Auf der Suche nach Materie 2.0

Heisenberg-Professor Jens Braun im Porträt

07.09.2018 von

Der auf eine Heisenberg-Professur berufene Jens Braun ist neugierig auf Überraschungen aus dem Reich der kleinsten Teilchen. Am Institut für Kernphysik der TU Darmstadt forscht Braun über „Suprakristalle“.

Professor Jens Braun vor dem Gebäude des Instituts für Kernphysik. Bild: Katrin Binner
Professor Jens Braun vor dem Gebäude des Instituts für Kernphysik. Bild: Katrin Binner

Dem Klischee eines etwas steifen Professors wird Jens Braun überhaupt nicht gerecht. Wer den hochgewachsenen Mann in Jeans und T-Shirt trifft, stellt sich eher vor, wie dieser einst als neugieriger Teenager Sachbücher über Quarks und andere Bausteine der Materie verschlang und wissen wollte, was das eigentlich ist: Materie. Die Augen des 39-jährigen Wissenschaftlers glänzen, wenn er von seiner Suche nach neuen Antworten auf diese Frage erzählt. Er hat nunmehr eine Heisenberg-Professur inne und arbeitet am Institut für Kernphysik der Technischen Universität Darmstadt. Konkret will Braun beispielsweise wissen, ob es „Suprakristalle“ gibt. Diese könnten entstehen, wenn man stark verdünnte Gase bis in die Nähe des absoluten Temperaturnullpunkts bei etwa minus 273 Grad abkühlt, ähnlich wie beim Phasenübergang von flüssig zu fest.

Suprakristalle bergen noch Geheimnisse

Dieser neue Materiezustand hätte ähnlich unbegreifliche Eigenschaften wie die schon nachgewiesene Supraflüssigkeit. Würde man eine Tasse voll einer solchen Flüssigkeit umrühren, würde der erzeugte Wirbel nie stoppen. Die Eigenschaften von Suprakristallen, d.h. Supraflüssigkeiten mit einer inneren periodischen Ordnung, sind dagegen noch nicht vollends verstanden. „Das ist ein faszinierendes Thema, weil es unser Verständnis davon, wie Teilchen im Allgemeinen aneinander binden, auf die Probe stellt“, sagt Braun. Das gegenwärtige Wissen zu hinterfragen ist für den in Tübingen geborenen Forscher alltäglich: In seinen Vorlesungen, die er „sehr gerne“ und der „Entschleunigung“ wegen mit Tafel und Kreide hält, nimmt er die Fragen seiner Darmstädter Physikstudierenden zum Anlass, sein eigenes Verständnis zu prüfen.

Frühe Entscheidung für einen Karriereweg

Diese Haltung hatte er schon als Student. „Mit einer Mischung aus Demut und Selbstbewusstsein“ startete Braun ins Physikstudium in Heidelberg. Seine Neugier führte ihn zur so genannten Quantenchromodynamik (QCD), eine Theorie über die fundamentalen Bausteine der Atomkerne, Quarks und Gluonen. Eine Industriekarriere hatte der Forscher nie im Sinn: „Was kann es Schöneres geben als den ganzen Tag darüber nachzudenken, wie die Natur funktioniert“, fragt er rhetorisch. So folgte eine wissenschaftliche Laufbahn, die ihn über Kanada und Jena bis zum Ruf auf eine Assistenzprofessor in Darmstadt führte.

Heute untersucht er mit seinem Team die Dynamik von Kernmaterie und ultrakalten Gasen. „Gerade ultrakalte Gase lassen sich experimentell sehr präzise untersuchen“, sagt der junge Professor. Die geprüften Modelle ließen sich dann wieder für die QCD nutzen. Derzeit interessieren sich Experimentatoren etwa in Österreich und den USA für Brauns Ergebnisse.

Pragmatische Herangehensweise

Aber auch in Darmstadt sieht Braun grosses Potenzial für die Zusammenarbeit mit Experimentalphysikern und Theoriekollegen gleichermaßen. In der Tat ist er bereits jetzt durch seine Beteiligungen an zwei Sonderforschungsbereichen SFB 1245 und SFB-TR 211 an seiner Heimatuniversität „bestens vernetzt“. Überhaupt fühlt sich Braun in der südhessischen Stadt mit seiner Frau und zwei Töchtern sehr wohl. Sein Darmstädter Umfeld bietet ihm Schnittstellen zu anderen Teilgebieten der theoretischen Physik. Den interdisziplinären Austausch hält Braun für wichtig, um neue Impulse für sein eigenes Feld zu erhalten. Vielleicht trägt so eine Anregung einmal dazu bei, dass Brauns Team die Existenz eines suprakristallinen Zustands vorhersagt. Sollte sich am Ende herausstellen, dass Suprakristalle nicht „stabil” sind, wäre Braun nicht enttäuscht: „Auch das wäre eine Erkenntnis“, betont der Physiker. Den Spaß an seiner Wissenschaft könne er ohnehin nicht verlieren: „Ich bin in der glücklichen Lage, dass mein Beruf auch mein Hobby ist.“