Wasser ist ihr Element

Prof. Susanne Lackner ruderte bei den Paralympics in Rio auf den vierten Platz

21.09.2016 von

Susanne Lackner, Professorin am Institut IWAR des Fachbereichs Bau- und Umweltingenieurwissenschaften, hat als Ruderin an den Paralympics in Rio de Janeiro teilgenommen. Auch beruflich ist sie dem Wasser verbunden: Ihr Forschungsgebiet ist die Abwassertechnik.

Susanne Lackner (li.) und ihr Team unterwegs auf der Lagoa Rodrigo de Freitas. Bild: Binh Truong / DBS
Susanne Lackner (li.) und ihr Team unterwegs auf der Lagoa Rodrigo de Freitas. Bild: Binh Truong / DBS

Groß war der Jubel nach dem Hoffnungslauf: Das Ruderboot von Professorin Susanne Lackner und ihren Teamkameraden Anke Molkenthin, Tino Kolitscher, Valentin Luz sowie Steuerfrau Inga Thöne hatte als Erstes die Ziellinie überquert – damit war der Einzug ins A-Finale bei den Paralympics in Rio de Janeiro geschafft. „Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen uns, China und Frankreich, das wir erst auf den letzten hundert Metern für uns entscheiden konnten“, erinnert sich Lackner. „Das Rennen war wahnsinnig anstrengend.“

Lackner, an der TU Darmstadt Professorin für Abwassertechnik, hat ein eingeschränktes Sehvermögen von unter zehn Prozent. Bei den Paralympics startete sie in der Disziplin mit der komplizierten Bezeichnung „LTA Mix 4+“. LTA steht für „Legs, Trunk, Arms“ und beschreibt, welche Körperteile die Athletinnen und Athleten beim Rudern einsetzen können. Die Mannschaften bestehen aus zwei Männern und zwei Frauen (Mix) und einem Steuermann bzw. einer Steuerfrau.

Zwölf dieser Teams kämpften in Rio um Medaillen. Nach dem Vorlauf – die deutsche Mannschaft wurde dort dritte – und dem erfolgreichen Hoffnungslauf mussten sich Lackner und ihre Mitstreiter im Finale mit dem vierten Platz begnügen. „Wir wussten, dass Großbritannien, USA und Kanada nicht zu schlagen sein würden“, sagt die 38-Jährige, die für den RC Vilshofen startet. „Mit dem vierten Platz sind wir sehr glücklich. Wir haben Teams hinter uns gelassen, die uns sonst eine Bootslänge voraus waren.“

Die Zeit in Rio hat Lackner sehr genossen. „Die Stimmung auf den Tribünen war toll. Wir haben getreu dem Motto ,Dabei sein ist alles‘ teilgenommen und hatten viel Spaß, aber keinen Druck.“ Auch die Organisation und Infrastruktur lobt Lackner, die Beschwerden, die man auch von anderen deutschen Athleten hörte, kann sie nicht nachvollziehen: „Die Apartments waren zwar einfach, aber es war alles da. Auch das Essen war abwechslungsreich. Und dass man Klopapier nicht in die Toilette werfen darf, ist ja in vielen Ländern üblich.“

Lust auf mehr

Prof. Dr. Susanne Lackner. Bild: Sandra Junker
Prof. Dr. Susanne Lackner. Bild: Sandra Junker

Sportlich haben die Erfahrungen in Rio bei der Umweltingenieurin Lust geweckt auf mehr: „Ich dachte eigentlich, dass nach Rio Schluss ist, aber jetzt habe ich wieder Blut geleckt“, berichtet sie lachend. Mit 13 Jahren hat sie mit dem Rudern begonnen, erst ab 2006 wechselte sie zum Behindertensport. 2007 wurde sie im Vierer Weltmeisterin, es folgten ein dritter (2009) und ein siebter Platz (2015). Bei den Paralympics 2008 in Peking wurde der Mix-Vierer ebenfalls Vierter.

Ihr Training absolviert Lackner hauptsächlich auf ihrem Ruderergometer und im Fitnessstudio. Aufs Wasser kommt sie nicht so oft. „Wegen meines geringen Sehvermögens habe ich keinen Führerschein.“ Und auch zeitlich ist es schwierig, Leistungssport und Professorenstelle unter einen Hut zu bekommen: „Vier- bis fünfmal in der Woche ein zweistündiges Training ist das Minimum.“

Das Wasser ist das Element, das Lackners Arbeit und ihren Sport miteinander verbindet: Ihr Forschungsschwerpunkt ist die biologische Abwasserreinigung. Viel wurde in den Medien über die Verschmutzung des Wassers in der Lagoa Rodrigo de Freitas berichtet. Lackner bestätigt: „Das Wasser dort war wirklich sehr dreckig. Wir haben sehr darauf geachtet, es nicht zu schlucken.“ Steuerfrau Thöne habe einen leichten Ausschlag bekommen, aber krank sei niemand geworden.

Lackner blieb angesichts der Wasserqualität entspannt: „Ich habe von Berufs wegen schon Schlimmeres gesehen.“ Sie bedauert allerdings, dass man das Problem bei den Vorbereitungen auf die olympischen Spiele und die Paralympics nicht angegangen sei – nicht für die Sportler, sondern für die Bevölkerung: „Da wurde eine Chance vertan.“. In Brasilien fehle es sowohl an der Infrastruktur als auch in vielen Bereichen am Know-How für eine sinnvolle Abwasserbehandlung. „Es gibt auch kaum Kanalsysteme wie bei uns. Die Abwässer der Favelas laufen oft ungeklärt ins Meer.“ Schon einfache Sedimentationsbecken könnten die Lage dort verbessern, sagt die Expertin.

Ob sie bei den Paralympics 2020 in Tokio dabei sein wird, hat Susanne Lackner noch nicht entschieden. Im Moment hat sie das Ruder aber auf jeden Fall noch fest in der Hand.