Ein Glücksfall für die Bibliothek

Der schriftliche Nachlass des Baron von Hüpsch wurde aufwändig restauriert

16.04.2019 von

Jean Guillaume Adolphe Fiacre Honvlez alias Baron von Hüpsch (1730 – 1805) war ein wissenschaftlich bedeutender Kölner Sammler, Naturwissenschaftler, Aufklärer, Reformer und Universalgelehrter des 18. Jahrhunderts. Seine umfangreichen Sammlungen vererbte er dem Darmstädter Landgrafen Ludwig X. von Hessen-Darmstadt, darunter den schriftlichen Nachlass, der etwa 10.000 Einzelblätter umfasst und in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt (ULB) aufbewahrt wird. Nun wurde er erstmals konservatorisch und restauratorisch bearbeitet.

In 21 Nachlasskästen befindet sich ein großer Schatz der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt: der schriftliche Nachlass des Baron von Hüpsch. Er beinhaltet über 10.000 Einzelblätter aus etwa 35 Jahren; darunter Werkmanuskripte, Korrespondenzen, autobiografische Texte, Rezepte, Zeichnungen und Rechnungen. Viele Dokumente belegen seine universelle Sammelleidenschaft, angeregt vom rasanten geistigen und gesellschaftlichen Wandel seiner Zeit. Er sammelte unter anderem Barockgemälde, Tafelbilder, Hand- und Druckschriften, archäologische Funde, Elfenbeine, Waffen und Rüstungen, zoologische Präparate und Fossilien, die heute im Hessischen Landesmuseum Darmstadt (HLMD) aufbewahrt werden.

Grundlage für die grossherzoglichen Sammlungen

Die Vererbung der Sammlungen an den Landgrafen Ludwig X. von Hessen-Darmstadt wurde zu einer wesentlichen Grundlage für die heute in der ULB und dem HLMD archivierten ehemaligen großherzoglichen Sammlungen – »ein Glücksfall eben auch für die Bibliothek«, sagt Kirstin Schellhaas, Leiterin der Restaurierwerkstatt der ULBder Restaurierwerkstatt der ULB. Mittels einer Drittmittelförderung von 46.000 Euro aus Bundes-, Landes- und Eigenmitteln konnte dieser umfangreiche schriftliche Nachlass im Besitz der ULB nun in der Restaurierwerkstatt bearbeitet werden.

Im Auftrag der ULB widmete sich das Team um Diplomrestaurator Lars Herzog-Wodtke aus Essen in den großzügigen Werkstatträumen der Bibliothek dieser Aufgabe. Die Komplexität des Bestandes stellte dabei besondere Anforderungen an die studierten Papierrestauratorinnen. Neben Schadensbildern wie Verschmutzungen und partiellem Schimmelbefall, mechanischen Beeinträchtigungen durch Risse, Fehlstellen und Planlegestörungen (Knicke, Faltungen, gestauchten Blattkanten) wurden auch zahlreiche Lacksiegel gesichert und Benutzungshinweise für besonders fragile Objekte angebracht.

Glück der späten Restaurierung

»Ein erfreulicher Aspekt des umfangreichen Nachlasses ist, dass er erst jetzt bearbeitet wird«, erklärt Marlene Husung (Papierrestaurierung Herzog-Wodtke). »Während einer Restaurierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts wäre viel stärker in die Originalsubstanz eingegriffen worden, was die Authentizität und den Sammlungszusammenhang möglicherweise verfälscht hätte.«

Heute zielen die Eingriffe auf die Erhaltung des vorgefundenen Zustandes und die Verhinderung weiterer Schäden. Während der Arbeiten gab es auch überraschende Entdeckungen: Im Kasten XVII zwischen handgeschriebenen Rezepten fanden sich mehrere selbstgefaltete Papierbriefchen, darin jeweils eine kleine Menge weißen Pulvers. Überliefert ist, dass Baron von Hüpsch unentgeltlich Kranke behandelte – gut möglich also, dass es sich um ein Medikament handelt. Die weitere Forschung wird klären, wogegen das Pulver verabreicht werden sollte.

Jana Müller (Papierrestaurierung Herzog-Wodtke) konstatiert die außergewöhnliche Vielfalt der Papiersorten und -qualitäten: »Die einsetzende Rohstoffknappheit für die damalige Papierherstellung zeigt sich an den Papieren mit ungleichmäßiger Faserverteilung und ihren geringen Blattstärken. Die rege internationale Korrespondenz des Baron von Hüpsch bescherte der Sammlung Papiere vieler Provenienzen, an denen Handelswege, Herstellungsorte und vieles mehr zu entdecken wäre.«

Werkstattleiterin Schellhaas blickt zufrieden auf das gemeinsame Projekt mit den externen Restauratorinnen zurück: »Es war eine für beide Seiten bereichernde und befruchtende Zusammenarbeit.«

Fachkundig gesichert und gut verwahrt

Die Sammlung des Baron von Hüpsch befindet sich nun fachkundig gesichert und gut verwahrt im Tresormagazin der ULB. Dokumente daraus können bestellt werden und sind unter Aufsicht des Personals im Forschungslesesaal studierbar.

Nun steht die professionelle digitale Erschließung an: Die Irene und Sigurd Greven Stiftung hat dafür 159.000 Euro bereitgestellt. Damit wird dieser für die Wissenschaft so bedeutsame Nachlass nach modernen Konzepten der Digital Humanities erschlossen, um so innovative methodische Zugänge zu diesem bislang vernachlässigten Kölner Sammler zu ermöglichen.