Das Pendeln hat ein Ende

Optimale Arbeitsbedingungen für das Institut für Fluidsystemtechnik

28.09.2016 von

Das Institut für Fluidsystemtechnik der TU Darmstadt ist von der Innenstadt auf den Campus Lichtwiese umgezogen. Büroräume, Werkstätten und Versuchslabore sind nun an einem Standort vereint.

Der Umzug hat fast schon eine historische Dimension. Seit 1897 forschten und lehrten die Maschinenbauer der Technischen Hochschule, später TU, in der Innenstadt. Der Lehrstuhl „Maschinenbau V für Wasserkraftmaschinen, Hebemaschinen, Hydraulik und Fabrikanlagen“, wie er zunächst hieß, wurde vor fast 120 Jahren gegründet. 1958 zogen die Wissenschaftler in das Bürogebäude in der Magdalenenstraße ein. Im Zentrum Darmstadts blieben sie ein halbes Jahrhundert lang – bis jetzt. Im Frühjahr 2016 packten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Institut für Fluidsystemtechnik die Umzugskartons.

Obwohl Arbeitsgruppen bereits 1993 auf die Lichtwiese umzogen, Werkstätten und Versuchshalle hier schon Jahrzehnte genutzt werden, schwingt ein bisschen Wehmut mit, wenn Professor Peter Pelz, Leiter des Fachgebietes, durch die Räume führt. Ein bisschen „fremdeln“ die Wissenschaftler noch mit dem neuen Standort und der Adresse „Otto-Berndt-Straße 2“, doch die Zusammenlegung der vormals zwei Standorte sieht er durchaus als Vorteil.

Die Wege sind jetzt kürzer. Die Forscher müssen nicht mehr zwischen der Innenstadt und dem Campus Lichtwiese pendeln, was Zeit spart. „Die Forschung lebt von der Kommunikation und an zwei Standorten kann das unter Umständen schwierig werden, weil sich unterschiedliche Arbeitsweisen oder Sprachen entwickeln können“, sagt Professor Pelz.

Öl- und Wasserhydraulik

Jetzt sind Büros, Bücher, Werkstätten und Labore an einem Standort konzentriert. Auf drei Fluren sind die 35 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Fluidsystemtechnik in dem großen Maschinenbau-Gebäude untergebracht, vor dem das markante rote Zahnrad steht. In den dahinter liegenden Hallen befinden sich die Ölhydraulik-, die Wasser- und die Lufthalle des Instituts. In der Werkstatt bauen Feinmechaniker des Fachbereichs an Drehbank oder Fräsmaschinen die Komponenten für die Versuchsstände genau nach Plan – finanziert aus Drittmitteln. Seit der Zusammenlegung hat sich die Infrastruktur des Instituts verbessert, findet der Professor, der an der TU und in Irland studiert hat und jahrelang in der Industrie tätig war, bevor er als Institutsleiter zurückkehrte. „Wir haben jetzt viel mehr Möglichkeiten.“

Die Ölhydraulikhalle beispielsweise ist gerade im Juni fertig geworden. Ein von Lochgittern umschlossener großer „Käfig“, im dem derzeit sechs Prüfstände aufgebaut sind. Hier werden unter anderem Anwendungen für den Sonderforschungsbereich 805 getestet. Darunter eine aktive Luftfeder, die Teil eines neuen Feder- und Dämpfsystems für die Automobil- und Kraftfahrzeugbranche ist. Ein einfaches Beispiel für Luftfederung ist die Luftmatratze.

Komplexer sieht dieses System natürlich im Fahrzeugbau aus, dessen Oberklasselimousinen per Kamera- und elektronischer Steuerung vorausschauend auf Straßenunebenheiten reagieren sollen. Wer viel Geld für den Luxuswagen ausgibt, will ohne große Erschütterungen über die Straße „schweben“. Die aktive Luftfeder, an die Wissenschaftler der Fluidsystemtechnik forschen, soll dazu beitragen. Ein Prototyp existiert bereits, das Patent dafür ist angemeldet und Mercedes hat eine Oberklasselimousine zur Verfügung gestellt. „Der nächste Schritt ist der Einbau ins Auto, aber das wird noch zwei, drei Jahre dauern“, vermutet Professor Pelz.

