„Verbessertes Verständnis menschlicher Fähigkeiten“

Prof. Constantin Rothkopf und Prof. Frank Jäkel vom Centre for Cognitive Science

04.12.2018

Die TU Darmstadt entwickelt strategisch Zukunftsfelder für Forschung und Lehre. Großes Potenzial hat die Cognitive Science. Das Wissenschaftsgebiet führt insbesondere Informatik und Humanwissenschaften zusammen. Ein Interview zum Thema Kognitionswissenschaft.

Prof. Frank Jäkel (li.) und Prof. Constantin Rothkopf (re.). Bild: Katrin Binner
Prof. Frank Jäkel (li.) und Prof. Constantin Rothkopf (re.). Bild: Katrin Binner

TU Darmstadt: Womit beschäftigt sich die Kognitionswissenschaft allgemein – in Abgrenzung zum Gebiet der Künstlichen Intelligenz?

Professor Constantin Rothkopf: Die Kognitionswissenschaft untersucht Wahrnehmen, Denken und Handeln und versteht diese Prozesse als Informationsverarbeitung. Dabei integriert sie Einsichten der Psychologie, der Neurowissenschaft, der Linguistik, der Philosophie und der Künstlichen Intelligenz, um menschliches Verhalten besser zu verstehen. Während die Künstliche Intelligenz versucht, intelligente Computerprogramme zu entwickeln, beschäftigt sich die Kognitionswissenschaft mit ähnlichen Methoden, um natürliche Intelligenz überhaupt erst zu verstehen.

Ein klassisches Beispiel sind menschliche „Fehler“: Sind dies einfach nur „Fehler“, oder sind es Auswirkungen der menschlichen Informationsverarbeitung? Die Antwort auf diese Frage hat fundamentale Auswirkungen, auch auf zu entwickelnde technische Systeme. Denn einerseits können technische Systeme davon profitieren, den benutzenden Menschen besser mitzuberücksichtigen, und auf der anderen Seite können wir durch ein verbessertes Verständnis menschlicher Fähigkeiten erst versuchen, diese auf intelligente Systeme zu übertragen.

Worauf liegt der Forschungsfokus am Centre for Cognitive Science der TU?

Professor Frank Jäkel: Passend zu einer Technischen Universität und den starken Bereichen Maschinelles Lernen und KI in Darmstadt ist ein Ziel des Centre for Cognitive Science eine Verbindung zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz herzustellen – wie beim KoBo34-Projekt. Um dieses Ziel zu erreichen, fokussiert sich die Forschung am Centre insbesondere auf die Aspekte intelligenten, adaptiven, menschlichen Verhaltens, das Maschinen noch nicht beherrschen. Ein Beispiel dafür ist der schnelle Transfer von gelerntem Verhalten auf neue, unbekannte Situationen in komplexen Umgebungen.

Was unterscheidet das Cognitive Science-Profil der TU Darmstadt von dem an anderen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen im In- und Ausland?

Rothkopf: Das Centre for Cognitive Science versammelt Experten, die in ihrer Forschung die computationale Modellierung adaptiven Verhaltens sowohl in technischen Systemen als auch beim Menschen in den Vordergrund stellen. Dieser gleichzeitige Fokus auf Modelle von menschlicher und künstlicher Intelligenz ist eine spezifische Stärke.

Braucht die Kognitionswissenschaft einen interdisziplinären Ansatz?

Jäkel: Ja, unbedingt, denn um ein vollständiges Bild von Kognition zu bekommen, bauen wir auf Methoden aus vielen verschiedenen Disziplinen. Nehmen Sie das Beispiel der visuellen Wahrnehmung. Psychologische Experimente helfen uns, Wahrnehmungsphänomene genau zu beschreiben, aber erst neurowissenschaftliche Methoden erlauben uns einen Blick ins Gehirn. Theorien zur visuellen Informationsverarbeitung können einerseits in Computermodellen überprüft und auch technisch genutzt werden, andererseits inspirieren die besten künstlichen Computer-Vision-Systeme auch Modelle für die menschliche Wahrnehmung. Gleichzeitig stellen sich klassische philosophische Fragen über die Beziehung zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung oder über das Bewusstsein.

Professor Constantin Rothkopf ist wissenschaftlicher Direktor des Centre for Cognitive Science. Er erwarb eine kombinierte Promotion in Informatik sowie Gehirn- und Kognitionswissenschaft. Seit 2013 ist er Leiter der AG Psychologie in der Informationsverarbeitung.

Professor Frank Jäkel ist Mitglied des Centre for Cognitive Science. Er wurde in Neuro- und Verhaltenswissenschaften promoviert und leitet seit 2017 die AG Modelle höherer Kognition.

DAS CENTRE FOR COGNITIVE SCIENCE

  • gegründet Februar 2016, zehn Professuren (davon zwei in Berufung)
  • beteiligte Fachbereiche: Humanwissenschaften, Informatik, Biologie, Elektrotechnik und Informationstechnik
  • wissenschaftliche Bilanz der beteiligten Principal Investigator in den letzten fünf Jahren: mehr als 350 Publikationen, zwei ERC Starting Grants, ein ERC Consolidator Grant

www.cogsci.tu-darmstadt.de

hoch³ 6/2018 mit dem Themenschwerpunkt Cognitive Science