„Ein kreatives Umfeld“

Reinhold Bertrand wird Kooperationsprofessor an der TU Darmstadt

22.08.2018 von

Reinhold Bertrand, Leiter des „Research and Technology Management Office“ der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, übernimmt eine Kooperationsprofessur an der TU Darmstadt.

Reinhold Bertrand. Bild: Jürgen Mai / ESA

Bisher war er Dr.-Ing. und Dozent. Jetzt ist die Berufung erfolgt: Reinhold Bertrand darf sich nun offiziell Professor nennen. Mitte März hat der Senat der Universität einstimmig die Kooperationsprofessur befürwortet. Es ist die erste dieser Art zwischen ESA und TU. Einen Tag pro Woche wird der 54-Jährige künftig bei den Maschinenbauern am Institut für Flugsysteme und Regelungstechnik forschen und lehren. Die restliche Zeit arbeitet er als Leiter der Abteilung Forschung und Technologie-Management der ESA. Bertrand ist seit 2004 bei der Raumfahrtagentur und verantwortlich für die Koordination der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten am Satellitenkontrollzentrum ESOC.

Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich Entwurf, Bau und Simulation komplexer Raumfahrtsysteme. Der gebürtige Ravensburger beschäftigt sich mit der Entwicklung von Kleinsatelliten, Raumstationen und robotischen Systemen für planetare Erkundung und interplanetare Forschung.

Junge Leute begeistern

Vor drei Jahren schlossen ESA und TU ein Rahmenabkommen. Die Kooperation umfasst Vorlesungen zu Raumfahrtthemen, Promotionen und gemeinsame Forschungsprojekte. Seit dem Wintersemester 2015 lehrt Bertrand bereits mehrmals im Semester das Fach Grundlagen der Raumfahrtsysteme – übrigens eine offene Veranstaltung. „Es kommen nicht nur Maschinenbaustudierende, sondern auch Geisteswissenschaftler in meine Vorlesung und legen sogar eine Prüfung ab“, sagt er. Die Begeisterung der jungen Leute fasziniert ihn am Lehrberuf.

Mehr als 20 Jahre hat Bertrand zuvor schon an der Universität Stuttgart zum Thema Raumfahrt gelehrt und Vorlesungen sowie Workshops an der International Space University Strasbourg in Frankreich unterstützt. Bertrand studierte Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart und der École Nationale Supérieure de l’Aéronautique et de l’Espace (ENSAE, heute ISAE) in Toulouse. In Frankreich arbeitete er zunächst als Vertragsmitarbeiter für die französische Raumfahrtagentur CNES. Später kehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter ans Institut für Raumfahrtsysteme der Uni Stuttgart zurück und promovierte bei Professor Ernst Messerschmid, dem früheren Astronauten und späteren Leiter des Europäischen Astronautenzentrums in Köln.

Extreme Bedingungen im All

Wollte er selbst auch Astronaut werden? „Nein, ein Wochenende im All wäre schön, aber länger nicht“, sagt Bertrand. „Die Raumfahrt war immer mein Traum, aber ich baue lieber die Systeme, mit denen man dorthin kommt.“ Ihn reizt, spezielle Werkstoffe oder Betriebssysteme zu entwickeln, die den extremen Bedingungen im All standhalten. Die frühe Entwurfsphase für einen Satelliten oder eine Raumstation sei eine Herausforderung: „Man muss grobe Parameter, Zusammenhänge festlegen, die richtigen Entscheidungen treffen.“ Das bringt er auch seinen Studierenden an der TU bei.

Die Zusammenarbeit mit Kollegen und Studierenden am Fachbereich Maschinenbau, in der Informatik oder autonomen Robotik beschreibt Bertrand als gegenseitige Stimulation. „Ein sehr kreatives Umfeld mit viel Entwicklungspotenzial“, findet der ESA-Wissenschaftler und nennt Ideen wie den Bau von Satellitenmodulen mit 3-D-Drucker.

Weiterer Baustein

Bald wird noch ein weiterer Baustein der Zusammenarbeit zwischen TU und ESA dazukommen: Bis 2019 soll ein gemeinsames Forschungslabor entstehen, das erste dieser Art in Deutschland. Im „ESALab@TU Darmstadt“ soll es unter anderem um „Concurrent Engineering“ gehen, um die räumlich wie zeitlich konzentrierte Entwicklung technischer Systeme. In einem ersten Pilotprojekt wollen sich ESA- und TU-Forschende dem Weltraumwetter und der Sonnenbeobachtung widmen.