Zerstörte Synagogen bleiben im Gedächtnis

Holocaust Museum in USA präsentiert Erinnerungsprojekt der TU Darmstadt

15.09.2015 von

Das Holocaust Museum in Farmington Hills (Detroit/USA) stellt zum zweiten Mal das Projekt „Synagogen in Deutschland – eine virtuelle Rekonstruktion“ des Fachgebiets Digitales Gestalten der Technischen Universität Darmstadt aus.

Virtuelle Rekonstruktion des Innenraums der „Großen Synagoge Glockengasse“ in Köln. Bild: FG Digitales Gestalten / TU Darmstadt

Die Arbeit geht zurück auf eine Initiative von Dr.-Ing. Marc Grellert (Fachbereich Architektur, Fachgebiet Digitales Gestalten) aus dem Jahre 1994. Wie heute gab es damals eine erhebliche Zahl von Angriffen auf Flüchtlingsheime. Antisemitismus wurde verstärkt sichtbar. So verübten Neonazis im März 1994 einen Brandanschlag auf die Synagoge in Lübeck. Das brachte Marc Grellert auf die Idee, Synagogen, die in der NS-Zeit zerstört wurden, virtuell zu rekonstruieren.

Mit den Rekonstruktionen, die unter der Leitung von Professor Manfred Koob († 2011) und Marc Grellert erfolgten, sollte der kulturelle Verlust aufgezeigt werden. Gleichzeitig gilt es, die bauhistorische Bedeutung der Bauwerke in Erinnerung zu rufen, die Teil deutscher Städte und Straßenbilder waren, Teil der deutschen Kultur. Das Projekt geht auch der Frage nach, wie mit Hilfe der Informations- und Kommunikationstechnologien neue Formen des kulturellen Gedächtnisses gebildet und Beiträge zur Erinnerung an den Holocaust geleistet werden können.

Ausstellungen zeigen virtuelle Rekonstruktionen

Die Wanderausstellung „Synagogen in Deutschland“ gastiert bereits zum zweiten Mal im Holocaust Museum in Farmington Hills. Bild: Marc Grellert
Die Wanderausstellung „Synagogen in Deutschland“ gastiert bereits zum zweiten Mal im Holocaust Museum in Farmington Hills. Bild: Marc Grellert

Über 60 Studierende der TU Darmstadt haben bisher an den Rekonstruktionen gearbeitet und durch ihren Einsatz das Projekt zum Erfolg getragen. Ergebnisse waren in Ausstellungen des Jüdischen Museums Frankfurt am Main und der Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn zu sehen bzw. werden in der Dauerausstellung des Jüdischen Museums Berlin der Öffentlichkeit präsentiert. Die Wanderausstellung, die jetzt zum zweiten Mal in Farmington Hills gezeigt wird (bis 27. Dezember 2015), war bereits im Diaspora Museum in Tel Aviv (Israel) zu sehen und wird organisatorisch begleitet vom Institut für Auslandsbeziehungen, einer Unterorganisation des Außenministeriums der Bundesrepublik.

Das Projekt wird ergänzt durch ein interaktives öffentliches Internetarchiv, das im Rahmen einer Forschungsarbeit am Fachgebiet entstand. Es beinhaltet die Grundinformationen zu über 2.200 deutschen und österreichischen Synagogen. Benutzer des Internets können weltweit Kommentare, Bilder, Links und Zeitzeugenberichte eigenständig hinzufügen.

Rekonstuktionen werden fortgesetzt

Die „Große Synagoge Glockengasse“ in Köln wurde am 10. November 1938 bis auf die Grundmauern zerstört. Bild: FG Digitales Gestalten / TU Darmstadt
Die „Große Synagoge Glockengasse“ in Köln wurde am 10. November 1938 bis auf die Grundmauern zerstört. Bild: FG Digitales Gestalten / TU Darmstadt

Auch nach zwanzig Jahren ist das Thema der virtuellen Synagogen am Fachgebiet Digitales Gestalten aktuell. Zurzeit rekonstruieren Studierende die Synagoge Bamberg, die wie etwa 1.500 andere jüdische Gotteshäuser im Deutschen Reich während der NS-Zeit zerstört wurde. Auch werden bereits bestehende Rekonstruktionen überarbeitet – so etwa im Jahr 2013 die Synagogen aus Köln und Dortmund im Rahmen einer Produktion für den Westdeutschen Rundfunk.

Anlässlich des 77. Jahrestags der Reichspogromnacht am 9. November 2015 hat das Holocaust Education Centre in Toronto (Kanada) Marc Grellert eingeladen, bei der Holocaust Education Week den Abschlussvortrag zu halten und über das Projekt der virtuellen Synagogen zu berichten.