„Pioneer Fund“ fördert Innovationen

Vier aktuelle Projekte im Porträt

02.10.2018 von

Das Innovationsförderprogramm „Pioneer Fund“ – ein gemeinsames Förderinstrument der TU Darmstadt und des ENTEGA NATURpur Instituts – fördert die Überführung von wissenschaftlichen Ergebnissen in die Anwendung mit jährlich 300.000 Euro. Seit 2016 unterstützt das Programm Projekte in drei Förderlinien. Wir stellen vier aktuelle Vorhaben vor – von einem Wirkstoff gegen chronische Schmerzen bis hin Superkondensatoren.

Gefördert vom „Pioneer Fund“: Das Team von Professor Felix Hausch entwickelt im Projekt „Painstop“ neue Wirkstoffe zur Therapie von chronischem Schmerz. Bild: Katrin Binner
Gefördert vom „Pioneer Fund“: Das Team von Professor Felix Hausch entwickelt im Projekt „Painstop“ neue Wirkstoffe zur Therapie von chronischem Schmerz. Bild: Katrin Binner

Das Super-Protein

Das Forschungsprojekt „PainStop“ arbeitet an einem Wirkstoff gegen chronische Schmerzen

Bis zu 16 Millionen Menschen leiden allein in Deutschland unter chronischen Schmerzen. Eine Massenerkrankung, für die es bisher keine wirksamen Medikamente ohne Suchtpotenzial gibt. Das will das Forscherteam um den Biochemiker Felix Hausch am Fachbereich Chemie mit Hilfe des Pioneer Fund ändern. Bis zu 16 Millionen Menschen leiden allein in Deutschland unter chronischen Schmerzen. Eine Massenerkrankung, für die es bisher keine wirksamen Medikamente ohne Suchtpotenzial gibt. Das will das Forscherteam um den Biochemiker Felix Hausch am Fachbereich Chemie mit Hilfe des Pioneer Fund ändern.

Der TU-Professor für Strukturbasierte Wirkungsforschung befasst sich seit langem mit einem Protein, das der Schlüssel zu einem schmerzfreien Leben sein könnte. Das Eiweißmolekül FKBP51 spielt eine Rolle bei gleich einer ganzen Reihe von Krankheiten und Leiden. „Blockiert man dieses Protein, nehmen depressionsartige Symptome und chronischen Schmerzen ab, zumindest in Tiermodellen“, sagt Felix Hausch. Für die Entwicklung von Hemmstoffen wählten die Forscher den bereits zugelassenen Wirkstoff Tacrolimus, eine aus Bakterien gewonnen Substanz, die sie chemisch veränderten. „Wichtig ist“, betont Prof. Hausch, „dass der Wirkstoff nur an FKBP51 bindet und nicht an verwandte Proteine.“

Das Team arbeitet an einer Variante, die besser hemmt und die Blut-Hirn-Schranke überwindet. „Das Zentrum für Schmerzempfinden liegt im zentralen Nervensystem“, sagt Hausch. Bisher lässt die Forschung noch viele Fragen offen. An den Abläufen sind viele Proteine beteiligt und jeder Mensch entwickelt zudem ein ganz individuelles Schmerzempfinden. Erste Studien an Mäusen, deren FKBP51-Produktion beeinflusst oder ausgeschaltet wurde, zeigen jedoch Erfolg und das ganz ohne Nebenwirkungen. Das wichtige akute Schmerzempfinden etwa bleibt erhalten. Laut Prof. Hausch wird es jedoch noch ein paar Jahre dauern, bis formelle Studien auch mit Menschen beginnen können. Noch ist der Wirkstoff nicht ausgereift genug.

Für eine sicherere Energiewende

Das Projekt „Probabilistische Strompreisprognose mehrerer Märkte“ will bessere Vorhersagen liefern

Elektrische Leistung und Energie wird in einem komplexen System auf mehreren Märkten und unter unterschiedlichen Voraussetzungen produziert, gehandelt und verteilt. Damit die Energiewende gelingt, muss das Energiesystem flexibel auf Schwankungen in der Erzeugung erneuerbarer Energien reagieren können. Marktpreise auf den Strommärkten spielen dabei eine zentrale Rolle. Produzenten, Nachfrager und Anbieter von flexiblen Systemen wie Stromspeichern stehen damit vor einem komplexen Optimierungsproblem. Das Projekt „Probabilistische Strompreisprognose mehrerer Märkte“ von Professor Florian Steinke und Tim Janke vom TU-Fachgebiet Energy Information Networks & Systems (EINS) will die Vorhersage von Strompreisen verbessern.

Angesichts der Liberalisierung des Strommarktes und des Ausbaus erneuerbarer Energien sind probabilistische Prognosemodelle besonders gefragt. Sie liefern neben einer Vorhersage des wahrscheinlich eintretenden Wertes auch eine Einschätzung über die Unsicherheit der Prognose. Die TU-Forscher wollen leistungsfähigere Prognosemodelle entwickeln. Grundlage sind dabei Daten wie Stromgroßhandels- und Brennstoffpreise sowie die erzeugten Strommengen aus Photovoltaik und Windenergie, die ins Netz eingespeist werden. Teile dieses Datensatzes werden genutzt, um ein Modell zu „trainieren“, also die Parameter zu bestimmen. Anschließend testet das TU-Team mit einem anderen Datensatz, wie genau das Modell prognostizieren kann. Wichtig ist die fehlerfreie Zusammenstellung der Daten sowie eine erfolgreiche Kombination von Modelltyp und Datensatz, so Prof. Steinke. Dafür nutzen die Forscher ihr Wissen über die Funktionsweise des Marktes und die Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Prognosemodelle.


