Wer fährt denn da?

Darmstädter Forscher sprechen über die Möglichkeiten des autonomen Fahrens

16.09.2015 von

Professor Hermann Winner und Walther Wachenfeld vom Fachgebiet Fahrzeugtechnik im Fachbereich Maschinenbau erläutern im Interview Chancen, Risiken und Herausforderungen des autonomen Fahrens.

Forschen zum autonomen Fahren: Prof. Hermann Winner (links) und Walther Wachenfeld. Bild: Sandra Junker

TU Darmstadt: Herr Professor Winner, Herr Wachenfeld, wann fahren die ersten autonomen Autos im regulären Verkehr?

Hermann Winner: Ein Fahrzeug, das überall und immer autonom unterwegs ist, wird es auch in den nächsten dreißig Jahren nicht geben. Aktuell bewegen sich solche Fahrzeuge versuchsweise in einem bestimmten Netzwerk hin und her und werden dabei ständig überwacht. Die Vision eines Fahrzeugs, das in jeder Situation intelligent reagiert, wird also so schnell nicht eintreten, hochautomatisiertes Fahren auf bestimmten Strecken jedoch schon.

Das bedeutet?

Walther Wachenfeld: Dass der Fahrer zur Not das Steuer übernehmen muss, sich aber auch mit anderen Dingen beschäftigen kann, zum Beispiel Mails bearbeiten, ohne auf den Verkehr zu achten – solange bis das System zur Übernahme auffordert. In dieser Ausbaustufe wird der Fahrer sich also noch nicht vollständig ausklinken, die Lenksäule wegklappen und schlafen können.

Was wäre eine typische Situation, in der der Bordcomputer den Fahrer auffordert, zu übernehmen?

Wachenfeld: Bei heutigen Assistenzsystemen wird der Fahrer aufgefordert, wenn zum Beispiel über einem festgelegten Niveau gebremst oder über eine bestimmte Stärke hinaus gelenkt werden muss. Und die mit diesen Assistenzsystemen gesunkenen Unfallzahlen zeigen, dass man das technisch eigentlich gut im Griff hat. Bei hochautomatisierten Fahrzeugen allerdings verlässt man sich nicht mehr in dieser Form auf das Eingreifen durch den Menschen. Ein hochautomatisiertes Auto muss zum Beispiel eine Vollbremsung machen können und diese immer dann einsetzen, wenn es notwendig ist. Die Möglichkeit des Nichtstuns bleibt für die Hochautomatisierung nicht. Das ist eine der technischen Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen.

Wird autonomes Fahren Unfälle weiter reduzieren?

Winner: Ein Argument für die Einführungsnotwendigkeit lautet ganz klar, dass das Unfallrisiko durch autonomes Fahren sinkt. Schließlich verursachen Menschen die Mehrzahl der Unfälle. Sicherheit ist also ein Riesen-Thema in dem Zusammenhang. Man muss aber auch sehen, dass jedes neue System, das Einfluss auf den Verkehr nimmt, neue Problemsituationen produziert. Wichtig ist aber, dass die Bilanz am Ende positiv ist.

Fahren Roboter denn sicherer als Menschen?

Winner: Das zu beweisen ist äußerst schwierig.

Kann eine Maschine auf Situationen so wie ein Mensch reagieren oder gibt es Grenzen, die man auch technisch nicht lösen kann?

Winner: Diese Grenzen kennen wir noch nicht, muss man ehrlicherweise sagen. Wir wissen aber, dass Maschinen anders fahren werden als Menschen. Gerade in der Anfangsphase des autonomen Fahrens wird Vorsicht das Hauptkriterium sein: Abstände und Geschwindigkeiten zum Beispiel müssen präzise eingehalten werden. Das Fahren wird sehr defensiv sein – untypisch für Menschen. Und es wird klare Schwächen geben: Die Antizipation im Verkehr werden Maschinen sicherlich nicht so gut beherrschen, ebenso wenig den Umgang mit Sondersituationen. Und im Moment weiß keiner genau, ob das eine das andere ausgleicht.

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