Verständnis für Finanz-Forderungen der Hochschulen

Politische Debatte über Perspektiven der Wissenschafts- und Hochschulpolitik

10.10.2018 von

Parteienübergreifende Aufgeschlossenheit für die finanziellen Forderungen der hessischen Hochschulen und Vertrauen in deren Innovationskraft, um Zukunft im Zeitalter der Digitalisierung mit all ihren Chancen und Risiken zu gestalten: Das war der Tenor der Podiumsdiskussion „(Neu)gierig auf morgen? Wie Digitalisierung Wissenschaft und Wirtschaft verändert“, zu der die TU Darmstadt am 9. Oktober Spitzenpolitiker der im Landtag vertretenen Parteien eingeladen hatte.

Zum Auftakt bezog TU-Präsident Professor Hans Jürgen Prömel in seinem Impulsvortrag Positionen. Vor rund 170 Zuhörenden lieferten sich Tarek Al-Wazir, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung (Bündnis 90/Die Grünen), Karin Wolff, (MdL, CDU), Professorin Tanja Brühl (für die SPD Hessen), Janine Wissler (MdL, Die Linke) und Dr. Matthias Büger (Mitglied des Präsidiums der FDP Hessen) einen argumentativen Schlagabtausch.

Die Podiumsdiskussion war Teil einer Veranstaltungsreihe der hessischen Universitäten im Vorfeld der Landtagswahl, bei der wesentliche Kernforderungen der Universitäten zur Sprache kommen.

Auszüge aus der Rede von TU-Präsident Prömel

"(…) Viele der Zukunftsfragen unserer Zeit betreffen Digitalisierung. Digitalisierung ist Zukunftsthema – in der Wissenschaft, in der Wirtschaft und natürlich auch in der Politik und Gesellschaft. Digitalisierung begegnet uns im Alltag und in Gesprächen, in Zeitungsartikeln und in Newslettern. Kurzum: Digitalisierung ist in aller Munde, denn Digitalisierung verändert nach und nach unsere Umwelt, unsere Wissenschaft und unsere Wirtschaft. (…) Welche Rolle spielen die hessischen Hochschulen nun bei diesem weitreichenden Wandel? Und: Was brauchen sie dafür?

(…) Die hessischen Universitäten müssen mit ihrer Forschung und Lehre Antworten für das Informationszeitalter geben und junge Menschen mit den notwendigen Kompetenzen ausstatten. Digitalisierung erzeugt stetig neue Fragestellungen. Bereits heute stellen wir an der TU Darmstadt beispielsweise die Fragen nach Blockchain-Technologie, Fragen der Künstlichen Intelligenz, der additiven Fertigung oder Fragen von intelligenten und resilienten Städten. In Zentrum steht dabei die Informatik; doch nicht nur, denn auch andere Fachdisziplinen wirken bei der Beantwortung dieser Fragen maßgeblich mit.

Solch innovative Forschung erfordert Neugier, Mut und Vision. An den Grenzen der Disziplinen entstehen durch Kooperationen neue Ideen. Universitäten und Hochschulen brauchen die Möglichkeit, sich schneller auf die schnell wandelnde Umwelt einzustellen, aktuelle Themen aufzugreifen und mitzugestalten. So können wir unseren Studierenden die Kompetenzen zu vermitteln, die sie in ihrem Alltag von morgen benötigen. So erhalten die zukünftigen IT-Expertinnen und -Experten die Bildung und Ausbildung, die es ihnen erlaubt, zukünftige gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen mitzugestalten.

(…) Welche Finanzierungs(modelle) braucht eine solche Grundlagenforschung und eine solche digitale Lehre? Zunächst einmal: Die hessischen Hochschulen benötigen eine nachhaltige und steigende Finanzierung, um heute schon an den Fragen von morgen zu forschen. Diese ermöglicht es den Hochschulen neue wissenschaftliche Gebiete aufzugreifen und zu besetzen. Die Hochschulen benötigen diese steigende und nachhaltige Finanzierung auch, um den Studierenden eine qualitativ hochwertige Lehre anzubieten. Um Studierende beispielsweise in Lernfabriken zu schicken und so Digitalisierung in den Ingenieurwissenschaften erlebbar zu machen. Und um Modelle für gute digitale Lehre und für die Vermittlung von digitalen Kompetenzen zu entwickeln – in allen Fächern und Fachdisziplinen. Deswegen fordern die hessischen Hochschulen einen Budgetaufwuchs von jährlich fünf Prozent ab dem Jahr 2021 und für fünf Jahre.

Zweitens fordern wir: Um die Digitalisierung vor allem in den ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen schneller voranzutreiben und die Lehre dort zu verbessern, ist es aus meiner Sicht zudem unerlässlich, dass das Land mehr Geld pro Ingenieurwissenschafts-Studierendem gibt und damit den Standort Hessen wieder wettbewerbsfähig macht. Zum Vergleich: Der staatliche Zuschuss pro Ingenieurwissenschafts-Studierendem ist an der TU München um 25 Prozent höher als an der TU Darmstadt, an der ETH Zürich liegt er sogar fast fünf Mal höher. Das können und sollten wir ändern!

