Der Weg zur Hessischen Verfassung vor 70 Jahren

Vortrag des Historikers Professor Walter Mühlhausen

21.06.2016 von

Das Land feiert „70 Jahre Hessen“: Am 1. Dezember 1946 votierten die Bürgerinnen und Bürger in einer Volksabstimmung für die Annahme der bis heute gültigen Landesverfassung und wählten gleichzeitig den ersten Landtag. Das „demokratisches Hessen“ war geboren. Anlässlich des Jubiläums finden derzeit landesweit vielfältige Veranstaltungen statt. An der TU Darmstadt hält Prof. Dr. Walter Mühlhausen am 5. Juli den Vortrag „Von der Befreiung zur Verfassung: Demokratiegründung im Nachkriegshessen 1945/46“.

„Die Hessische Verfassung hat sich über nunmehr 70 Jahre bewährt.“ Bild: Patrick Bal
„Die Hessische Verfassung hat sich über nunmehr 70 Jahre bewährt.“ Bild: Patrick Bal

Drei Fragen an Prof. Walter Mühlhausen:

TU Darmstadt: Der 1. Dezember 1946 ist für das Land Hessen sicher das entscheidende fundamentale Datum…

Prof. Walter Mühlhausen: Allerdings. Bereits 20 Monate, nachdem amerikanische Truppen in das heutige Hessen vorgestoßen waren, trat im Land bereits eine Verfassung in Kraft – mit den Weihen des Volkes versehen. Der demokratische Aufbau im Land konnte nach zwölf Jahren menschenverachtender Diktatur abgeschlossen werden.

Dass Hessen schon am 1. Dezember 1946 mit der Volksabstimmung über die Verfassung, die gleichzeitig mit den ersten Landtagswahlen stattfand, zum Verfassungsstaat wurde, ist umso erstaunlicher, als der demokratische Wiederaufbau auf Trümmern erfolgte. Die Städte waren in Schutt und Asche gelegt worden, die Bevölkerung kräftemäßig und mental ausgelaugt, belastet mit dem Vergangenen, dem totalitären Hitler-Regime, und den alle Bereiche beeinträchtigenden Folgelasten von mehr als fünf Jahren Krieg.

Prof. Walter Mühlhausen. Bild: Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte
Prof. Walter Mühlhausen. Bild: Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte

Welche Aspekte werden Sie in Ihrem Vortrag beleuchten?

Der Vortrag befasst sich mit der Demokratiegründung in Hessen 1945 und 1946 unter der Obhut der Amerikaner, von der Wiedergründung von Parteien über die ersten Wahlen bis hin zur Verfassungsverabschiedung. Wenngleich Hessen die rasche demokratische Konsolidierung ganz wesentlich auch der amerikanischen Besatzungsmacht verdankte, so war die Verfassung das Werk der hessischen Politiker und Politikerinnen: Mit der Zustimmung durch das Volk gewann die Staatsgrundlage noch mehr an Gewicht. Das alles geschah in einem Tempo, das kaum einer der Besiegten bei Kriegsende so hatte voraussehen können.

Wie bewerten Sie rückblickend die politische Bedeutung und den Gehalt der Verfassung?

Die Verabschiedung der Landesverfassung am 1. Dezember 1946 war ein Meilenstein in der hessischen Nachkriegsgeschichte. Der Verfassungskompromiss von SPD und CDU legte sogleich das Fundament zur Großen Koalition, an deren Spitze der am 20. Dezember 1946 gewählte Abgeordnete Christian Stock (SPD) als Ministerpräsident trat und der 1950 den Stab an Georg August Zinn weiterreichte. Die Hessische Verfassung hat sich über nunmehr 70 Jahre bewährt. Sie hat mit ihren sozialpolitischen Verpflichtungen und einer feinsinnigen Sicherung der republikanischen Ordnung als ein starkes Fundament für die Demokratie in Hessen erwiesen.

5. Juli 2015 18 – 20 Uhr

„Von der Befreiung zur Verfassung: Demokratiegründung im Nachkriegshessen 1945/46"

Hörsaal im Uhrturmgebäude (S2|08), Hochschulstraße 4, 64289 Darmstadt

Weiterführende Informationen und Lesetipp:

Blickpunkt Hessen Nr. 4: Die Gründung des Landes Hessen 1945

Blickpunkt Hessen Nr. 20: Die Entstehung der Hessischen Verfassung 1945. Erhältlich bei der Hessischen Landezentrale für politische Bildung (www.hlz.hessen.de).