Ein Klangkörper

Das Orchester der TU Darmstadt im Porträt

20.05.2015

Es ist die älteste Hochschulgruppe an der Universität: Das Orchester der Technischen Universität wurde 1947 ins Leben gerufen – vom damaligen Mechanikprofessor Karl Marguerre, der nur wenige Jahre später auch den Chor der TU gründete.

Klanggewaltig: das Orchester der TU Darmstadt. Bild: Sylvia Gerspach

Karl Marguerre leitete das Orchester mehr als drei Jahrzehnte lang bis zu seinem Tod 1979. Später übernahm für fast 30 Jahre der studierte Musiker Martin Knell den Taktstock. Seit 2010 leitet Christian Weidt das Ensemble der Universität, das von anfangs rund 30 Musikern und Musikerinnen auf ein stattliches Orchester gewachsen ist.

Zwischen 60 und 100 Instrumentalisten kommen heute regelmäßig zu den Proben zusammen. Darunter sind vorwiegend Studierende, Beschäftigte und Ehemalige der TU, aber auch „externe“ Musikerinnen und Musiker, die Freude an der Orchesterarbeit haben. Im Semestertakt erarbeiten sie Programme und Konzerte, gehen aber auch immer wieder auf Auslandsreisen. Das Orchester der TU spielte bereits in Ungarn, Zypern, Italien, Rumänien, in der Türkei oder auch beim Orchester-Austausch in Russland und Lettland.

Astrid Ludwig

Ein Leben für die Musik

Renate Woernle spielt seit fast 60 Jahren Bratsche im TU-Orchester

Renate Woernle. Bild: Claus Völker
Renate Woernle. Bild: Claus Völker

Der Musik ist sie ihr Leben lang treu geblieben: Im Sommer wird Renate Woernle 80 Jahre alt. Fast 60 Jahre davon hat sie im Orchester der TU Darmstadt gespielt, sie ist das älteste und treueste Mitglied der Uni-Institution. „Ich bin die Oma des Orchesters“, erzählt sie lachend.

Renate Woernle erinnert sich noch genau an den Tag vor über 70 Jahren, als ihr Vater mitten im Krieg eine Geige mit nach Hause brachte. Das Instrument war für seine jüngste Tochter, die damals gerade fünf Jahre alt war. „Stolz bin ich mit dem Violinkasten durch Frankfurt gegangen“, erinnert sie sich. Ein Nachbar, Mitglied im Frankfurter Museumsorchester, gab ihr Unterricht. „Die Geige hat mich während des Krieges getröstet“, sagt Renate Woernle. Später wechselte sie zur Bratsche, weil ihr die tieferen Töne mehr zusagten als der hohe Klang der Violine.

1956 kam Renate Woernle erstmals zu den Proben des Orchesters, das von Karl Marguerre 1947 an der Technischen Hochschule, wie die TU damals hieß, gegründet worden war. Der Professor hatte – mitten im Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt – Studierende und Mitglieder der Hochschule zusammengeführt, die „Lust am Musizieren“ hatten. Woernle studierte zu dieser Zeit am Pädagogischen Institut in Jugenheim. Sie war begabt in Mathematik, Musik sowie Naturwissenschaften und wollte Lehrerin werden.

Das Spiel auf der Bratsche gehörte zum täglichen Leben. Als Schülerin musizierte sie im Schul-Streichquartett, war Mitglied im Frankfurter Jugendsinfonieorchester, doch eine Karriere als Berufsmusikerin kam für die junge Frau nicht in Frage. „Ich hatte so viele andere Interessen“, erinnert sich Renate Woernle. Sie war erfolgreiche Leichtathletin, Schwimmerin, wollte Kinder unterrichten, ging viel ins Theater und in Konzerte. Die Freude an der Musik war wichtig, „als Solistin hätte ich aber nicht auftreten können. Ich habe Lampenfieber“, lacht sie. Stattdessen gründete sie später eine eigene kleine Musikschule in Darmstadt, wo sie musikalische Früherziehung und Grundausbildung anbot.

Seit 60 Jahren kommt Renate Woernle zu den wöchentlichen Orchesterproben an die Uni. Hier lernte sie ihren Mann, den Bauingenieur und späteren TU-Professor für technische Mechanik, Hans-Theo Woernle kennen. Er spielte Querflöte, war lange Jahre der erste Flötist. Sie wurden das erste „TU-Orchester-Ehepaar“, bekamen vier Kinder, die natürlich auch alle ein Instrument erlernten – Klavier, Cello, Geige, Blockflöte. Zusammen konnten sie daheim in ihrem Haus in Kranichstein fast selbst ein kleines Orchester gründen. Einer ihrer Söhne ist heute erster Geiger des Orchesters in Accra im afrikanischen Ghana, wohin es ihn in jungen Jahren zog.

