Trägt mindestens drei Professoren

Sechs Meter lange Brücke aus Papier / Studierende konstruieren und bauen

11.02.2019 von

In der Halle im Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften ist die Anspannung zu spüren. Demnächst wird eine eigens konstruierte Brücke aus Papiermaterialien im Botanischen Garten aufgebaut. Vor der Endmontage haben die Master-Studentinnen und -Studenten der Studiengänge Bauingenieurwesen, Umweltingenieurwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen (Fachrichtung Bau) noch einiges zu tun und zu besprechen.

Bald verlässt die fertige Brücke die Montagehalle und wird über den Darmbach gespannt. Bild: Claus Völker
Bald verlässt die fertige Brücke die Montagehalle und wird über den Darmbach gespannt. Bild: Claus Völker

Sechs Meter lang und etwa 150 Kilogramm schwer wird die Papierbrücke des Interdisziplinären Projekts Bau und Umwelt (IPBU) der TU Darmstadt sein und die Last von drei Personen tragen können. Die Idee, mit Studierenden eine Papierbrücke zu planen und konstruieren, stammt von Professor Jörg Lange (Fachgebiet Stahlbau). Ein Platz für das fertige Bauwerk ist – in Absprache mit Stefan Schneckenburger, Direktor des Botanischen Gartens– bereits gefunden. Die Brücke wird auf dem Grüngelände über den Darmbach führen.

Derzeit ist Endspurt angesagt: „Wir benötigen noch mehr Klebstoff, um die Brückenelemente aus Wellpappe und Papierrohrprofilen miteinander zu verbinden“, meldet die Projekt-Gruppe Vorfertigung. Die Aufbau-Gruppe plant bereits den Transport und die Endmontage. Gerade in der letzten Projekt-Phase sind die Gruppen gefordert, die sich mit der Fertigung und dem Aufbau der Brücke beschäftigen.

„Die IPBU-Projekte finden zu Beginn des Master-Studiums statt. Meistens sind die Projekte theoretisch, manchmal praktisch wie in diesem Semester“, sagt Professor Lange. Zusammen mit seinen Kollegen Professor Ulrich Knaack (Fachgebiet Fassadentechnik) und Professor Jens Schneider (Fachgebiet Statik) bietet er das IBPU-Projekt Papierbrücke im Wintersemester 2018/19 an.

Am Anfang waren es noch drei

Vor der Endmontage haben die Master-Studierenden noch einiges zu tun. Bild: Claus Völker
Vor der Endmontage haben die Master-Studierenden noch einiges zu tun. Bild: Claus Völker

In der ersten Projekt-Phase entwickeln die Studierenden in Gruppen jeweils drei Brücken-Varianten. Dafür recherchieren sie gute Beispiele aus dem Brückenbau und eignen sich Grundkenntnisse über Papiermaterialien und die Werkstoffprüfung an. Am Ende der ersten Phase stehen die Entscheidung für eine Vorzugsvariante und der Bau eines maßstabsgetreuen Modells an.

Vor Beginn der zweiten Projekt-Phase wird aus allen eingereichten Vorschlägen eine Brückenkonstruktion ausgewählt. Das geht nicht ohne Diskussionen über die Bühne. Schließlich möchte man die eigene Brücken-Variante verteidigen und durchsetzen – denn nur eine wird am Ende realisiert. Die Phase der Entscheidung für eine Vorzugsvariante kann heikel sein. Hier ist Fingerspitzengefühl der Lehrenden erforderlich, um alle begeistert in die zweite Projektphase mitzunehmen.

In Phase zwei übernehmen die Teams verschiedene Funktionen – unter anderem zu Materialbewertung und Werkstoffprüfung, Tragfähigkeitsnachweisen, Fertigung und Dokumentation – mit dem Ziel, die Vorzugsvariante zu realisieren.

Ein wichtiges Lernziel des Projekts sei das richtige Timing der einzelnen Gruppen, erklärt Professor Lange. Denn die verschiedenen Aufgaben bauen alle aufeinander auf. Geplantes müsse auch gebaut werden und belastbar sein, merkt er an. In allen Phasen des Projekts unterstützen Lehrende und wissenschaftliche Mitarbeiter der drei Fachbereiche den Nachwuchs.

Am 12. Februar soll es soweit sein: Die Papierbrücke wird im Botanischen Garten an ihren Platz gebracht und in das vorbereitete Fundament gehoben. Den ersten Tragfähigkeitstest übernehmen die drei Professoren bei der öffentlichen Präsentation. Das Wetter muss allerdings mitspielen, denn Niederschlag wäre Gift für die Brücke. „Speziell die Tragfähigkeit der Papierkonstruktion ist stark von der Feuchtigkeit abhängig“, erklärt Lange. Bei der großen Anzahl an Stunden, die die Studierenden in das IBPU-Projekt investiert haben, wäre eine lange Haltbarkeit der Papierbrücke wünschenswert.

Für die Studierenden ist die Bauausführung und Montage der Brücke im Botanischen Garten sicher die aufregendste Projekt-Phase. Abgeschlossen ist das IPBU-Projekt für sie aber erst mit Abgabe eines Ergebnisberichtes mit allen wesentlichen Projektleistungen und einem Abschlusskolloquium. Die Interdisziplinären Projekte des Fachbereichs sollen Zusammenhänge zwischen den beteiligten Studiengebieten aufzeigen. Die Studierenden sollen nach erfolgreicher Teilnahme in der Lage sein, die für den Beruf typischen Arbeitsprozesse zu erkennen, in Teams zu kommunizieren und zu kooperieren, Aufgabenstellungen selbstständig zu erarbeiten sowie Ergebnisse zu präsentieren und zu verteidigen.

Bauen mit Papier

Natürliche Materialien wie Holz oder Papier werden seit Jahrtausenden im Bauwesen eingesetzt und spielen auch im modernen Hochbau und Innenausbau eine wesentliche Rolle. Schichtholzplatten, Gipsfaserplatten oder Laminate sind gängige Beispiele dafür.

Gerade Papier ist für biobasierte (nachhaltige) Anwendungen im Baubereich hervorragend geeignet. Es lässt sich kostengünstig herstellen, besteht zum Großteil aus Holz, also einem nachwachenden Rohstoff, bietet recht gute Festigkeitseigenschaften und kann als flächiges Material auch mit hoher Porosität oder sogar als Schaum produziert werden.

Im Bereich Industriebau hat sich die Sandwichbauweise etabliert. Zwischen zwei dünne Deckschichten aus Stahlblech kommt eine dickere Kernschicht aus erdölbasiertem Material. Da die Entsorgung dieses Materials mit sehr hohem Aufwand und einer erheblichen Umweltbelastung verbunden ist, wird im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojekt der TU der Einsatz von Wellpappe als Kernmaterial für Sandwichelemente untersucht.

Forschungsprojekt BAMP

Mit der Nutzung von Papier in Bauanwendungen beschäftigt sich auch der vom LOEWE-Programm des Landes Hessen geförderte Forschungsschwerpunkt „BAMP! – Bauen mit Papier“. Ziel ist es, die Vorteile des Werkstoffes Papier für das Bauwesen systematisch zu erschließen und Voraussetzungen für ein neues Wirtschaftsfeld mit einem international sichtbaren Schwerpunkt in Hessen zu etablieren. Der Fokus des Forschungsschwerpunkts liegt dabei auf Bauwerken für temporäre Nutzung, auch fliegende Bauten genannt. Gerade bei solchen Bauwerken spielen die Verwendung nachhaltiger Materialien und effiziente Prozesse eine große Rolle.