Und drittens fordern wir: Lassen Sie uns das Landesprogramm LOEWE anpassen, um Zukunftsthemen bereits heute zu adressieren. Mit einer vierten Linie im LOEWE-Programm mit einem Volumen von 20 Millionen Euro im Jahr, einer Art offenen Ausschreibung auf Zukunftsthemen, die dann vom LOEWE-Beirat ausgewählt werden, können wir in Hessen Forschung an Zukunftsthemen, die mit höherem Risiko behaftet sind, ermöglichen. Künstliche Intelligenz, Digital Humanities oder die Digitalisierung der Ingenieurwissenschaften sind dabei sicherlich Themen, die im Rahmen einer solchen Ausschreibung hochinteressant für den Standort Hessen sind.

Kommen wir zu einem zweiten Aspekt der Rolle der hessischen Universitäten im digitalen Wandel: Die hessischen Universitäten müssen mit ihren (IT und Tech-)Start-ups Innovationen im Informationszeitalter vorantreiben und somit dazu beitragen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Marke „Made in Germany“ erhalten bleibt.

Digitalisierung verändert unser Wirtschaftssystem. Kommunikationsplattformen, Big Data oder Künstliche Intelligenz schaffen neue Geschäftsmodelle und -ansätze. Die Hochschulen forschen und lehren nicht nur an Fragen der Digitalisierung. Die Hochschulen treiben als Wissensinstitutionen Innovationen bereits heute voran und beeinflussen die wirtschaftliche Entwicklung an ihren Standorten.

Wir sollten uns hier und heute also die Fragen stellen: Wie kann es gelingen die Marke „Made in Germany“ zukunfts- und wettbewerbsfähig zu machen und zu halten? Welche Maßnahmen tragen dazu bei, das Innovationspotential Hessens noch besser zu nutzen?

In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, dass aus den Universitäten heraus erfolgreiche Ausgründungen, Start-ups, entstehen können. Mit neuen Strategien, Produkten und Geschäftsmodellen schaffen diese Start-ups neue Arbeitsplätze und tragen durch neue Technologien zur wirtschaftlichen Dynamik und zum Strukturwandel bei. Wir wissen: Exzellente Forschungsergebnisse sind im Informationszeitalter ein wichtiger Grundstein für die Entstehung und den Erfolg innovativer Geschäftsideen und benötigen – gerade zu Beginn der Gründungsvorhaben – das universitäre Umfeld.

Deswegen fordern wir eine dauerhafte Landesförderung von Gründungsförderungsstrukturen, die die hessischen Universitäten in den vergangenen Jahren durch befristete Bundesmittel erfolgreich aufgebaut haben.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Forschung und Lehre im Informationszeitalter nur auf exzellenten digitalen Infrastrukturen an den hessischen Hochschulen aufbauen können. Das mag Sie nicht überraschen, denn: Angefangen beim global player bis zum Mittelständler, von der Stadtverwaltung bis zur Staatskanzlei – alle müssen sich in Zeiten der Digitalisierung erneuern. So auch die Universitäten. Doch Universitäten haben dabei zwei besondere Herausforderungen. Sie brauchen nicht nur Informationsinfrastrukturen für Verwaltungsprozesse, sondern auch solche für Forschung und Lehre. Auch darüber sollten wir heute sprechen.

Ich bin der Meinung: Die hessischen Bildungseinrichtungen haben auf diesem Gebiet einen riesigen Nachholbedarf. Ohne zusätzliche finanzielle Mittel werden die hessischen Hochschulen die vielfältigen Herausforderungen der Digitalisierung – ob bei der Qualifizierung des Personals, bei neuen Lehrformaten, Big Data-Anwendungen, der Erstellung von Forschungsdatensätzen, Rechnerinfrastrukturen – nicht stemmen können.

Deswegen fordern die hessischen Hochschulen 5 mal 50 Millionen Euro für Digitalisierung und digitale Infrastruktur für den Zeitraum von 2021 bis 2025. Ich stelle mir hier vor, dass ein solcher Digitalisierungsfonds verschiedenen Linien Lehre und Verwaltung/Infrastruktur hat. Denn: Neue Herausforderungen brauchen neue, frische Ideen, das kann ein vorrübergehendes wettbewerbliches Verfahren befördern. Wichtig dabei ist dennoch: Digitale Innovationen, sei es im Bereich der Lehre, der Forschung oder der Infrastruktur müssen allen Hochschulen zur Verfügung gestellt werden.

Wir sollten dabei aber nicht vergessen: Ein solcher Fonds ist als Anschub für Innovationen zu verstehen. Der Unterhalt und die Instandhaltung von solchen Services und Infrastrukturen benötigt die nachhaltige Finanzierung von Kompetenz und Räumen.

(…) Wir wollen diese spannende Zeit gestalten und Chancen der Digitalisierung nutzen. Wir sind der Überzeugung, dass mit den richtigen Rahmenbedingungen unsere Forschung und Lehre Antworten auf die Fragen des Informationszeitalters geben und wir junge Menschen mit den notwendigen Kompetenzen ausstatten können. Dass unsere Ausgründungen dazu beitragen können, die Marke „Made in Germany“ zukunfts- und wettbewerbsfähig zu machen und zu halten. Und dass diese Forschung und Lehre auf der Grundlage von exzellenten digitalen Infrastrukturen/ Informationsinfrastrukturen an den hessischen Hochschulen aufbauen kann. (…)"