Schub für exzellente Projekte

Drei ERC Starting Grants für Forschung an der TU Darmstadt

2018/08/02 von

Drei Forschungsprojekte an der TU Darmstadt werden vom Europäischen Forschungsrat (ERC) als exzellente und innovative Grundlagen- und Pionierforschung mit ERC Starting Grants gefördert. Insgesamt fließen rund 5,2 Millionen Euro an drei Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Zwei dieser Projekte stärken das unmittelbare wissenschaftliche Umfeld des Exzellenzclusters „Predictive Thermofluids“, mit dem die TU Darmstadt im Exzellenzwettbewerb im Rennen ist.

Für die aktuelle Förderrunde wählte der Europäische Forschungsrat Professorin Dr. Annette Andrieu-Brunsen (Fachbereich Chemie) und ihr Projekt „3D-FNP Writing – Unprecedented spatial control of porosity and functionality in nanoporous membranes through 3D printing and microscopy for polymer writing“ aus, das mit rund 1,5 Millionen Euro gefördert wird. Dr. Leopoldo Molina-Luna (Fachbereich Material- und Geowissenschaften) bekommt für sein Vorhaben „FOXON – Functionality of Oxide based devices under Electric-field: Towards Atomic-resolution Operando Nanoscopy“ rund 1,8 Millionen Euro. Das Projekt „3D-FABRIC – 3D Flow Analysis in Bijels Reconfigured for Interfacial Catalysis“ von Dr. Martin Haase soll im Fachbereich Physik angesiedelt werden und wird mit rund 1,9 Millionen Euro unterstützt. Die drei Projekte haben eine Laufzeit von jeweils fünf Jahren.

Die ERC Starting Grants werden vom Europäischen Forschungsrat an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bis zu sieben Jahre nach der Promotion vergeben. Damit fördert die EU nach eigenen Angaben exzellente und innovative Grundlagen- und Pionierforschung im Rahmen des „Horizon 2020“-Programms. In der aktuellen Runde wurden 403 Grants vergeben, 3170 Anträge waren eingereicht worden.

Projekt „3D-FNP Writing“

Prof. Dr. Annette Andrieu-Brunsen. Bild: Katrin Binner
Prof. Dr. Annette Andrieu-Brunsen. Bild: Katrin Binner

Das Projekt „3D-FNP Writing“ von Professorin Dr. Annette Andrieu-Brunsen befasst sich mit dem Transport von Stoffen durch Nanoporen und damit mit einem Schlüsselschritt für viele Technologien. Eine ungelöste Herausforderung ist das Design nanoporöser Membranen, die ein Recycling von metallischen Nanopartikeln und deren Salzen erlauben. Diese Stoffe gelangen zunehmend, zum Beispiel durch das Waschen antibakteriell beschichteter Outdoorkleidung, in die Umwelt. In diesem Kontext will „3D-FNP Writing“ die faszinierenden Transporteigenschaften natürlicher Nanoporen, wie den hoch selektiven und ausgerichteten Transport, auf künstlich hergestellte Materialien übertragen. Dies setzt ein auf einer Nanometerskala hochpräzises Design von Porenstruktur und Platzierung unterschiedlicher funktionaler Bereiche in einer Nanopore voraus. Dazu wird „3D-FNP Writing“ eine neuartige Technologie nutzen: Diese basiert auf dem 3D-Drucken von komplexen funktionalen nanoporösen Membranmaterialien und nutzt hochauflösende Mikroskopietechniken.

Die Förderung mit einem ERC-Grant ist ein weiterer Beleg der Forschungsstärke des Teams des geplanten Exzellenzclusters „Predictive Thermofluids“, an dem Andrieu-Brunsen als Wissenschaftlerin im Bewilligungsfall maßgeblich beteiligt sein wird. Das Projekt wird wichtige wissenschaftliche Beiträge liefern, die das Forschungsprogramm des geplanten Exzellenzclusters flankieren.

Projekt „FOXON“

Dr. Leopoldo Molina-Luna. Bild: Holger Menzel
Dr. Leopoldo Molina-Luna. Bild: Holger Menzel

Das Projekt „FOXON“ von Dr. Leopoldo Molina-Luna beschäftigt sich mit der Transmissionselektronenmikroskopie (TEM). Diese hat in den letzten zwanzig Jahren einen rasanten Fortschritt gemacht. Aberrationskorrektoren, die auf Forschungen des früheren Darmstädter Physikprofessors Harald Rose zurückgehen, drückten die räumliche Auflösung bis auf 50 Pikometer (pm). Elektronenkanonen mit hoher Helligkeit, verbesserte Energieauflösung des Elektronenenergieverlustes (EEL) und hocheffiziente energiedispersive Röntgendetektoren ermöglichen die 2D-Abbildung von Zusammensetzungen und chemischen Bindungsinformationen. „FOXON“ führt diese Entwicklungen fort.

