Turbo für das Breitbandnetz

Darmstädter Forscher arbeiten an einer Alternative für den Datentransport

11.08.2016 von

Neue Glasfasern zu verlegen ist teuer. Netzbetreiber wollen daher vorhandene Kapazitäten besser ausschöpfen. Eine neue Art von Laserdiode aus Darmstadt könnte dabei helfen. Sie wurde nun mit der Industrie zur Anwendungsreife gebracht.

Professor Franko Küppers im Optiklabor. Bild: Katrin Binner

Licht durchflutet die großflächigen Fenster des Büros im sechsten Stock des Hans-Busch-Instituts der Technischen Universität Darmstadt. Franko Küppers hält an seinem Schreibtisch eine haardünne, grau schimmernde Faser in die Sonne. Auch durch solche Fasern strömt Licht, allerdings nicht zur Beleuchtung, sondern zum Transport von Daten.

Mit Licht als Informationsträger beschäftigt sich der Elektrotechnik-Professor schon sehr lange. Er kennt die konkurrenzlose Stärke von Glasfasern: Tausende von Gigabyte pro Sekunde flitzen hindurch. Mit Kupferkabeln hingegen, die heute oft noch die so genannte „letzte Meile“ zu den Haushalten überbrücken, lässt sich weniger als ein Tausendstel dieser Datenrate übertragen.

Als ehemaliger Leiter einer entsprechenden Forschungsabteilung bei der Deutschen Telekom weiß Küppers aber auch, was die Verbreitung von Glasfasern hemmt. Neue Leitungen kosten viel. Daher versuchen Netzbetreiber, vorhandene Kapazitäten besser auszunutzen.

Ein altbekanntes Mittel hierzu ist das sogenannte Multiplexing, das bis zu 80 Signale bündelt und gleichzeitig durch eine Glasfaser leitet. Vorstellen kann man sich das als eine Art umgekehrtes Prisma. Normalerweise spaltet dieses einen weißen Lichtstrahl in seine Farben auf. Das geht auch umgekehrt: Treten verschiedenfarbige Strahlen in das Prisma ein, fasst sie dieses zu einem weißen Strahl zusammen. Da sich verschiedene Signale mittels Licht verschiedener Farben transportieren lassen, gelingt es auf diese Weise, mehr Infomation in einen weißen Strahl zu bündeln als es mit einem einfarbigen Strahl möglich wäre.

Eröffnung eines gigantischen Markts

Julijan Cesar und Sujoy Paul (v.li.), Doktoranden am Institut von Prof. Küppers. Bild: Katrin Binner
Julijan Cesar und Sujoy Paul (v.li.), Doktoranden am Institut von Prof. Küppers. Bild: Katrin Binner

"Das Multiplexing war die Schlüsselinnovation, die das heutige Breitband-Internet und das mobile Internet erst ermöglicht hat“, schwärmt Küppers. Sein Team vom Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik hat diese Technologie entscheidend verbessert und damit einen „gigantischen Markt“ eröffnet, wie der Forscher sagt. Vor kurzem hat ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördertes Verbundprojekt der Darmstädter mit drei Industrieunternehmen die Technik reif für Feldtests gemacht.

Das Kernstück stammt aus Darmstadt: Ein mikroelektromechanisches System (MEMS), welches mit einer Laserdiode integriert wird und dieser dadurch eine neue, besonderen Eigenschaft verleiht. Laserdioden emittieren normalerweise Licht einer bestimmten Wellenlänge. Sie speisen Lichtpulse mit dieser Farbe in die Glasfasern ein. Beim optischen Multiplexing braucht man bis zu 80 verschiedene Laserdioden unterschiedlicher Farbe. Denn jeder Informationskanal sendet ja mit einer anderen Lichtwellenlänge.

„Das verursacht viel Aufwand“, sagt Küppers. Denn zum einen erfordere es eine sehr hohe Präzision in der Herstellung, damit die Diode genau die gewünschte Wellenlänge emittiert. „Es gibt viel Ausschuss“, weiß Küppers. Zudem müssten für alle 80 Kanäle Ersatzdioden vorgehalten werden.

