Stadtplanerisch auf einer Wellenlänge

Yungsheng Su, Stadtplaner aus Shanghai, zu Gast am Fachbereich Architektur

04.08.2015 von

Die TU Darmstadt und die Tongji-Universität Shanghai verbindet eine langjährige und inzwischen zur Strategischen Partnerschaft ausgebaute Beziehung. Diese ermöglicht neben dem Austausch von Studierenden und Doppelabschlüssen auch die Einladung von Gastprofessoren. Wie fruchtbar dieses Instrument ist, zeigt das Beispiel von Yungsheng Su, der sich derzeit in Darmstadt aufhält.

Das Duo: Prof. Dr. Yungsheng Su, Visiting Chair am Fachbereich Architektur, Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung, und Prof. Dr.-Ing. Annette Rudolph-Cleff, Leiterin des Fachgebiets. Bild: Sandra Junker

Yungsheng Su denkt visionär, und er beherrscht das Fachvokabular der Stadtplaner genauso wie Begriffe aus der Umwelttechnik. Um seine Ideen zu vermitteln, greift er aber gerne mal zu anschaulichen Bildern: „Mit einer Stadt ist es wie mit einem Kind“, sagt er: „Es wird von alleine groß. Aber wenn du möchtest, dass es sich in eine bestimmte Richtung entwickelt, musst du es erziehen.“

Su, Stadtplaner aus Shanghai, möchte die Städte in eine grüne Zukunft führen: Er will den Umstieg von fossilen Energien auf erneuerbare Energien. Und er will weg vom Planen im großen Maßstab, er möchte die Planung auf Quartiersebene voranbringen. In seinem Heimatland gehört er damit zu den Pionieren. In den vergangenen 15 Jahren hat er dort 50 Städte mitgeplant, auch in vielen afrikanischen Ländern war er im Einsatz. In Deutschland ist er nun, um weiteres Wissen zu grünen Technologien und zur Planung auf „community level“ zu sammeln. Und um sein Wissen zu teilen.

Austausch zwischen Darmstadt und Shanghai

Prof. Dr. Yunsheng Su. Bild: Sandra Junker
Prof. Dr. Yunsheng Su. Bild: Sandra Junker

Im Gebäude des Fachbereichs Architektur auf der Lichtwiese sitzt Yungsheng Su an einem langen weißen Tisch Annette Rudolph-Cleff gegenüber, die das Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung leitet. Die beiden haben sich kennengelernt, als Rudolph-Cleff im Jahre 2010 mit Studierenden und Kollegen vom Institut IWAR der TU Darmstadt die Expo in Shanghai besuchte und an einem Workshop an der Tongji-Universität teilnahm.

Seitdem haben sie Kontakt gehalten; die beiden teilen einige Ansichten über zeitgemäße Stadtplanung, das Interesse an „green technology“ und die Neugier auf das Land des anderen. Su war erstmals 2013 für eine Woche in Darmstadt, um in der „Mundus Urbano“-Masterclass zu unterrichten, einem internationalen und interdisziplinären Studiengang zu „International Cooperation in Urban Development“. Mit 22 Studierenden aus 19 Ländern entwickelte er damals Ansätze zur Lösung allgegenwärtiger urbaner Probleme wie Verkehr und Umwelt. „Es liegt mir, anderen Leuten Denkanstöße zu geben, bis sie mit ihren Ideen über sich selbst hinaus wachsen“, sagt Su. Außerdem sei Deutschland ein idealer Anschauungsort: „Die Verkehrsplanung hier ist effizient und raubt dem Leben in der Stadt nicht viel Platz. Denken Sie nur an die Tunnel oder an die Wuppertaler Schwebebahn.“

Erfolgreich beim Wettbewerb in Singapur

Umgekehrt hat eine Gruppe Darmstädter Studierender während Sus Gastprofessur den Blick in dessen Heimat gerichtet: Im Rahmen des Wettbewerbs „Designing Resilience in Asia“ der National University of Singapore haben sie Konzepte vorgelegt, wie eine Insel, über die immer wieder Taifune hinweg fegen, gestärkt werden kann. Und das, stellte Yungsheng Su klar, ist nicht allein eine Frage der passenden Technologie. Darüber hinaus müsse man bedenken: Wer soll das überhaupt bezahlen? Und: Wie sieht der Alltag in einem Fischerdorf aus? Wie helfen sich die Bewohner gegenseitig? Welche Eingriffe in die Landschaft werden sie akzeptieren?

Yungsheng Su konnte hier sein kulturelles Wissen und seine Erfahrungen beisteuern. „Ohne ihn hätten wir nicht diese Ergebnisse“, sagt Annette Rudolph-Cleff, die gemeinsam mit Studierenden ihre Projekte Ende Juni in Singapur vorgestellt hat. Und es waren hervorragende Ergebnisse: Die Darmstädter haben den Preis für „Overall Design Excellence“ gewonnen – und eine „lobende Anerkennung“ für ihre beiden Studienprojekte bekommen.

Drei Fragen an…

Corinna Caspar-Terizakis. Bild: privat
Corinna Caspar-Terizakis. Bild: privat

Geschäftsführerin Corinna Caspar-Terizakis,

Referat Internationale Beziehungen, Koordinatorin der Strategischen Partnerschaft mit der Tongji-Universität

Wie erklärt sich die große Nähe zwischen der TU Darmstadt und der Tongji-Universität?

Die Partnerschaft mit der Tongji ist über Jahrzehnte gewachsen, dabei spielten historische Zufälle genauso eine Rolle wie das Interesse an der Forschung der anderen – zum Beispiel Verkehrsprobleme oder ingenieurwissenschaftliche Themen wie Eisenbahnen und Brückenbau.

1916 kamen die ersten chinesischen Studierenden nach Darmstadt, und die ersten Darmstädter Professoren lehrten in Shanghai. 1980 schlossen beide Hochschulen eine Vereinbarung zur Förderung von Forschung und Lehre. Seit März 2013 wird die Partnerschaft zwischen der TU Darmstadt und der Tongji-Universität vom Deutschen Akademischen Austauschdienst im Programm „Strategische Partnerschaften und Thematische Netzwerke“ mit knapp einer Million Euro des Bundesforschungsministeriums unterstützt.

Was bringt die Partnerschaft für die TU Darmstadt?

Sie bringt den Austausch von Wissen auf allen Stufen der wissenschaftlichen Karriere. Das erweitert den Horizont und führt zur Erkenntnis, dass es für erfolgreiche gemeinsame Forschungsarbeit nicht nur auf Fachwissen ankommt – sondern auch auf interkulturelle Kompetenzen. Die Partnerschaft dient der TU Darmstadt zugleich als best-practice Beispiel bei der Etablierung weiterer ausgewählter Strategischer Partnerschaften im Rahmen der Internationalisierungsstrategie der Universität.

Was haben Sie persönlich durch die Partnerschaft mit der Tongji gelernt?

Ich habe einen tiefen Einblick in die chinesische Arbeitsweise bekommen. Den Chinesen ist die persönliche Beziehung sehr wichtig: Sie nehmen sich Zeit, kümmern sich um ihre Gäste, sind sehr freundlich. Bei Verhandlungen aber sind sie äußerst zielstrebig und unbeirrbar.