Schwerste Atome im Rampenlicht

Erste spektroskopische Untersuchung des Elements Nobelium

29.09.2016 von

Die Analyse von Atomspektren ist von grundlegender Bedeutung für das Verständnis der Atomstruktur. Bislang waren die schwersten Elemente für Untersuchungen mit optischer Spektroskopie nicht zugänglich, da sie weder in der Natur vorkommen noch in wägbaren Mengen künstlich erzeugt werden können. An Atomen des Elements Nobelium mit der Ordnungszahl Z=102, die sie an der GSI-Beschleunigeranlage erzeugten, ist es Wissenschaftlern gelungen einen Blick in den inneren Aufbau sehr schwerer Atome zu werfen.

Das Innere der optischen Zelle zur Laser-Resonanzionisationsspektroskopie an Nobelium. Die Fusionsprodukte gelangen durch eine dünne Mylar-Folie (links) in die Zelle bevor sie im Gas gestoppt und auf einem glühend heißen Filamentdraht (rechts) gesammelt werden. Dies erlaubt eine effiziente Präparation der Atome zur Laserspektroskopie. Bild: M. Laatiaoui, GSI Helmholtzzentrum/HIM
Das Innere der optischen Zelle zur Laser-Resonanzionisationsspektroskopie an Nobelium. Die Fusionsprodukte gelangen durch eine dünne Mylar-Folie (links) in die Zelle bevor sie im Gas gestoppt und auf einem glühend heißen Filamentdraht (rechts) gesammelt werden. Dies erlaubt eine effiziente Präparation der Atome zur Laserspektroskopie. Bild: M. Laatiaoui, GSI Helmholtzzentrum/HIM

Mittels Laserspektroskopie konnten die Forscher einzelne Atome des Elements untersuchen und verschiedene atomare Anregungszustände nachweisen. Das Experiment wurde unter Leitung der Abteilung Superschwere Elemente Physik am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung von einer internationalen Kollaboration durchgeführt, an der Prof. Dr. Thomas Walther vom Institut für Angewandte Physik der TU Darmstadt mit seinen Doktoranden Felix Lautenschläger und Premaditya Chhetri beteiligt war.

Die Experimente wurden gemeinsam von Wissenschaftlern des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, des Helmholtz-Instituts Mainz, der TU Darmstadt, der KU Leuven (Belgien), der Universität Liverpool (Vereinigtes Königreich) und des TRIUMF (Vancouver, Kanada) durchgeführt. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im Fachmagazin Nature.

Rätsel um die innere Struktur

Von den meisten der heute 118 bekannten Elemente sind die Energiespektren bekannt. Die Elemente jenseits von Fermium, die sogenannten Transfermium-Elemente mit mehr als 100 Protonen im Kern und der entsprechend gleichen Zahl von Elektronen in der Elektronenhülle, entziehen sich jedoch bisher den experimentellen Untersuchen. Doch gerade die relativistischen Effekte, ausgelöst durch die hohen Geschwindigkeiten, mit denen sich die Elektronen um Atomkerne mit einer derart hohen Protonenzahl bewegen, und auch die Wechselwirkungen zwischen den zahlreichen Elektronen bestimmen maßgeblich die innere Struktur der Atome. Wie alle Transfermium-Elemente ist auch Nobelium experimentell nur sehr schwer zugänglich. Es kommt in der Natur nicht vor und lässt sich nur künstlich und in geringen Mengen erzeugen. Daher sind seine Eigenschaften und die innere Struktur weitestgehend unbekannt.

