„Es war Unrecht“
TU Darmstadt rehabilitiert Opfer des in der NS-Zeit begangenen Unrechts
21.01.2015 von Melanie Hanel / Isabel Schmidt
Die Technische Universität Darmstadt hat Opfer des in der NS-Zeit an der TH Darmstadt begangenen Unrechts namentlich rehabilitiert: Im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung wurden Doktorgrade und akademische Ehrengrade, die während des nationalsozialistischen Regimes aus „rassischen“ und politischen Gründen entzogen wurden, posthum symbolisch zurückgegeben und Exmatrikulationen von Studenten für nichtig erklärt.
Zu den Unrechtsakten des nationalsozialistischen Regimes zählten die Aberkennung von Doktorgraden, der Entzug akademischer Ehrentitel sowie der Ausschluss vom Studium. Politisch und „rassisch“ missliebige Akademiker wurden mit den gesetzlich geregelten Maßnahmen gezielt diskreditiert.
So wurde unter anderem politisch verfolgten oder jüdischen Akademikern, die ins Ausland geflohen waren und im Zuge dessen offiziell die Staatsbürgerschaft aberkannt bekamen, der Doktorgrad entzogen. Universitäten und Hochschulen führten die Verwaltungsakte willfährig durch, Widerstand gegen die angeordnete Ausgrenzung blieb aus. Insgesamt geht die Forschung heute von 2.000 Depromotionen aus.
Nach 1945 kam es an Universitäten und Hochschulen nur vereinzelt zu Rehabilitierungen der betroffenen Personen. Eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Unrechtsakten folgte meist nicht. Depromotionen blieben damit weiter in Kraft. Nur wenn sich die Opfer – diese waren nicht selten ins Ausland geflohen und wussten häufig nichts von den Aberkennungen – aus eigener Initiative an die Universitäten oder Hochschulen wandten, wurden die aberkannten Titel zurückgegeben.
Im Herbst 2014 hat sich das Präsidium der TU Darmstadt dazu entschlossen, mit einer öffentlichen Erklärung die Aberkennung von Doktorgraden an der damaligen TH Darmstadt in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes für nichtig zu erklären und aus politischen und „rassischen“ Gründen aberkannte Ehrengrade und durchgeführte Exmatrikulationen rückgängig zu machen. Die TU Darmstadt zieht damit Konsequenzen aus den Ergebnissen ihres Forschungsprojektes „TH Darmstadt und Nationalsozialismus“ und folgt dem Beispiel anderer Universitäten und Hochschulen.
„…die durchgeführten Aberkennungen erkläre ich damit für ungültig“
Audio-Mitschnitt der Rede von TU-Kanzler Dr. Manfred Efinger anlässlich der Rehabilitierung der Opfer der NS-Zeit an der TH Darmstadt.
Manfred Efinger, der Kanzler der TU Darmstadt betont: „Auch wenn wir das Geschehene nicht rückgängig machen können, stellen wir uns – wenn auch spät – unserer Verantwortung.“
Nach dem heutigen Kenntnisstand waren aus „rassischen“ und politischen Gründen an der TH Darmstadt vier Personen vom Entzug der Doktorwürde betroffen, im NS-Regime wurden außerdem ein Ehrensenatorentitel aberkannt sowie vier Studenten exmatrikuliert. Da aufgrund der lückenhaften Archivlage unklar bleiben muss, ob weitere Personen von den Unrechtsmaßnahmen betroffen waren, schließt die TU Darmstadt auch alle unbekannten, bislang nicht ermittelten Fälle von Unrecht in die Rehabilitierung mit ein.
Namentlich rehabilitiert werden die folgenden Personen:
Akademische Grade
- Dr.-Ing. Friedrich Bender, Chemie (geb. 1906, Promotion 1932, Depromotion 1939)
- Dr.-Ing. Otto Moritz Böhm, Elektrotechnik (geb. 1884, Promotion 1917, Depromotion 1940)
- Dr.-Ing. Beni Herzfeld, Elektrotechnik (geb. 1880, Promotion 1903, Depromotion 1941)
- Dr.-Ing. Franz László, Elektrotechnik (geb. 1894, Promotion 1924, Depromotion 1940)
Ehrengrad
- Karl Jakob Mayer (geb. 1894, Ehrensenator 1927/28, Streichung bzw. Entzug 1933)
Exmatrikulationen
- Kurt Buchmann, Student im Fach Architektur (geb. 1912, Ausschluss vom Studium wegen „Verstosses gegen die Sonderpflichten“ und Aberkennung des Studiensemesters 1938/39 im Jahr 1939)
- Felix Koch, Student im Fach Maschinenbau (geb. 1906, Ausschluss vom Studium wegen Betätigung in „kommunistischem Sinne“ Oktober 1933)
- Erich Pollmann, Student im Fach Maschinenbau (geb. 1910, Ausschluss vom Studium wegen Betätigung in „kommunistischem Sinne“ Oktober 1933)
- Johannes Scheurer, Student im Fach Maschinenbau (geb. 1910, Ausschluss vom Studium wegen Betätigung in „kommunistischem Sinne“ Oktober 1933)