abfall aus Kernkraftwerken. So entstehen Isotope, die kürzer strahlen oder weniger giftig sind. „Mit dem scharfen Energiestrahl von ELI-NP lässt sich untersuchen, wie die Kerne bestrahlt werden müssen, um solche Transmutationen möglichst effizient durchführen zu können“, erklärt Pietralla. Man merkt ihm an, dass er sich auf die Forschung in Rumänien sehr freut.