„Manche Herren waren pikiert“

Zwei Frauenbeauftragte der Universität erinnern sich und ziehen Bilanz

02.07.2014 von

Seit 20 Jahren gibt es das Amt der Frauenbeauftragten an der TU Darmstadt. Die erste Amtsinhaberin Ellen von Borzyskowski und ihre Nachfolgerin Dr. Uta Zybell berichten von Anfängen, Überraschungen und Erfolgen. Und davon, warum das Bemühen um Gleichberechtigung an einer technischen Universität so ganz anders ausfallen kann als an anderen Hochschulen.

Ellen von Borzyskowski (links) war von 1994 bis 2006 Frauenbeauftragte der TU Darmstadt, Dr. Uta Zybell (rechts) übernahm das Amt 2006. Bild: Katrin Binner

1994, die TU hieß noch Technische Hochschule Darmstadt, aber das waren nicht die einzigen Unterschiede. Eine Frau im Senat? Fehlanzeige. Eine Vizepräsidentin an der Spitze? Undenkbar. Unter den rund 300 Professoren waren gerade einmal sechs Frauen, die in den Hörsälen lehrten. Die akademische Welt an der Technischen Hochschule war eine – fast – reine Männergesellschaft. Dann kam das Hessische Gleichberechtigungsgesetz und mit ihm Ellen von Borzyskowski als erste hauptamtliche Frauenbeauftragte an die Hochschule.

Gut vorbereitet

Die Sozialwissenschaftlerin hatte zuvor in Gießen und Karlsruhe gearbeitet, das südhessische Darmstadt und seine Universität waren neu für sie. Sie hatte mit Widerständen gerechnet, doch stattdessen erlebte sie eine Überraschung. „Ich war damals wirklich erstaunt, wie gut vorbereitet die TH war“, erinnert sich Borzyskowski. Alle Fachbereiche waren bereits informiert worden, dass künftig beispielsweise bei Berufungsverfahren oder Einstellungsgesprächen die Soziologin mit am Tisch sitzen würde. „Ich hatte gedacht, ich müsste mir das erkämpfen, aber das war nicht so.“ Die damalige Hochschulleitung hatte Vorarbeit geleistet.

Borzyskowski war die erste Frauenbeauftragte überhaupt an einer technisch orientierten Hochschule in Hessen. Ihre Arbeit war gewollt, „aber sie wurde mit hohen Erwartungen und kritischem Blick begleitet“, sagt sie. Die Soziologin erinnert sich noch gut daran, „welchen Bammel ich damals etwa vor dem ersten Berufungsverfahren im Fachbereich Bauingenieurwesen hatte.“ Doch als sie dann zu einem ersten Treffen mit den Professoren zusammenkam, war alles unproblematischer als erwartet.

Ganz unerwartet lief es dagegen in geisteswissenschaftlichen Fachbereichen, gerade dort, wo noch die meisten Frauen und Studentinnen anzutreffen waren. „Manche Herren waren pikiert. Eine Frauenbeauftragte wurde als Kritik empfunden, meine Arbeit als unnötig.“ Anfangs habe sie besonders sensibel vorgehen müssen.

Viel aufzuholen

Ellen von Borzyskowski. Bild: Katrin Binner
Ellen von Borzyskowski. Bild: Katrin Binner

Dabei gab es an der TH das Bewusstsein, dass die Uni in puncto Frauen in Führungspositionen viel aufzuholen hatte. Ihr Amt war direkt dem Präsidenten unterstellt und der damalige Präsident Professor Johann Dietrich Wörner brachte einen „starken Reformgeist“ ein, so Borzyskowski. Und auch viel Pragmatismus. „Ingenieure sind lösungsorientiert. Da wird nicht so lange rumdiskutiert. Das hat es vielleicht sogar einfacher gemacht als an anderen Hochschulen“, glaubt die frühere Frauenbeauftragte im Rückblick.

Borzyskowski war Pionierin. Vieles von dem, was heute selbstverständlich ist, „hat sie auf den Weg gebracht“, sagt Nachfolgerin Dr. Uta Zybell. Den Frauenförderplan etwa, der weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausging, der Studierende einbezog und neben den Fachbereichen auch nach technischen und nichttechnischen Berufen differenzierte. „Unser Förderplan wurde später Referenzmodell für andere hessische Unis“, sagt Borzyskowski.

Ein großer persönlicher Erfolg für sie war, dass eine Bewerberin auf ihr Drängen zum Vorstellungsgespräch geladen wurde, die sonst vielleicht durchs Raster gefallen wäre. Auf dem Papier hatte sie nicht geglänzt, aber „in der Performance war sie brillant und wurde auch genommen.“

In der Schule ansetzen

Ganz früh lud Borzyskowski auch Mädchen zu Schnuppertagen in die TU, übernahm auch den Girls’ Day in dem Bewusstsein, „dass, wer mehr Frauen in akademischen Führungspositionen haben will, schon in Schule und Studium ansetzen muss“. Sie war es auch, die das MentorinnenNetzwerk für Frauen in Naturwissenschaft und Technik an der TU gründete. Heute läuft es hessenweit, „da bin ich sehr stolz drauf“.

Zwölf Jahre blieb Borzyskowski im Amt, danach wechselte sie in die Personalentwicklung und heute in die Servicestelle Familie. 2006 übergab sie den Stab an Uta Zybell, die sich bereits zuvor mit Genderforschung befasst hatte. Die promovierte Berufspädagogin reizt die heutige Herausforderung des Amtes. „Vieles war ja bereits auf den Weg gebracht und selbstverständlich geworden“, sagt sie. Zybells Team arbeitet heute daran, „nicht nur die Zahlen und die Statistik zu erhöhen, sondern auch die Kultur in den Köpfen zu verändern“.

Noch immer Stereotypen

Viele Programme sind entwickelt, die Förderkette für Frauen ist heute umfangreich, doch Stereotypen sind geblieben. „Frauen in hohen Führungspositionen oder Männer in Elternzeit, das hat bei vielen immer noch einen negativen Touch.“ Sie will die Männer mit ins Boot holen und gleichzeitig das Selbstbewusstsein der Frauen stärken. Sie müssen schließlich auch an die Spitze wollen. Studien belegen, dass nur ein geringer Teil der Absolventinnen promoviert und später in die Wissenschaft strebt. Im Jahr 2012 waren an der TU nur 22,7 Prozent der Promotionen von Frauen.

Zybell will den Dialog der Geschlechter anstoßen. Immer wieder erschüttert ist sie über teils sehr emotionale Gegenreaktionen gerade von Studenten in technischen Fächern auf Frauenförderprogramme. „Sie fühlen sich ungerecht behandelt nach dem Motto, warum gibt es das nicht auch für uns.“ Dabei seien gerade diese Projekte dazu da, Chancengleichheit sicherzustellen, sagt sie „und sie wirken oftmals als Vorreiter für universitätsweite Veränderungsprozesse“.

Dr. Uta Zybell. Bild: Katrin Binner
Dr. Uta Zybell. Bild: Katrin Binner