Neben dem TU-Orchester spielte Renate Woernle später noch im Bessunger Kammerorchester und heute in der Sinfonietta Darmstadt. Mehrmals in der Woche ist die großgewachsene, schlanke Frau, der man die 80 Jahre nicht ansieht, zu Proben unterwegs. Demnächst tritt sie mit Musikerkollegen in der Schweiz auf. Auch mit dem TU-Orchester war sie viel auf Konzertreisen, in Zypern, der Türkei, Russland oder Frankreich. „Das verbindet sehr. Da lernt man sich kennen, wächst zusammen“, sagt sie – auch wenn die Besetzung in einem Orchester mit vielen Studierenden zwangsläufig öfter wechselt.

Renate Woernle liebt Schubert und Mozart, „ich spiele aber auch gerne moderne Stücke“. Das TU-Orchester unter der Leitung von Christian Weidt umfasst fast 100 Musiker. Da ist es nicht immer einfach, Stücke zu finden, bei denen alle Instrumente zum Zuge kommen. Zumal ein Laienorchester ein anderes Repertoire wählen muss, um sich von Profi-Musikern abzusetzen. Renate Woernle schätzt das gemeinsame Musizieren ohne den Konkurrenzdruck, den Berufsspieler verspüren mögen. „Die Freude an der Musik überwiegt und das Bestreben, das bestmögliche Ergebnis abzuliefern“, sagt sie.

Astrid Ludwig

Rhythmus im Blut

Engagiert im TU-Orchester: die angehende Bauingenieurin Luisa Sommer

Luisa Sommer. Bild: Jannes Lüdtke
Luisa Sommer. Bild: Jannes Lüdtke

Wer an ein Symphonieorchester denkt, der denkt an Violine, Cello und jede Menge Blasinstrumente. Welche Arbeit dahinter steckt, ahnen die wenigsten. Luisa Sommer, Hornistin an der TU Darmstadt, macht diese Arbeit trotzdem gerne. Ein Blick hinter die Kulissen.

Die Musik liegt Luisa Sommer im Blut. Ihre Mutter spielt Cello und ist Musiklehrerin an einem Gymnasium, ihr Vater ist freiberuflicher Pianist und spielt unter anderem in der Frankfurter Oper, und auch ihre Geschwister sind musikbegeistert, zwei studieren Geige. Als Ingenieurin in einer Musikerfamilie tanzt sie fast ein bisschen aus der Reihe. „Ich hatte überlegt, an einer Musikhochschule das Horn zu studieren, aber ich wollte nicht mein Hobby zum Beruf machen“, sagt Luisa. Musik ist ihre Leidenschaft, aber damit Geld zu verdienen, wäre ihr zu stressig. Neben unsicheren Zukunftsaussichten vor allem aus einem Grund: „Ich hatte die Befürchtung, dass es mit den Spaß daran nehmen würde.“

Hornistin seit dem ersten Semester

Luisa Sommer studiert im dritten Semester Bauingenieurwesen und ist bereits seit dem ersten Semester Hornistin im Orchester der TU Darmstadt. Dort ist sie nicht nur als Musikerin wichtig. Als eine von zwei Hiwis ist sie für die Organisation der Konzerte zuständig. Am Anfang jedes Semesters sucht der Dirigent Stücke aus, die Luisa oder ihr Kollege dann für das ganze Symphonieorchester bei einem Musikverlag ausleihen.

Heute ist sie begeisterte Hornistin, dabei war das Horn nicht ihr erstes Instrument. Als Kind lernte sie zunächst Geige. Mit neun wollte sie dann ein zweites Instrument lernen und fast wäre es die Querflöte oder die Klarinette geworden. Doch dann hörte sie einen Hornisten spielen. „Ich war sofort gefangen von diesem besonderen Klang“, erinnert sie sich. Über ihren Vater kam der Kontakt zu Hornisten der Frankfurter Oper zustande, bei denen sie bis zum Abitur das Horn spielen lernte.

Danach ging es erst einmal für ein halbes Jahr ins Ausland, und diverse Praktika, unter anderem in einem Vermessungsbüro, folgten. Dort kam sie auch auf die Idee, Bauingenieurwesen zu studieren. Neben Studium und Orchester ist Luisa außerdem aktives Mitglied im Deutschen Alpenverein und im Schulungsteam der Jugendkirche Jona. Dort betreut sie Jugendgruppen auf Ski- und Wandertouren sowie Freizeiten. Musik allein ist vielleicht nicht Luisas Leben, ein Leben mit der Musik ist ihr dennoch wichtig.

Jannes Lüdtke