Digitale Zukunft im Hier und Jetzt

Wissenschaftsminister Boris Rhein besucht Future Innovation Lab der TU

08.09.2016 von

Wie werden wir in Zukunft leben und arbeiten? Welche digitalen Innovationen werden unseren Alltag und die Arbeitswelt verändern und wie bereiten sich Unternehmen am besten auf die rasant schnellen Veränderungen vor, um zukunftsfähig zu bleiben? Diesen Fragen gehen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der TU Darmstadt im Future Innovation Lab nach. Das Forschungsinstitut „Leap-in-Time GmbH“ ist ein Spin-off der TU. Am Mittwoch besuchte Hessens Wissenschaftsminister Boris Rhein das Zukunftslabor.

Wissenschaftsminister Boris Rhein inspiziert den Smart Table. Bild: Claus Völker

Der Minister ist gar nicht mehr zu bremsen. „Das ist ja faszinierend“, sagt er und zoomt die Landkarte detaillierter heran. Der Stadtplan von Darmstadt oder die Côte d‘Azur sind in Sekundenbruchteilen ganz nah. Per Fingerzeig lassen sich auch Tastatur oder Schreibfläche aufziehen, Dateien öffnen, Dokumente oder Fotos versenden. Der Computer mit Touchscreen hat Esstischgröße, ein Team von acht oder zehn Menschen könnte sich um ihn versammeln und daran arbeiten, Kaffeetassen oder Arbeitsmaterialien lassen sich problemlos auf der robusten Glasoberfläche abstellen.

„Das wäre toll für Kabinettssitzungen“, schwärmt Boris Rhein. Entworfen hat den Riesen-Touchscreen das Wissenschaftler-Team des TU-Fachgebiets Telekooperation um Informatik-Professor Max Mühlhäuser. Der Prototyp des Tisches ist ein Unikat und besteht aus einem 3-D-Fernseher, Computer und einer speziell entworfenen wasserdichten, stoßfesten Glasfläche.

An der Kooperation waren die TU, „Leap-in-Time“ und die Unternehmen Vario und Schott beteiligt. „Wir wollen dafür ein Patent anmelden“, berichtet Ruth Stock-Homburg, Gründungsgesellschafterin von „Leap-in-Time“ sowie Professorin und Leiterin des Fachbereichs Marketing und Personalmanagement im Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt. „Das würde ich sofort kaufen“, begeistert sich der Minister für die Idee des Smart Table, des intelligenten Tisches, der, so Sebastian Günther, Doktorand am Telecooperation Lab, für das interaktive und digitale Arbeiten der Zukunft steht.

Gruß vom Roboter

Die Begrüßung von Boris Rhein (li.) übernahm neben Prof. Ruth Stock-Homburg (re.), TU-Vizepräsidentin Prof. Mira Mezini (3.v.re.) und Prof. Ralf Steinmetz (2.v.li.) auch ein Roboter. Bild: Claus Völker
Die Begrüßung von Boris Rhein (li.) übernahm neben Prof. Ruth Stock-Homburg (re.), TU-Vizepräsidentin Prof. Mira Mezini (3.v.re.) und Prof. Ralf Steinmetz (2.v.li.) auch ein Roboter. Bild: Claus Völker

In dem Loft am Donnersbergring in Darmstadt hat diese Zukunft schon begonnen. Der große Raum, ausgestattet mit Ziegelmauern und gusseisernen Säulen, war früher mal ein Artilleriepferdestall. Anfang 2016 ist das Future Innovation Lab eingezogen und seither begrüßen die Roboter Renée Nao und Ray die Gäste. Auch dem Minister schüttelt Nao die Hand, heißt ihm freundlich auf Englisch willkommen und fragt, wie seine Anreise war.

Die Schnittstelle zwischen Robotik, Informatik, Psychologie und Betriebswirtschaft ist einer der Forschungsschwerpunkte des Spin-offs der Universität, betont Professorin Stock-Homburg. In Japan beispielsweise gibt es schon ein Hotel, das komplett von humanoiden Robotern betrieben wird. Soweit ist man in Deutschland noch nicht, aber die Darmstädter Wissenschaftler schauen genau auf die Tätigkeiten, die Nao und Kollegen übernehmen, forschen zum Thema Funktionalität und Emotionen und kulturelle Unterschiede bei der Roboter-Akzeptanz. „Die USA, China und Japan liegen da ganz vorne, Deutschland und Mexiko sind Schlusslichter“, so Ruth Stock-Homburg.