„Unserer Kollaboration ist es erstmals gelungen, Laserspektroskopie an Elementen durchzuführen, die schwerer sind als Ordnungszahl 100. Es konnten zum ersten Mal der erste angeregte Zustand sowie Rydbergserien identifiziert werden. Diese Arbeiten sind extrem herausfordernd, da nur wenige Atome in Fusionsreaktionen erzeugt werden und diese dann spektroskopisch untersucht werden müssen. Außerdem sind sie instabil und die Energien der Zustände sind nur unzureichend bekannt. Diese Arbeiten gleicht tatsächlich der sprichwörtlichen Suche der Stecknadel im Heuhaufen. Solche Forschungsuntersuchungen sind aber wichtig, um Erkenntnisse zur Kernstruktur dieser schweren Elementen zu gewinnen.“

Prof. Dr. Thomas Walther, Laser und Quantenoptik, Institut für Angewandte Physik, TU Darmstadt

Atomare Anregungszustände nachgewiesen

Illustration eines Nobelium-Atoms, welches mittels Laserstrahlung untersucht wird. Bild: M. Laatiaoui, GSI Helmholtzzentrum/HIM
Illustration eines Nobelium-Atoms, welches mittels Laserstrahlung untersucht wird. Bild: M. Laatiaoui, GSI Helmholtzzentrum/HIM

Mit einer hochempfindlichen Methode, die am Institut für Physik und dem Institut für Kernphysik der Universität Mainz in der Arbeitsgruppe von Professor Hartmut Backe und Dr. Werner Lauth seit Anfang der 90er Jahre entwickelt wurde, ist es den Forschern nun erstmals gelungen, atomare Anregungszustände in Nobelium nachzuweisen und zu charakterisieren.

„An der GSI-Beschleunigeranlage haben wir durch den Beschuss dünner Blei-Folien mit Kalzium-Projektilen die Atomkerne der Reaktionspartner zu dem Isotop Nobelium-254 verschmolzen. Am bei GSI betriebenen SHIP-Separator haben wir anschließend die Nobelium-Isotope isoliert und so eine Bestrahlung mit Laserlicht ermöglicht“, beschreibt Professor Michael Block, Leiter der Abteilung Superschwere Elemente Physik am GSI Helmholtzzentrum und der Sektion Superschwere Elemente Physik am HIM, das Experiment.

Die Energieabstände in der Elektronenhülle ermittelt das Team durch Variation der Energie des eingestrahlten Laserlichts. Passt der Abstand, wird das Laserlicht absorbiert und ein Elektron aus dem Atom entfernt, wodurch das Atom zum positiv geladenen Ion wird. Dieses Ion wird anschließend anhand seines radioaktiven Zerfalls eindeutig nachgewiesen. „Der Experimentaufbau ist so sensitiv, dass für die Durchführung unserer Untersuchungen eine Erzeugungsrate von wenigen Atomen pro Sekunde ausreichend ist. Dabei existieren die radioaktiven Nobelium-Atome gerade mal 50 Sekunden, bevor sie wieder zerfallen“, sagt Dr. Mustapha Laatiaoui, GSI-Wissenschaftler und Leiter des Experiments.

Untersuchungen ausgedehnt

Nachdem der erste atomare Übergang in Nobelium-254 bestimmt wurde, konnten die Untersuchungen sogar auf das kurzlebigere Isotop Nobelium-252 ausgedehnt werden, das nur mit einer fünffach geringeren Produktionsrate als Nobelium-254 erzeugt werden kann. Die Messung der Energieverschiebung eines atomaren Übergangs zwischen verschiedenen Isotopen liefert Informationen über die Größe und Form der jeweiligen Atomkerne.

Mit dem Experiment ist es erstmals gelungen, Untersuchungen der atomaren Struktur eines Transfermium-Elements am Beispiel Nobelium (Z= 102) mittels Laserspektroskopie durchzuführen. Die extrem hohe Präzision, mit der die Energien der atomaren Zustände in Laser-Experimenten gemessen werden können, liefert die Basis für weitergehende theoretische Arbeiten und eröffnet neue Perspektiven für zukünftige Präzisionsexperimente zur Messungen atomarer und nuklearer Eigenschaften instabiler Atomkerne im Bereich der superschweren Elemente.