Auto mit echtem Umweltprofil

TU Darmstadt entwickelt intelligente Betriebskonzepte für das „Fahrzeug 5.0“

15.03.2019 von

An der TU Darmstadt setzt der Forschungsverbund „Fahrzeug 5.0“ auf Fahrzeuge, die laufend aus Betriebsdaten lernen und sich selbst optimieren. Der wissensbasierte Ansatz soll auch die Ökobilanz verbessern. Die Forschungen zeigen: Das rein batterieangetriebene Auto ist für die Umwelt nicht immer die beste Alternative. Es kommt vielmehr auf die richtige Betriebsstrategie an.

Diskussion am Schnittgetriebe: Professor Stephan Rinderknecht, Andreas Viehmann und Arved Eßer (v.l.n.r.). Bild: Katrin Binner
Diskussion am Schnittgetriebe: Professor Stephan Rinderknecht, Andreas Viehmann und Arved Eßer (v.l.n.r.). Bild: Katrin Binner

„Wir wollen den ökologischen Fußabdruck eines Fahrzeugs unter realen Bedingungen bewerten“, erklärt Professor Stephan Rinderknecht, Leiter des Instituts für Mechatronische Systeme im Maschinenbau (IMS) der TU Darmstadt und Koordinator des Verbundes „Fahrzeug 5.0“. Um heutzutage den Kraftstoffverbrauch beziehungsweise die CO2-Emission eines Autos zu bewerten, durchläuft es ein EU-weit verbindliches Messverfahren, dem genormte, aus Durchschnittsdaten gewonnene Fahrprofile zugrunde liegen. Sie stimmen zum einen nur selten mit dem wirklichen Nutzungsverhalten überein. Zum anderen gilt ein Elektroauto nach diesem Verfahren per se als emissionsfrei. Die Wissenschaftler halten das für irreführend. Deswegen arbeiten sie im Rahmen des Projektes „FahrKLang“ auf eine sich stets aktualisierende Bewertung der Umweltwirkungen eines Autos hin. Sie soll die Gesamtökobilanz abbilden – von der Herstellung der Antriebskomponenten über die Stromerzeugung und Kraftstoffbereitstellung bis hin zur Entsorgung.

„Hierfür brauchen wir Kennzahlen, die immer auf dem neuesten Stand sind, und agile Fahrzyklen, die sich auf Basis dieser Echtzeitdaten kontinuierlich anpassen“, erläutert der Verbundkoordinator. Sein Forschungsteam hat ein breites Spektrum an Antriebskonzepten untersucht, die jeweiligen Auslegungen mit Blick auf die Umweltbelastung optimiert und deren Potenziale verglichen. Es zeigt sich: Ein reines Elektroauto ist heute für Deutschland bei realen Reichweiten von 350 Kilometern kontraproduktiv. Denn um es langstreckentauglich zu machen, braucht es eine sehr große Batterie, die aber derzeit noch sehr teuer ist und zudem eine schlechte Ökobilanz hat. Das gleiche Auto bietet jedoch für Reichweiten bis zu 100 Kilometern Vorteile, weil dort geringere Batteriekapazitäten ausreichen und ein Elektroauto lokal emissionsfrei fahren kann.

Parallele Plug-in-Hybride

Für lange Strecken ist es also durchaus sinnvoll, zusätzlich einen Verbrennungsmotor und ein Mehrgang-Getriebe einzubauen. Parallele Plug-in-Hybride bieten für solche Betriebsstrategien das größte Potenzial, also Fahrzeuge, die auch an der Steckdose aufgeladen werden können und deren Elektromotor bei Bedarf von einem Verbrennungsmotor unterstützt wird. „Wir wollen elektrisch fahren, ohne die für Langstrecken attraktive Technologie des Verbrennungsmotors über Bord zu werfen“, betont Rinderknecht.

Wie beides möglichst effizient und ökologisch sinnvoll verknüpft werden kann, zeigt das an der TU Darmstadt entwickelte Antriebskonzept „DE-REX“ (Doppel-E-Antrieb mit Range-Extender). Die neue Hybrid-Architektur basiert auf zwei vergleichsweise kleinen Elektromotoren und einem Verbrennungsmotor. Im Gegensatz zu herkömmlichen Range-Extender-Konzepten verfügen alle drei über ein vereinfachtes automatisiertes Zweigang-Getriebe und können so mit den Antriebsachsen des Autos verbunden werden. „DE-REX“ bietet nicht nur viele Betriebsmöglichkeiten, die automatisiert gewählt werden. Es erhöht auch den Fahrkomfort und die Effizienz. Gegenüber einem vergleichbaren hybriden Antriebskonzept konnte das Darmstädter Modell die elektrische Leistung um mehr als 40 Prozent verringern und die elektrische Reichweite des Fahrzeugs um zehn Prozent erhöhen.

„Beide Projekte zeigen, dass wir mit unseren realfahrt- und wissensbasierten Methoden auf dem richtigen Weg sind“, erklärt Rinderknecht. Langfristiges Ziel ist jetzt die Entwicklung eines Antriebskonzepts für ein smartes ökoeffektives Universalfahrzeug, das lokal emissionsfrei in der Stadt fährt, langstreckentauglich ist, keine neuartige Infrastruktur benötigt und im Rahmen der Sektor-Kopplung auch in eine Smart-Grid beziehungsweis Smart-Home-Architektur integriert werden könnte.

Förderung

Die Projekte „FahrKLang“ und „DE-REX“ wurden durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) gefördert.

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