Ziel ist die Anwendung einer operando TEM-Methode, um die Korrelation von elektrischem Verhalten, Struktur und chemischer Zusammensetzung von oxidbasierten Funktionsmaterialien simultan unter einem angelegten elektrischen Feld zu untersuchen. Pixel- und ultraschnelle Elektronen-Detektoren ermöglichen dabei die Erfassung eines Beugungsmusters für jeden Abtastpunkt und den Zugriff auf Informationen, die weit über die Möglichkeiten der Standard-STEM-Detektoren hinausgehen. Ständig steigende Rechenleistung und die Entwicklung von Werkzeugen zur effizienten Simulation von TEM-Experimenten sowie die ab-initio-Berechnung von Materialeigenschaften verbessern die Modellierung und Interpretation von TEM-Daten. Der nächste Schritt besteht darin, Reize wie elektrische Spannung und Temperatur in-situ auf ein funktionales Gerät anzuwenden und strukturelle und chemische Veränderungen mit höchstmöglicher Auflösung zu beobachten.

Projekt „3D-FABRIC“

Dr. Martin Haase. Bild: privat
Dr. Martin Haase. Bild: privat

Die Forschung von Dr. Martin Haase – Kurztitel „3D-FABRIC“ – hat das Ziel, Alternativen zu verschwenderischen und kostenintensiven industriellen Prozessen zu entwickeln. Die konventionelle Produktion von Kunststoffen, Pharmazeutika, Reinigungsmitteln oder Pestiziden benötigt oft große Mengen von Lösemitteln. Als Folge entstehen Zusatzkosten für Lösemittelabtrennung sowie Umweltprobleme bedingt durch die Entsorgung giftiger Lösemittelabfälle.

Die zentrale Frage, mit der sich Haase im Rahmen des ERC Starting Grants befassen wird, ist: Können nachhaltige Produktionsalternativen mit Hilfe neuartiger Materialien entwickelt werden? Dazu hat Haase eine Technik zur Herstellung von sogenannten Bijels entwickelt. Bijels – kurz für „bicontinuous interfacially jammed emulsion gels“ – sind komplexe Flüssigkeitsstrukturen und haben das Potential, als Reaktionsmedium für die Synthese zahlreicher Chemikalien eingesetzt zu werden. Der Vorteil von Bijels ist, dass diese chemische Prozesse ohne den Einsatz von Lösemitteln ermöglichen können. Haase plant die Durchführung des Projekts im Umfeld der Arbeitsgruppe von Professorin Dr. Regine von Klitzing, die mit ihrer Forschungskompetenz ebenfalls an dem geplanten Exzellenzcluster „Predictive Thermofluids“ maßgeblich mitwirken wird.

Annette Andrieu-Brunsen ist seit Juni 2018 Professorin an der TU Darmstadt. Sie lehrt und forscht am Fachbereich Chemie im Bereich der Makromolekularen Chemie unter anderem zum Thema Nano- und Mesoporen. Sie promovierte an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz, arbeitete am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und bei der nationalen argentinischen Atomforschungskommission CNEA, bevor sie 2011 als Juniorprofessorin an die TU kam. Internationale Kooperationen spiegeln ihr Renommee auch jenseits von Deutschland wider. Andrieu-Brunsen war unter anderem Stipendiatin der Robert Bosch Stiftung und erhielt 2015 den Exploration Grant der Boehringer Ingelheim Stiftung. Sie wurde unter anderem mit dem Zsigmondy Fellowship der deutschen Kolloid-Gesellschaft ausgezeichnet, ist Trägerin des ADUC-Awards for Junior Group Leaders der Gesellschaft Deutscher Chemiker und des Preises der Adolf Messer Stiftung.

Leopoldo Molina-Luna ist Habilitand und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Materialwissenschaften, Fachbereich Material- und Geowissenschaften der TU Darmstadt. Nach seiner Promotion im Fach Physik an der Eberhard Karls Universität Tübingen war er Postdoc an einem der weltweit führenden Zentren für Elektronenmikroskopie, dem EMAT in Antwerpen. Sein Postdoc-Fellowship an der Universität Antwerpen wurde durch einen ERC Advanced Grant gefördert. Molina-Luna ist Träger zahlreicher internationaler, wissenschaftlicher Preise und Stipendien und mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit in Kooperationen vernetzt.

Martin F. Haase ist seit 2016 Assistant Professor am Department of Chemical Engineering der Rowan University, Glassboro, New Jersey (USA). Er promovierte in Physikalischer Chemie am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und hatte Postdoc-Positionen an der University of Pennsylvania und der New York University inne. 2015 gewann er den Animation Award beim University of Pennsylvania Nano Day und den Best Poster Prize bei der 5. International Colloids Conference in Amsterdam. Haase hält mehrere Patente.

Prof. Dr. Sascha Preu, Terahertz-Systemtechnik, Fachbereich Elektro- und Informationstechnik

Prof. Dr. Almudena Arcones, Kernphysik, Fachbereich Physik

Prof. Dr. Jan Peters, Intelligente Autonome Systeme, Fachbereich Informatik

Eine umfassende Darstellung aller TU-Preisträgerinnen und Preisträger von EU-Grants des ERC ist auf den Webseiten des Dezernats Forschung und Transfer zu finden.