Schneller Umsatz von Sulfit
Forscher bestimmen Struktur und Funktion eines hochaktiven bakteriellen Enzyms
03.02.2015 von Jörg Simon
Einem Team aus Mikrobiologen der TU Darmstadt und Biochemikern der Universität Freiburg ist es gelungen, die hochaufgelöste Kristallstruktur eines Sulfit-reduzierenden Enzymkomplexes zu bestimmen und molekulare Details des Reaktionsmechanismus‘ aufzuklären. Die Forschung könnte die Biotechnologie voran bringen – maßgeschneiderte Mikroorganismen könnten bei der Entschwefelung von Rauchgasen aus Kraftwerken eingesetzt werden.

Die neuen Erkenntnisse wurden soeben . in der Zeitschrift „Nature“ publiziert
Sulfite (SO32-, HSO3-, S2O52-, SO2) sind natürlich vorkommende Substanzen, die schon in relativ geringen Konzentration toxisch auf viele Lebewesen wirken. Dies beruht auf ihrer hohen Reaktivität gegenüber den Grundbestandteilen biologischer Zellen wie Proteinen, Nukleinsäuren und Lipiden. Aus diesem Grund setzt man seit langem Sulfite zur Wachstumshemmung unerwünschter Mikroorganismen ein, beispielsweise zur Erhöhung der Haltbarkeit von Wein oder Trockenfrüchten.
Darüber hinaus spielen Sulfite eine wichtige Rolle im biogeochemischen Schwefelkreislauf sowie der Atmosphärenchemie, und sie stellen zentrale Metabolite im mikrobiellen Stoffwechsel von Schwefelverbindungen dar. So ist Sulfit ein Intermediat Sulfat-reduzierender Organismen. Daneben gibt es eine Reihe von Bakterien, die Sulfit im Energiestoffwechsel nutzen und durch die Sulfit-Reduktion zu Sulfid die nötige Energie zum Wachstum generieren.
Effiziente enzymatische Sulfit-Reduktion auf atomarer Ebene
Es handelt sich dabei um eine Form der sogenannten anaeroben Atmung, bei der der zentrale Energieträger der Zelle, das Adenosintriphosphat, mittels einer Elektronentransportkette erzeugt wird, durch die wiederum ein elektrochemisches Protonenpotenzial über der Zellmembran produziert wird. Ein typischer Modellorganismus für die Sulfit-Atmung ist das Bakterium Wolinella succinogenes, das natürlicherweise im Pansen von Wiederkäuern vorkommt.
Bislang waren verschiedene bakterielle Sulfit-reduzierende Enzyme bekannt, die jedoch relativ geringe Wechselzahlen besitzen. Anders das nun charakterisierte Enzym aus W. succinogenes, das Sulfit bis zu 100mal schneller reduziert (bis zu 200 Moleküle Sulfit pro Sekunde). Es handelt sich um ein Metalloprotein, das acht fest gebundene Hämgruppen besitzt und sich zwischen der Cytoplasma-Membran und der äußeren Membran der bakteriellen Zellen befindet, wo es homotrimere Komplexe ausbildet.
Mikrobiologen der TU Darmstadt () und Biochemiker der Universität Freiburg ( Arbeitsgruppe Professor Jörg Simon) konnten nun die hochaufgelöste Kristallstruktur dieses Enzymkomplexes bestimmen und molekulare Details des Reaktionsmechanismus‘ aufklären. Arbeitsgruppe Professor Oliver Einsle
Herausforderungen für die Zukunft
Die Struktur des trimeren Enzyms mit 24 Hämgruppen zeigt eindrucksvoll ein bisher unbekanntes aktives Zentrum der Sulfit-Reduktion, das durch eine der Hämgruppen in Kombination mit einem Kupfer-Ion gebildet wird, welches über zwei konservierte Cysteinreste gebunden wird. Die Position des ansonsten redox-inaktiven Kupfer-Ions verhindert dabei die Bindung des Sulfit-Anions an das Enzym, nicht aber die seines Dehydratisierungsprodukts Schwefeldioxid, welches im Strukturmodell auch nachgewiesen werden konnte. Ebenso konnte die Existenz des primären Reduktionsprodukts Schwefelmonoxid gezeigt und ein Modell für den vollständigen Reaktionsmechanismus der Sulfit-Reduktion zum Sulfid postuliert werden.
Die erzielten Daten zeigen ein atomares Bild eines neuartigen Häm-Kupfer-Enzyms, das die hohe Umsatzgeschwindigkeit für Sulfit erklärt und den möglichen Einsatz des Enzyms in der Biotechnologie einen Schritt voran bringt. Mit Mikroorganismen, die zur schnellen Sulfit- bzw. Schwefeldioxid-Reduktion fähig sind, wäre etwa eine Entschwefelung von Rauchgasen unter milden Bedingungen denkbar. Diese Möglichkeit und deren technische Umsetzung soll zukünftig im Forschungsschwerpunkt Synthetische Biologie am Fachbereich Biologie der TU Darmstadt untersucht werden.
Weitere Informationen
Die der TU Darmstadt beschäftigt sich mit den Grundlagen mikrobieller Energieumwandlungsmechanismen und deren Bedeutung für die Umwelt und den Menschen. Schwerpunkt sind die vielfältigen Enzyme und Reaktionen, mit denen Mikroorganismen Stickstoff- und Schwefelverbindungen umsetzen können. Arbeitsgruppe von Professor Dr. Jörg Simon im Fachbereich Biologie
Die vom Institut für Biochemie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg beschäftigt sich mit der strukturellen und funktionellen Charakterisierung von Membranproteinen und Metalloproteinen, insbesondere im Rahmen des biogeochemischen Stickstoffkreislaufs. Im Zentrum der Arbeiten stehen die Enzyme Nitrogenase und N2O-Reduktase, sowie Multihäm-Cytochrome, zu denen auch die hier untersuchte Sulfit-Reduktase zählt. Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Oliver Einsle