Ein harmonischer Glasquader

Leuchtende Haube für ein historisches Bauwerk / Observatorium als Krönung

29.03.2019 von

Der Turmstumpf des Uhrturmgebäudes auf dem Campus Stadtmitte bekommt in einigen Wochen einen zeitgemäßen Zuwachs. Ein durchscheinender, beleuchteter Glasquader wird dem Ensemble entlang der Hochschulstraße ein proportional harmonisches Bild zurückgeben – ganz im Sinne des Ursprungsarchitekten Friedrich Pützer. Der neue Rahmen bietet künftig den Platz für ein neues Observatorium des Fachbereichs Physik.

Der Uhrturm wurde 1904 als Neubau zwischen den Institutsgebäuden nach einem Entwurf von Friedrich Pützer fertiggestellt. Er beinhaltete damalige High Tech: den Hörsaal des Elektrotechnik-Pioniers Erasmus Kittler. In der Turmhaube befand sich eine Sendestation für Nachrichtentechnik. Vor fast 75 Jahren wurde der Turm in der Darmstädter Brandnacht am 11. September 1944 weitgehend zerstört, wie auch große Teile der umgebenden Gebäude. Von der einstigen Turmhaube blieb nur die Metallkonstruktion. Nach 1945 wurden die beschädigten Dächer der angrenzenden Gebäude als einfache Mezzaningeschosse hergerichtet, um rasch dringend benötigten Raum für die Universität zu schaffen. Die ursprünglichen, detaillierten Ausformungen von Dächern und Fassaden mit Vorsprüngen und Gesimsen wurden nicht wieder rekonstruiert.

Bewusst nüchtern und funktionalistisch

Das gesamte Ensemble wurde fortan von einer horizontalen bandartigen Gliederung bestimmt, dem Zeitgeist der 1950er Jahre folgend: Der ablehnenden Haltung der Nationalsozialisten gegenüber der sogenannten „Moderne“ sollte in den neuen Gebäudeteilen eine nüchterne, schlichte, funktionalistische Formensprache entgegengestellt werden. Dementsprechend wurde die beschädigte Uhrturmhaube in den 50er Jahren abgebrochen und bewusst nicht wiederhergestellt. Der Stumpf des Turms trägt immer noch ein Notdach.

Die neue Turmhaube, die nach Entwürfen von Sichau & Walter Architekten in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz entsteht, fügt sich in das schlichte Erscheinungsbild des Gebäudekomplexes und schreibt die architektonische Entwicklung der Nachkriegszeit fort. Die Architekten griffen jedoch wichtige Entwurfsprinzipien Pützers auf. Dieser legte großen Wert auf Stimmigkeit, Proportionen und Massenverteilung. Der Turmstumpf wird daher in seinem Sinne durch den nach oben offenen Glasquader so geschickt um ein Volumen erweitert, dass der neu gestaltete Turm sich wieder proportional harmonisch als Mittelachse in den umliegenden – maßgeblich nach dem Krieg geformten – Gebäudekomplex fügt.

Blick ins Universum

Mit der Haube bekommt der Turm nicht nur eine neue Optik, sondern auch eine weitere Aufgabe: Dort werden in einer Kuppel vier Teleskope untergebracht, die der Fachbereich Physik als Observatorium vor allem zur Sonnenbeobachtung nutzen wird. Die Kuppel wird dabei nicht betreten, die Geräte sind für einen vollständig ferngesteuerten Betrieb ausgelegt. Die Teleskope bilden die Sonne in verschiedenen Wellenlängenbereichen ab und erlauben Rückschlüsse auf Dynamik und Eigenschaften des Gases und der Magnetfeldstruktur auf der Sonnenoberfläche und auf physikalische Prozesse in der Sonnenatmosphäre. Es wird mit dem Observatorium möglich sein, Quasi-Live-Bilder der Sonnenoberfläche im Internet zur Verfügung zu stellen oder in Hörsäle zu übertragen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, den Nachthimmel zu beobachten. Durch spezielle Techniken und mit sehr langen Belichtungszeiten lässt sich ein Blick in die Tiefen des Universums werfen.

Zahlen und Fakten

Die Gesamtkosten für das Bauprojekt Uhrturm betragen rund 800.000 Euro. 50.000 Euro spendete die Vereinigung von Freunden der TU Darmstadt, 6.000 Euro brachten verschiedene Einzelspender und -spenderinnen auf. Den Rest finanziert die Universität selbst.

Die neue Glas-Stahl-Konstruktion ist 3,00 Meter hoch, transluzent und nachts beleuchtet. Der Turm wird künftig insgesamt 24,3 Meter hoch sein.