Wie ein Saiteninstrument

Küppers bietet mit einer wellenlängenabstimmbaren Laserdiode nun eine Alternative. Die Wellenlänge, die die Diode aussendet, lässt sich in einem gewissen Rahmen frei wählen. Vergleichbar ist der Fortschritt mit einem Saiteninstrument. Vorher gab es sozusagen nur Gitarren ohne Bünde, bei denen jede Saite nur einen einzigen Ton erzeugen konnte. Mit der Darmstädter Erfindung gibt es jetzt Bünde und damit die Möglichkeit, jeder Saite viele Töne zu entlocken.

Damit lässt sich der Ausschuss verringern. Denn die Wellenlänge lässt sich ja am fertigen Produkt verändern, sodass bei der Herstellung keine allzu enge Norm eingehalten werden muss. „Das Vorhalten von 80 verschiedenen Ersatzteilen ist auch nicht mehr nötig“, ergänzt Küppers. Ein weiterer Vorteil der neuen Dioden: „Netzwerke können so flexibler werden“, sagt Küppers. Die Wellenlänge lässt sich nämlich auch während des Betriebs in Sekundenschnelle verändern. Dadurch kann die Bandbreite pro Farbkanal ständig dem aktuellen Bedarf angepasst werden. „Die Gesamtbandbreite der Glasfaser wird so optimal ausgenutzt“, betont Küppers.

Die Grundidee der Darmstädter Technik ist einfach. Einen Laser kann man sich wie ein Rohr vorstellen, an dessen beiden Enden je ein Spiegel sitzt, zwischen denen Licht hin und her reflektiert wird. Der Abstand der beiden Spiegel gibt, ähnlich der Länge einer Saite, die Lichtfarbe vor, die der Laser aussendet.

Julijan Cesar und Sujoy Paul, Doktoranden am Institut von Küppers, zeigen im Reinraum-Labor, wie es funktioniert: Man setzt an das eine Ende einer herkömmlichen Laserdiode einen beweglichen Spiegel. Dieser besteht aus einer stark spiegelnden Membran aus Siliziumoxid und Siliziumnitrid mit etwa einem Zehntel Millimeter Durchmesser. Vier Spinnenbeinen ähnliche Stützen halten ihn parallel über der Oberfläche der eigentlichen Diode.

„Leitet man einen schwachen Strom durch diese Beinchen, dehnen sie sich aus und der Spiegel entfernt sich ein Stück von der Oberfläche der Diode“, erklärt Küppers. Diese Abstandsänderung verschiebt die in Glasfasern standardmäßig verwendete Wellenlänge von 1.550 Nanometern (Millionstel Millimeter) um bis zu 100 Nanometer. Im Fachjargon heißt die Technik: Wellenlängenabstimmbare, oberflächenemittierende Laserdioden mit Vertikalresonator, oder kurz VCSEL, vom englischen „Vertical-Cavity Surface-Emitting Laser“.

Ihr Labormuster haben die Darmstädter nun mit einem Industriekonsortium weiterentwickelt. „Die Kooperation war sehr eng“, lobt Küppers. Und es hat sich gelohnt. Die neue Technologie erreicht nun eine sehr hohe Datenrate von rund 12 Gigabit pro Sekunde. „Eine besondere Herausforderung war auch, die Justierung der Wellenlänge für den Betrieb stabil zu halten“, erklärt Küppers. Das Verbundprojekt hat einen für die Massenfertigung tauglichen Prototypen entwickelt, der im industriellen Umfeld eines der Partner getestet werden soll.

Danach kann sich dem Konsortium ein riesiger Markt öffnen. Das Rückgrat des Internets besteht aus Glasfasern. „Aber auch in Rechen- und Datenzentren, die in Zeiten des Cloud-Computing ja immer wichtiger werden, werden Glasfasern zur Datenübertragung genutzt“, weiß Küppers.Gut möglich, dass eine Erfindung aus Darmstadt bald zur Grundausstattung des Internets gehört.