Das Prinzip der Kaffee-Pad-Maschine

TU-Forscher entwickelt ein Handgerät für einen Nanoscale Abdruck von Oberflächen

Wie lässt sich die Struktur von Oberflächen ohne Schäden am Material und aufwendige Montagearbeiten mit hoher Auflösung analysieren? Eine Frage, für die Dr. Lars-Oliver Heim vom Fachbereich Material-und Geowissenschaften eine ungewöhnliche Lösung gefunden hat. Bisherigen Verfahren ist gemein, so der TU-Wissenschaftler, dass die Oberfläche – seien es nun Bauteile für die Auto- oder Kunststoffindustrie – unmittelbar mit dem Analysegerät in Wechselwirkung treten muss. Je nach Abmessung des Proben- oder Messgerätes läuft das nicht ohne Zerstörungen der Oberfläche, hohe Kosten oder Stillstand der Produktion ab. Heim hat dagegen ein Handgerät entwickelt, das auf Knopfdruck zerstörungsfreie, kostengünstige, schnelle und hochgenaue Replikate ermöglicht. Dazu wird ein Polymer mit sehr guten Benetzungseigenschaften auf die zu analysierende Oberfläche aufgebracht und mit UV-Licht extrem schnell ausgehärtet, wodurch ein hochgenauer Abdruck der Mikro- und Nanostruktur der Oberfläche entsteht.

„Das Geschäftskonzept ist vergleichbar mit der Kaffee-Pad-Maschine“, sagt er. Das Gerät wird einmal gekauft, die Pads gibt es kontinuierlich. Was beim Kaffee die Aromen sind, sind in diesem Fall Polymere, die für spezifische Materialien und Aufgabenbereiche optimiert sind – etwa für Metalle, Kunststoffe, Keramiken, heiße Oberflächen oder extrem schnelle Vernetzung. Der Forscher will mit Förderung des Pioneer Fund einen Prototyp bauen, der die Machbarkeit des Konzepts belegt. Das Standardgerät, das sich mit einer Hand bedienen lässt, ist ausbaufähig. Für spezielle Anwendungen und Projekte lassen sich individuelle Lösungen konzipieren. Einsetzbar ist es etwa in der verarbeitenden Industrie, um die Ausdehnung von Oberflächen, den Abrieb oder die Rissbildung von Bauteilen zu untersuchen. Diese müssen dafür nicht extra ausgebaut werden. Das Verfahren, sagt Lars-Oliver Heim, ist für Experten reizvoll, die den Messbereich ihrer Anwendung erweitern können, aber auch für Fachfremde, die selbst erzeugte Replikate zur Analyse in Auftrag geben können. „Es können auch Rückstellmuster gebildet und archiviert werden, die sich im Fall der Fälle als Nachweis des Urzustandes der Oberfläche eignen“, betont er.

Leistungsstärke für langlebige Batterien

Das Projekt „Neuartige Elektrolyte für Superkondensatoren“ erforscht neue Möglichkeiten der schnellen Energiespeicherung

Speicherkapazitäten sind ein wesentlicher Schlüssel zur Energiewende. „Drei Säulen unterschiedlicher Energie- und Leistungsdichte“, sagt Dr. Klaus-Dieter Franz, „bestimmen heute die chemisch basierte Energiespeicherung: Brennstoffzellen, Batterien und Kondensatoren.“ Die TU-Forschergruppe um Prof. Barbara Albert und Dr. Klaus-Dieter Franz konzentriert sich auf Kondensatoren und hier auf so genannte Superkondensatoren. Diese mit einem flüssigen Elektrolyten zwischen zwei Elektroden gefüllten elektrochemischen Speicher haben eine sehr hohe Leistungsdichte, lange Lebensdauer und können Energie schnell aufnehmen und wieder abgeben. Wichtig ist das insbesondere für mobile Energiespeichersysteme wie Hybridantriebe in Autos, da dadurch die Hochbelastung der Batterien bei schnellen Lastwechseln abgepuffert und deren Lebensdauer erhöht wird.

In dem vom Pioneer Fund geförderten Projekt sucht das Forschungsteams nach neuartigen Kondensatorelektrolyten, die eine noch größere Energiemenge speichern können. Ziel ist ein Optimum aus möglichst hoher Ionenkonzentration, niedriger Viskosität und elektrochemischer Stabilität im drei Volt Spannungsfenster. „Wir haben erste Moleküle einer neuen Substanzklasse gezielt entworfen, synthetisiert und wollen jetzt zeigen, dass es in Prototypen funktioniert“, sagt Franz. Die Forscher erwarten, „dass die Kondensatoren-Technik auf diese Weise mit der rasanten Entwicklung von Brennstoffzellen und Batterien weiter Schritt hält.“ Mit Hilfe des Pioneer Fund kann die Forschungsarbeit des bisher rund vierköpfigen Teams des Fachbereiches Chemie durch Master- und Doktorarbeiten unterstützt werden.