Sie und ihre Mitstreiter wollen Unternehmen unter anderem Hilfestellung leisten, wie Roboter sinnvoll eingesetzt werden können, etwa in der Altenpflege, in Krankenhäusern oder im Büro. „Die Robotik“, ist sich auch TU-Vize-Präsidentin Professorin Mira Mezini sicher, wird sich in nur wenigen Jahren durchsetzen. Sie und Ruth Stock-Homburg bedauern, dass es dafür nicht ausreichend Förderinitiativen von Bund und Ländern gibt.

Flexible Bürolandschaften

Reise ins Virtuelle mithilfe einer VR-Brille. Bild: Claus Völker
Reise ins Virtuelle mithilfe einer VR-Brille. Bild: Claus Völker

Das Future Innovation Lab ist ausgestattet mit einer Bürolandschaft, von der die meisten Arbeitnehmer bisher nur träumen können. Es gibt besagten Smart-Table, Konferenztische, die sich schnell in der Pause mal zur Tischtennis-Platte umrüsten lassen, auf einem Laufband können Mitarbeiter ihr Fitness-Programm erledigen während sie gleichzeitig telefonieren oder am Monitor arbeiten.

Und weil Studien laut Stock-Homburg ergeben haben, dass viele Freiberufler am liebsten vom Bett oder Sofa aus ihre Aufträge erledigen, gibt es auch eine Relax-Zone im Loft. Die Wissenschaftler zeigen mit dem Projekt „Smart Living & Working“ Möglichkeiten auf, wie Menschen zu Hause ihre eigene Arbeitsumgebung verbessern können. Das Projekt „Activity-based Working“ nimmt dagegen den klassischen Arbeitsplatz und das Büro ins Visier. Das Team von Leap-in-Time experimentiert mit höhenverstellbaren Schreibtischen, mobilen Meeting-Bereichen, Smart Tables, modernen Büroelementen, die die Kreativität und Produktivität der Mitarbeiter steigern sollen.

Für Unternehmen und Firmen testet das Team Mobiliar, bietet Workshops an und Beratungen. „Das ist eine wichtige Finanzierungsquelle für uns“, sagt Ruth Stock-Homburg, die Gastprofessorin am MIT Cambridge war und viele Ideen aus den USA mitgebracht hat.

Ein Forschungsprojekt befasst sich etwa mit der richtigen Beleuchtung im Büro. Wie wirkt sich das auf die Produktivität aus, welche Farbe muss Licht haben? „Wir testen die Nuancen“, sagt die Professorin. Am angenehmsten empfinden Menschen danach gelb-rötliches Licht, das leuchtet wie die Sonne im Sommer. Das Loft etwa ist mit Licht der Firma W-tec ausgestattet, das von Sensoren autonom gesteuert wird und sich dem Lichteinfall von außen anpasst. Das spart Lichtschalter und fast 80 Prozent der sonst üblichen Elektrizität. Dafür gab es 2016 den SMART Nachhaltigkeits-Award des Landes Hessen.

Verabschiedet wird der Minister am Mittwoch im Zukunftslabor mit einem der neuesten Trends: Virtual Reality. Markus Prenneis, Gründer des Unternehmens „present 4D“, das Power-Point-Präsentationen für Virtual Reality entwirft und Sponsor des Future Innovation Labs ist, hält einen Actionstreifen für Boris Rhein bereit. Mit einer VR-Brille versetzt er den Wissenschaftsminister in andere Welten. Plötzlich steht dieser in düsteren Häuserschluchten, in denen Roboter kämpfen, Felsbrocken und Autos durch die Luft fliegen. Man schaut nicht nur einen Film, sondern ist mitten drin. Boris Rhein ist beeindruckt: „Das ist eine ganz andere Dimension, eine Technik, die sich auch für Architektur oder Stadtplanung oder Medizin nutzen lässt.“

Das Future Innovation Lab in rheinmaintv

Ein Kamerateam von rheinmaintv hat den hessischen Wissenschaftsminister Boris Rhein bei seinem Rundgang durch das Future Innovation Lab begleitet.