Digitalisierung und Wirkstoff-Forschung

Mehrfach-Chance auf LOEWE-Förderung

22.06.2018 von

Die TU Darmstadt hat gute Chancen, im Rahmen des hessischen Forschungsförderungsprogramms LOEWE ein neues Zentrum zum Thema Digitalisierung sowie einen neuen Schwerpunkt in der Chemie etablieren zu können.

Prof. Dr.-Ing. Matthias Hollick. Bild: Katrin Binner
Prof. Dr.-Ing. Matthias Hollick. Bild: Katrin Binner

Landesweit haben acht von 17 Forschungsvorhaben, die sich für eine Förderung in der 12. Auswahlrunde des LOEWE-Programms beworben haben, die Endrunde erreicht. Bei drei dieser Anträge hat die TU Darmstadt die Federführung, an einem weiteren Antrag ist sie maßgeblich beteiligt. Die ausgewählten Projekte sind aufgefordert, bis zum 1. Dezember 2018 einen Vollantrag einzureichen. Dies hat der hessische Wissenschaftsminister Boris Rhein heute bekanntgegeben.

Zwei Vorhaben der TU Darmstadt in der Kategorie „Neues LOEWE-Zentrum“ können im kommenden Jahr auf Bewilligung hoffen: Das Projekt „The Emergency Responsive Digital City – Die Resiliente Digitale Stadt“ greift die prinzipielle Frage auf, „wie die Funktionsfähigkeit digitaler Städte in Extremsituationen, Krisen und Katastrophen verbessert werden kann“. Die Federführung und Koordination hat Informatik-Professor Matthias Hollick (TU Darmstadt) inne, Mitantragsteller sind die Universität Kassel und die Philipps-Universität Marburg.

„Digitalisierung ist die Schlüsseltechnologie, um die Funktionsfähigkeit von Städten zu verbessern“, erläutert Professor Hollick und verweist darauf, dass im Jahr 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben werden. Digitale Städte der Zukunft nutzen vermehrt Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), um effiziente Infrastrukturen u.a. in den Bereichen Energie, Verkehr, Gesundheit, Staat und Verwaltung bereitzustellen. Dabei nimmt die Abhängigkeit von IKT-Systemen stetig zu. Die Funktionsfähigkeit der IKT-gestützten Infrastrukturen ist durch Naturereignisse, menschliches und technisches Versagen sowie Gewalt und Terror gefährdet.

Die Forschungsteams erarbeiten Lösungen, die in Extremsituationen einen IKT-Notbetrieb sicherstellen, schnelle Hilfe ermöglichen und eine effiziente Rückkehr zur Normalität unterstützen. „Dazu muss sich IKT bereits im Normalbetrieb kontinuierlich selbst-vorbereitend auf Krisensituationen einstellen und diese autonom detektieren“, so Hollick.

Digitalisierung und 3D-Druck

Prof. Dr.-Ing. Matthias Oechsner. Bild: Claus Völker
Prof. Dr.-Ing. Matthias Oechsner. Bild: Claus Völker

Das zweite Vorhaben für ein LOEWE-Zentrum trägt den Titel „Reliability Analytics“. Die Grundfrage lautet: „Wie können Digitalisierung und 3D-Druck zum Erhalt der Leistungsfähigkeit des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus beitragen?“ Die Federführung und Koordination obliegt Professor Matthias Oechsner (TU Darmstadt), mitbeteiligt sind die Fraunhofer-Institute für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF, für Graphische Datenverarbeitung IGD, die Fraunhofer-Projektgruppe für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS (Hanau) sowie die Frankfurt University of Applied Sciences.

Die Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft wird maßgeblich vom Maschinen- und Anlagenbau geprägt. Die Qualität der Produkte zeichnet sich besonders durch Zuverlässigkeit aus. „Durch die Digitalisierung sowie den 3D-Druck sieht sich diese bedeutungsvolle Branche künftig mit zentralen Herausforderungen konfrontiert, die einschneidende Veränderungen in der Entwicklung, Fertigung und Nutzung von Maschinen und Anlagen mit sich bringen werden“, so Professor Oechsner. Übergeordnetes Ziel von „Reliability Analytics“ ist die Gestaltung der Transformation des Maschinenbaus in eine zunehmend digitale Welt.

In einem interdisziplinären Verbund der Fachbereiche Informatik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Materialwissenschaften, Mathematik, Bau- und Umweltwissenschaften sowie Wirtschaftswissenschaften entwickeln Forscherinnen und Forscher der TU Darmstadt mit ihren Partnern auf Basis digitaler Prozesse und 3D-Druckverfahren innovative Methoden und Prozesse für eine effiziente und nachhaltige Produktentwicklung, eine zukunftsweisende Zuverlässigkeitsvorhersage sowie für eine Bewertung der Ressourceneffizienz von Produkten des Maschinen- und Anlagenbaus.

Chancen auf Förderung als LOEWE-Schwerpunkt hat auch das Projekt „Transiente Bindungstaschen für die Wirkstoffentwicklung“. Die Federführung hat die TU Darmstadt (Professor Felix Hausch), in gleichem Maß beteiligt ist die Goethe-Universität Frankfurt. Weiterer Partner ist die Hochschule Darmstadt. Die Forschungsteams gehen der Frage nach, „wie man Wirkstoffe für pharmakologisch bisher unzugängliche Proteine entwickelt“.

Medikamente wirken in der Regel, indem sie sich an Proteine binden, die für die Krankheit eine Rolle spielen. Ein geeigneter Bindungsort in diesen Proteinen – die sogenannte Bindungstasche – ist essentiell für die Entwicklung von Medikamenten. Wer weiß, wie diese Taschen aufgebaut sind, kann die Wirkstoffentwicklung dramatisch beschleunigen. Der beantragte LOEWE-Schwerpunkt „TRABITA“ will sich besonders auf Bindetaschen von Proteinen konzentrieren, die flexibel sind – so genannte transienten Bindetaschen – und sie effektiver zu identifizieren.

Schließlich ist die TU Darmstadt auch an einem Schwerpunkt-Vorhaben der Philipps-Universität Marburg beteiligt: Dabei soll erforscht werden, ob alternative Bindestellen für Arzneistoffe in Rezeptoren nutzbar gemacht werden können, um so zielgenauere und mit weniger Nebenwirkungen behaftete Wirkstoffe zu entwickeln. Weitere Partner sind die Goethe-Universität Frankfurt und das Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung (Bad Nauheim).