Fachwissen fürs Elektronenhirn

TU-Sprachtechnologe Chris Biemann erhält den IBM SUR Award

12.02.2014 von

Professor Chris Biemann, Sprachtechnologe an der TU Darmstadt, wird mit einem IBM Shared University Research Award ausgezeichnet. Der Preis ist mit 50.000 US-Dollar dotiert. Damit wird die Weiterentwicklung einer Software gefördert, mit der Computer selbständig lernen, Sprache zu „verstehen“.

Experte für Sprachtechnologie: Chris Biemann erhält den IBM SUR Award (v.l.n.r. Prof. Reiner Hähnle, Dekan Fachbereich Informatik, Dr. Martin Mähler, Leiter Wissenschaftsbeziehungen IBM Deutschland und Prof. Chris Biemann). Bild: Patrick Bal

Der Preis fördert Beiträge aus dem in Zusammenarbeit mit IBM entwickelten JoBimText-Projekt am Fachbereich Informatik der TU Darmstadt. Sie fließen ein in die Weiterentwicklung des Computersystems IBM „Watson“ zu einer hochwertigen Suchmaschine. „Watson“ machte erstmals 2011 Furore, indem er in der US-Quizshow „Jeopardy!“ seine menschlichen Konkurrenten in den Schatten stellte.

Nach diesem spielerischen Beginn geht es mittlerweile darum, dass Systeme wie „Watson“ eines Tages automatisch den Sinn einer in natürlicher Sprache gestellten Frage erschließen und in beliebig großen Datenbanken nach passenden Antworten suchen können. „Watson“ ist eine der wichtigsten Innovationen in der 100-jährigen Geschichte der IBM. Der IT-Konzern investiert über eine Milliarde US Dollar in die Entwicklung und Forschung von neuen, kognitiven Computerlösungen.

In Zukunft alltäglich im Finanz- und Gesundheitswesen

Solche intelligenten, semantischen Suchmaschinen, die „denken“ und „lernen“ können, sollen später in vielen Bereichen, wie zum Beispiel im Finanz- und Gesundheitswesen, zum alltäglichen Gebrauch gehören. Erste Krankenhäuser in den USA erproben bereits den Einsatz bei schwierigen und komplexen Fragestellungen, wie sie etwa in der Krebstherapie auftreten. Dafür muss das zugrunde liegende Computersystem aber für die verschiedenen Themenfelder zugeschnitten werden.

Mit dem Problem dieser „Domänenadaption“ befassen sich Chris Biemann und seine Arbeitsgruppe. „Wenn Menschen Datenbanken erstellen, auf die das System zugreift, ist das viel zu teuer“, sagt Biemann. „Wir bringen im Rahmen des JoBimText-Projektes Suchmaschinen bei, selbsttätig riesige Textmengen aus den jeweiligen Fachgebieten zu sichten und zu analysieren.“

Synonyme und die zweite Dimension von Texten

Professor Chris Biemann. Bild: Patrick Bal
Professor Chris Biemann. Bild: Patrick Bal

Vereinfacht gesagt funktioniert das so: Computerprogramme entdecken, dass manche Wörter typischerweise ähnlich verwendet werden. Nach und nach entstehen so zu allen Wörtern Listen mit ähnlich verwendeten Wörtern. Die „zweite Dimension“ eines Textes bildet sich ab.

Der Computer lernt, Synonyme zu „verstehen“ und Wörter mit mehreren Bedeutungen zu erkennen und richtig zu deuten, sowie Wörter miteinander in Beziehung zu setzen. Später sollen Computer auch in der Lage sein, Kausalzusammenhänge zwischen Satzteilen und Aussagen, kurz, große übergeordnete Strukturen zu erkennen, die weit über das einzelne Wort hinausreichen.

Die Junior-Professur von Chris Biemann wurde im Rahmen des LOEWE-Schwerpunkts „Digital Humanities“ eingerichtet. Für den grundlegenden Forschungsansatz, der bei der Suchmaschinen-Entwicklung zum Einsatz kommt, erhielt Chris Biemann im November 2013 bereits den Adolf-Messer-Preis. Der IBM SUR Award trägt dazu bei, die wissenschaftlichen Ergebnisse direkt für die Praxis anwendbar zu machen.

Die kognitive Lernfähigkeit neuer Computergenerationen

Dr. Martin Mähler, Leiter Wissenschaftsbeziehungen bei IBM Deutschland: „Die Arbeit von Professor Chris Biemann und seinem Team behandelt eine zentrale Fragestellung unserer gemeinsamen Forschungsanstrengungen – wie zukünftige Computersysteme in die Lage versetzt werden, sich selbständig neues Expertenwissen zu erschließen. Diese kognitive Lernfähigkeit ist eine faszinierende Eigenschaft neuer Computergenerationen. Wir sind sehr erfreut, mit Professor Biemann und der TU Darmstadt, mit der wir bereits in anderen Bereichen erfolgreich zusammenarbeiten, das Innovationsthema „Watson“ weiterzuentwickeln.“

Doch nicht nur „Watson“ macht dank der TU-Forscher Fortschritte: „Wir geben dem System die Fähigkeit, selbst zu lernen, anstatt ihm Fakten einzeln einzutrichtern oder es mit Beispielen zu trainieren. Dies vollzieht einen Paradigmenwechsel in der Künstlichen Intelligenz hin zum ‚Cognitive Computing‘“, erklärt Chris Biemann.