„Die Idee ist zu helfen“
Instant Homes: Prototyp des Flüchtlingshauses aus Papier vorgestellt
03.12.2014 von kc / pg
„Instant Homes“ ist der Name eines interdisziplinären Forschungsprojekts der Fachbereiche Chemie, Architektur und Maschinenbau an der TU Darmstadt. Das Ziel: Eine faltbare Notunterkunft aus Papier, die stabil, wetterfest, einfach aufzubauen und gleichzeitig wohnlich ist. Kürzlich wurde ein Prototyp vorgestellt.
„Die Idee ist zu helfen.“ So fasst Architektur-Professor Ariel Auslender das Ziel hinter dem Flüchtlingshaus aus Papier prägnant zusammen. „Die Idee ist es, in einer Katastrophensituation relativ schnell, unkompliziert und mit Materialien, die biologisch abbaubar sind, vor Ort zu helfen.“
Auslender gehört mit Professor Markus Biesalski vom Fachbereich Chemie und Professor Samuel Schabel vom Fachbereich Maschinenbau zum interdisziplinären Team, das die Entwicklung des Papierhauses vorantreibt. Die Idee zum Haus entstand ursprünglich in einem studentischen Projekt. Kürzlich präsentierte das Team den Prototypen des Papierhauses.
Der Prototyp zeigt nur eine Hälfte des Hauses, ist aber im Originalmaßstab gehalten und lässt sich kürzester Zeit aufbauen. Damit wird deutlich: Das Know-how, Flüchtlingshäuser aus Papier zu bauen, ist vorhanden. Jetzt suchen die beteiligten Wissenschaftler nach Projektpartnern aus der Industrie.
Im Film stellen die drei Wissenschaftler das faltbare Haus vor:
Rückblick: Eine Herausforderung für drei Fachbereiche
Erdbeben, Tsunami, Krieg – wo Straßen und Häuser zerstört werden, verlieren Menschen alles, was ihnen Halt gibt. „In solchen Situationen von Verlust und Chaos braucht der Mensch die wohltuende Wirkung des Geometrischen. Sie brauchen die Möglichkeit zu planen, Straßen und Infrastruktur zu schaffen.“, erzählt Ariel Auslender.
Durch Häuser, die sich leicht an Krisenorte transportieren lassen und schnell aufbaubar sind, soll ein wohnliches Umfeld geschaffen werden. Mit dem rechteckigen Haus entstehen sofort klare Strukturen, wo Zelte Wildwuchs befördern. Der Werkstoff für ein solches Haus ist Papier. Papier hat vielversprechende Eigenschaften – es ist biologisch abbaubar, billig, leicht, fest und gleichzeitig formbar. Doch bis daraus Häuser und ganze Siedlungen entstehen können, muss der Werkstoff optimiert werden. Jedes Fachgebiet steht dabei vor anderen Herausforderungen.
Die Faltbarkeit der Notunterkunft war eine Schwierigkeit für die Architektur-Studierenden. Die Häuser sollten vor Ort aufpoppen, ohne aufwändige Anleitung. Ein Semester lang entwarfen Studenten und Studentinnen solche Modelle. Die Origami-Falterin Kristina Wißling zeigte ihnen, was mit Papier möglich ist. Am Ende kürten Auslender und sein Team die besten Entwürfe.
Aus diesen Entwürfen wählten die Maschinenbaustudentinnen und -studenten ein Papierhaus aus, das sie dann auf die physikalische Umsetzbarkeit prüften. Und auch der Transportaufwand in die Krisengebiete sollte bedacht werden. Die Studierenden führten zahlreiche Tests an verschiedenen Pappen durch. Dabei ging es vor allem um die ideale Beschaffenheit der Pappe und um die Konstruktion von Dach und Türen.
Auch die Wasserdurchlässigkeit von Papier stellte die Wissenschaftler vor eine Herausforderung. Hier war der Fachbereich Chemie gefragt. „Wir modifizieren die Papierfasern“, erklärt Biesalski vom Fachbereich Chemie. „Papier besteht aus Zellstoffasern, unbearbeitet ist es sehr saugfähig.“ Das sei ein Nachteil, vor allem für ein Hausdach. „Und bei der optimalen Beschichtung kommt die Chemie ins Spiel, ebenso bei der Herstellung tragender, also sehr fester Elemente.“
Auch nützliche Funktionen wie Brandschutz oder antibakterielle Wirkung seien mit der richtigen chemischen Bearbeitung des Papiers denkbar. Im Fachgebiet Makromolekulare Chemie und Papierchemie arbeiten die Wissenschaftler an verschiedenen neuen Beschichtungen für Papier. Die Ergebnisse dieser Forschungen könnten später auf das Haus übertragen werden. Und dann wird es vielleicht Realität: Ein stabiles, bewohnbares und wetterfestes Instant Home aus Papier.