Radar für die alternde Gesellschaft

Humboldt-Preisträger Professor Moeness Amin forscht an der TU Darmstadt

17.06.2016 von

Derzeit weilt der international renommierte Elektrotechnik-Professor Moeness Amin von der Villanova University, Pennsylvania, für einen Forschungsaufenthalt an der TU Darmstadt. Der 61-Jährige Humboldt-Preisträger gilt als einer der weltweit führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Signalverarbeitung. In Darmstadt erforscht er im Team, wie Radar in der Sturzerkennung älterer oder gehbeeinträchtigter Menschen im Gesundheitsbereich eingesetzt werden kann.

Zu Gast am Fachbereich Elektro- und Informationstechnik: Radar-Experte Professor Moeness Amin. Bild: Claus Völker
Zu Gast am Fachbereich Elektro- und Informationstechnik: Radar-Experte Professor Moeness Amin. Bild: Claus Völker

Abdelhak Zoubir, Professor für Elektrotechnik an der TU Darmstadt, erinnert sich noch gut an sein erstes Treffen mit Moeness Amin. Das war Ende der 1980er Jahre bei einer Konferenz im französischen Grenoble. „Er war damals schon ein bekannter Wissenschaftler und ich noch Doktorand“, erzählt Zoubir. „Ich habe mich trotzdem getraut, ihm eine Frage zu stellen“, lacht er. Damals ging es um Klopfgeräusche bei Ottomotoren. Im Laufe der Jahre hat sich der wissenschaftliche Fokus verschoben.

Es zieht ihn immer wieder hierher

Heute ist Abdelhak Zoubir selbst Professor und forscht in der Signalverarbeitung. Und der internationale Experte, Moeness Amin, sitzt ihm gegenüber in seinem Büro in der Merckstraße. Aus dem Treffen vor vielen Jahren ist eine enge wissenschaftliche Zusammenarbeit über den Atlantik hinweg am Darmstädter Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik entstanden – und als Moeness Amin in diesem Jahr mit dem Humboldt-Forschungspreis für sein bisheriges Schaffen ausgezeichnet wurde, entschied sich der gebürtige Ägypter für einen weiteren Aufenthalt an der TU. Seit 15 Jahren schon, erzählt der Professor, der an der privaten katholischen Villanova University in der Nähe von Philadelphia forscht und lehrt, kehrt er immer wieder nach Darmstadt zurück. „Unsere fachlichen Interessen sind sehr ähnlich.“

Begonnen hat Amins Karriere mit einem Stipendium an der Boulder University in Colorado. Dort forschte der junge Elektrotechnik-Ingenieur zum Thema Signalverarbeitung. Der Sohn einer wohlhabenden ägyptischen Familie hatte sich immer für angewandte Mathematik interessiert. Seinen Bachelor machte Amin in Kairo, schloss als Jahrgangsbester ab und wechselte für den Master an die Universität von Saudi-Arabien. Sein Studienschwerpunkt war zunächst die Ölindustrie. Sein Vater, ein Jurist, arbeitete als Berater in der saudischen Ölindustrie. „Er hatte mir geraten, Petrolengineering zu studieren, weil man dort viel Geld verdienen konnte“, erinnert sich der Professor. „Doch das war nicht mein Ding und ich wechselte zur Elektrotechnik – mir war egal, wie viel ich verdienen würde“, lacht Amin.

Radar im Gesundheitssektor

Humboldt-Preisträger Professor Moeness Amin. Bild: Claus Völker
Humboldt-Preisträger Professor Moeness Amin. Bild: Claus Völker

Der Erfolg gab ihm recht. Erneut war er Jahrgangsbester, ging anschließend in die USA und spezialisierte sich zunächst auf Signalverarbeitung, später auf Kommunikation und dann auf Radar- und Sonar-Erkennung. Er hat zahlreiche Auszeichnungen für seine Forschung erhalten, darunter den IEEE Signal Processing Society Technical Achievement Award und den NATO Scientific Achievement Award. Moeness Amin hat Radarforschung unter anderem für das US-Verteidigungsministerium betrieben und konzentriert sich nun darauf, die Erkenntnisse aus der militärischen Sicherheitsanwendung für den zivilen Bereich und vor allem für die Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft einzusetzen.

„Radar ist heute sicher, zuverlässig und auch im Gesundheitsbereich bezahlbar“, sagt er. Mit nur handgroßen Doppler-Radaren in der Wohnung lasse sich die Bewegung älterer oder gehbeeinträchtigter Menschen erkennen und unterscheiden. „Jede Bewegung hat ihre spezielle Signatur, verursacht eine spezielle Frequenz“, erklärt der 61-Jährige. Der Radar erkennt, ob jemand sitzt, steht, geht oder fällt.

An einem Problem jedoch arbeiten Professor Amin und seine Darmstädter Kollegen derzeit gemeinsam: Schnelles Hinsetzen und langsames Hinfallen eines Menschen kann der Radar nur schwer unterscheiden, weil diese Bewegungsabläufe die gleiche Frequenz verursachen und unerwünschte Fehlalarme auslösen können. Moeness Amin ist jedoch sicher, „dass die Technologie bald reif sein wird“. Anders als bei Kameras fühlten sich die Menschen bei Radar nicht überwacht oder beobachtet. Er und sein Team forschen an einer selbstlernenden Radartechnologie, die sich ganz individuell auf den Menschen, seine Bewegungen und seinen Alltag einstellt, der sie benutzt. Das Gerät erkennt dann, ob derjenige am Stock oder mit Rollator geht, ob seine Katze vom Tisch springt oder er selbst gerade langsam vom Stuhl zu Boden rutscht.

Amin und seine Studenten haben hunderte Video angeschaut, selbst Stürze simuliert oder am Computer modelliert, um alle erdenklichen Parameter und Möglichkeiten zu generieren, „denn der Radar erkennt nur, was ihm antrainiert wurde“, sagt der amerikanische Professor. Derzeit forscht Amin sogar an der Möglichkeit eines Radars, eines Monitoring-Systems, das Krankheiten oder auch Rehabilitationsverläufe erkennen könnte. Der Humboldt-Forschungspreis ermöglicht, dass er das in den nächsten drei Jahren sechs Monate lang auch in Darmstadt tun kann.