Zwei Athene-Preisträger im Porträt

Informatik-Professor Andreas Koch und Gastprofessor Markus Prechtl

12.11.2014 von

Prof. Andreas Koch

Für sein gemeinsam mit Studierenden entwickeltes E-Teaching-System erhält der Informatik-Professor Andreas Koch den Athene-Preis 2014 der TU Darmstadt. Das Projekt „lectureStudio“ soll Dozentinnen und Dozenten den Einstieg in die digitale, interaktive Vorlesung leicht machen.

Es war eine dieser Vorlesungen über die „Einführung in die Technische Informatik“, die den Ausschlag gab. Vor ihm saßen an die 600 Erstsemester, der Raum war überfüllt, ein zweiter Hörsaal kurzfristig nicht aufzutreiben“, erinnert sich Andreas Koch. Eine Lösung musste her und so setzte der Professor für Informatik auf sein Improvisationstalent. Mit wenigen Mouseclicks zeichnete er seine Vorlesung auf, zumindest Vortrag und Inhalte, die auf dem Bildschirm seines Rechners zu sehen waren und stellte sie seinen Erstsemestern für die Wiederholung des Stoffes und ein besseres Verständnis zur Verfügung.

Das war die Initialzündung für sein Projekt „lectureStudio“, für das der 46-Jährige jetzt den Athene-Preis 2014 erhielt. Dabei ist E-Teaching eigentlich gar nicht das Forschungsgebiet des seit 2005 an der TU lehrenden Informatikers. Koch befasst sich eher mit der Schnittstelle zwischen Hard-und Software und dem Anspruch, „keine Rechner von der Stange“ für die Informatik zu entwickeln. Doch des Professors Herz schlägt auch für die Lehre und gute Lehrbedingungen. Seine Idee von der digitalen, interaktiven Vorlesung verfolgte er konsequent weiter.

Bild: Katrin Binner
Bild: Katrin Binner

Mit minimalem Aufwand für die Dozenten will Koch „das Maximale für die Studierenden herausholen“. Ablauf und Inhalt einer Vorlesung sollen vermittelt werden „ohne dass ein großes E-Teaching-Team mit Kamera bemüht werden muss“, sagt er. Mit Hilfe von „lectureStudio“ können nicht nur Folien und Bildschirminhalte aufgezeichnet werden, bei der Übertragung von Vorlesungen in mehrere Hörsäle ist dort auch der Dozent über eine einfach zu installierende Webcam sichtbar. „Das hilft beim Verständnis des Stoffes“, ist der Professor überzeugt. Als Ersatz für spontane Anschriebe und schrittweise Entwicklungen, die traditionell auf der Tafel erfolgen würden, kommen Tablet-Computer zum Einsatz, die mit elektronischen Stiften beschrieben werden. Alle diese Inhalte gehen in die Aufzeichnung und Übertragung ein.

Doch Koch ist auch die Interaktion mit seinen Hochschülern wichtig, „die Kommunikation in beide Richtungen.“ Mit Studierenden entwickelte er einen in „lectureStudio“ integrierten Web-Dienst , auf den seine Zuhörer per Laptop oder Smartphone Zugriff haben und über den sie im Stil von „WhatsApp“ live Fragen stellen können. Die Funktion wird häufig genutzt. „Es kommen sogar mehr Fragen als in anderen Vorlesungen, weil sie anonym gestellt werden können“, glaubt Koch. Erweitert hat der Professor die Software um die Möglichkeit, Umfragen oder ein Wissensquiz zu initiieren und Antworten in Echtzeit zu erhalten. „Ich sehe jetzt sofort, wo Verständnislücken sind und das bei gleich mehreren hundert Studierenden.“

Drei Koffer haben der Professor und sein Team mit der Technik für die digitale Vorlesung ausgerüstet. Die können im Fachbereich ausgeliehen werden. Kochs Ziel: Ein niedrig schwelliges E-Teaching-Angebot, das für die ganze Uni angewendet werden könnte. „Eins ohne großen Aufwand und für das man nicht Informatik studiert haben muss“, lacht er.

Gastprofessor Markus Prechtl

Er war für ein Jahr Gastprofessor am Fachbereich Chemie und hat gleich den Athene-Sonderpreis 2014 erhalten. In einem Pilotprojekt haben Markus Prechtl und Lehramtsstudierende erfolgreich eine Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer angeboten. Dabei ging es um den geschlechtersensiblen Unterricht in Naturwissenschaften.

Studierende bilden Lehrerinnen und Lehrer aus. Sie schlüpfen in die Rolle der Fortbilder und erhalten dafür umgehend das Feedback der Profis. Diese Idee hat Markus Prechtl, der als Studienrat im Hochschuldienst der Universität Siegen arbeitet, schon lange reizvoll gefunden. Der 38-Jährige ist Experte für Geschlechterforschung und Chemiedidaktik. Als er 2014 als Gastprofessor an die TU Darmstadt berufen wurde, um mit angehende Chemielehrerinnen und Lehrern zu arbeiten, konnte er diesen Ansatz in die Tat umsetzen. Herausgekommen ist ein Preis gekröntes Konzept, das Prechtl gemeinsam mit seinen Lehramtsstudierenden entwickelt hat und das auf praktische Übungen mit spielerischer Komponente setzt. Ein Ansatz, der beide Seiten begeistert: Die angehenden Chemiepädagoginnen und Pädagogen probieren möglichst früh ihre Ideen und Fähigkeiten aus und sehen, wie sie ankommen. Die Lehrerinnen und Lehrer erfahren neue Methoden und können einen ganzen Katalog an Arbeitsmaterialien für ihren Unterricht mitnehmen.

Bild: Privat
Bild: Privat

„Der Grundgedanke, Studierende eine Lehrerfortbildung abhalten zu lassen, war neu am Fachbereich Chemie“, betont Prechtl. Von den neuen Ansätzen profitieren könnten die Schülerinnen und Schüler, die künftig vielleicht anders in Chemie unterrichtet werden als bisher. Nämlich entsprechend ihrem räumlichen Vorstellungsvermögen. Denn darum ging es inhaltlich bei der Fortbildung – um die unterschiedliche räumliche Vorstellungskraft von Menschen und welche Konsequenzen sich daraus für die Didaktik der Chemie ergeben. Prechtl nennt ein Beispiel: „Tests haben ergeben, dass sich Männer schneller und besser als Frauen etwa die Drehung von Schlauchfiguren oder Molekülen vorstellen können. Allerdings kann dies nicht allein auf eine naturgegebene Begabung zurückgeführt werden. Vorwissen und soziale Einflüsse spielen eine entscheidende Rolle.“ Mit Übungen lasse sich dieses Defizit beheben. Entsprechendes Training müsse sich jedoch daran orientieren, ob die Betreffenden bei ihrer räumlichen Vorstellungskraft einer visuellen oder analytischen Strategie folgten, also beispielsweise ein Molekül mental rotieren lassen könnten oder es erst in seine Einzelteile zerlegten.

Prechtls Bachelorstudierende haben für die Lehrerfortbildung mehrere Stationen mit verschiedenen Schwerpunkten entwickelt, an denen diese Strategien mit Hilfe spielerischer Aktivitäten, Videos oder Modellen geübt werden können. Wichtig ist auch die psychologische Komponente. Der Studienrat spricht vom positiven Denken. „Wir wollen das Lernen von Geschlechterstereotypen entkoppeln und Menschen ermutigen, ihre Repertoire an Strategien zu erweitern“.

Auch andere Hochschulen interessieren sich unterdessen für das von Prechtl an der TU entwickelte Fortbildungskonzept.