Tim Groß, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut, forscht derzeit an einem anderen Phänomen. Er untersucht in einem Projekt zur Grundlagenforschung, wie Gasblasen in Flüssigkeiten entstehen. Kavitation ist die Bildung und Auflösung von gasgefüllten Hohlräumen in Flüssigkeiten.

Perlende Bläschen im Sektglas kennt jeder. Gasblasen können jedoch auch in jeder anderen Flüssigkeit, etwa Wasser oder auch Öl entstehen. Die Größe der Blasen ist unter anderem abhängig von Druckverhältnissen oder Strömungsgeschwindigkeit. Groß erforscht diese so genannte Keimbildungsfrequenz, die zu einem Problem etwa für Turbinen in Wasserkraftwerken werden kann.

Die Bläschenbildung führt zu Schäden am Material und das kann teuer werden. Der TU-Wissenschaftler nutzt in seiner Versuchsanordnung High-Speed-Kamera und Long Distance-Mikroskope, um die 10.000 neu entstehenden Blasen pro Sekunde zu erfassen. Seine Versuchsergebnisse könnten helfen, sagt Groß, die Betriebsgrenzen von Turbinen- und Pumpensystemen künftig besser auszuloten.

Austausch mit dem MIT

Riley Davis, Austauschstudentin vom MIT. Bild: Lillie Paquette
Riley Davis, Austauschstudentin vom MIT. Bild: Lillie Paquette

Fast drei Monate verbrachte Riley Davis am Institut für Fluidsystemtechnik auf dem Campus Lichtwiese. Die Amerikanerin studiert Maschinenbau und Deutsch am renommierten MIT, am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (USA), und hatte die Technische Universität als Standort für ihr Sommerpraktikum ausgewählt. Davis arbeitete während dieser Zeit im Sonderforschungsbereich 805 mit und unterstützte die Entwicklung eines „Low-Cost-Data-Loggers“, der in der aktiven Luftfeder eingebaut werden soll. Der Logger, ein Minicomputer, der derzeit bereits für weniger als 35 Euro zu erstehen ist, erfasst autonom Messdaten im Betrieb. Die Studentin aus den USA lobt ihre Arbeit in Darmstadt als beeindruckende Erfahrung, von der sie sicherlich auch in den kommenden Semestern am MIT profitieren könne. Besonders gefiel ihr, dass sie nicht nur ihr Maschinenbauwissen, sondern auch ihre Deutschkenntnisse anbringen konnte. Betreut wurde Davis von dem TU-Doktoranden Philipp Hedrich. Die US-Kommilitonin ist bereits die dritte Austausch-Studentin des MIT, die ihr Praktikum an der TU Darmstadt verbringt. Der Kontakt entstand über die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

Die seit Jahren andauernde erschreckend hohe Zahl an Rückrufaktionen, allen voran in der Automobilindustrie, offenbart nicht nur Unsicherheiten in der Entwicklung und Produktion, sondern hat auch gewaltige wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen. Genau in diese Kerbe stößt das Institut für Fluidsystemtechnik der TU Darmstadt als Teil des Sonderforschungsbereich (SFB) 805 – Beherrschung von Unsicherheit in lasttragenden Systemen des Maschinenbaus.

Seit 2009 wird der SFB von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Daran beteiligt sind zehn Fachgebiete der TU – allein sieben aus dem Maschinenbau – sowie das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF. Fachübergreifend entwickeln Ingenieurwissenschaftler und Mathematiker Methoden für technische Systeme, die robust und nicht überdimensioniert sind und zudem Energie und Ressourcen sparen.

Realisierte Beispiele dafür sind unter anderem eine aktive Luftfeder oder ein hydraulischer Tilger, Bestandteile eines neuen Feder- und Dämpfersystems für den Fahrzeugbau. Damit werden die im SFB erarbeiteten neuen, grundlagenorientierten Methoden aus der Praxis motiviert und in der Praxis angewendet sowie erprobt.