Jäger von Ameisenbrut statt Allesfresser

Biologen beschreiben Beutespezialisierung bei tropischen Treiberameisen

03.05.2019 von

Treiberameisen gelten oft als wahllose Allesfresser. Dass sie äußerst spezialisierte Räuber sind, die vor allem Brut anderer Ameisen erbeuten, zeigte eine Studie unter Leitung von Biologen der TU Darmstadt, die jetzt in der Fachzeitschrift „Molecular Ecology“ veröffentlicht wurde. So können bis zu 20 Treiberameisenarten in einem Waldgebiet koexistieren.

Treiberameise der Art Eciton hamatum trägt eine Puppe der Ameisengattung Acromyrmex als Beutestück. Bild: Daniel J. C. Kronauer

Treiberameisen sind ökologisch wichtige Räuber in tropischen Regenwäldern und faszinieren Naturforscher schon seit Jahrhunderten. Bereits im 19. Jahrhundert beschrieben die Naturforscher Charles Darwin und Henry Walter Bates die Raubzüge dieser Insekten. Bei der wohl bekanntesten Treiberameise Eciton burchellii formen die Arbeiterinnen einen Teppich von etwa zehn mal zwei Metern Fläche, der sich langsam über den Waldboden ausbreitet und andere Insekten aufscheucht und teilweise erbeutet. Dabei folgt den Treiberameisen eine Vielzahl anderer Tiere, unter anderem Ameisenvögel. Sie profitieren von den Raubzügen der Ameisen, indem sie aufgeschreckte Gliederfüßler fressen. Es ist also nicht verwunderlich, dass Treiberameisen zumeist als wenig spezialisierte Räuber beschrieben werden, welche alles erbeuten, was nicht schnell genug fliehen kann.

Der Biologe und Letztautor der Studie, Dr. Christoph von Beeren, Fachbereich Biologie der TU Darmstadt, entkräftet dies: „Die Mehrzahl der Treiberameisenarten der Neuen Welt sind Jäger anderer Ameisen. In der Fachliteratur ist dies bereits bekannt. Ziel unserer Studie war es, den Grad der Spezialisierung innerhalb einer Gesellschaft von Treiberameisen aufzudecken und zu zeigen, wo sich deren Nahrungsnischen überlappen.“

Untersuchung des Beutespektrums

Vier der Autoren der Studie während einer kurzen nächtlichen Pause bei der Feldarbeit, erzwungen durch einen starken Regenguss. Von links nach rechts: Bryan Ospina Jara, Christoph von Beeren, Philipp Hönle und Adrian Brückner. Bild: Bryan Ospina Jara
Vier der Autoren der Studie während einer kurzen nächtlichen Pause bei der Feldarbeit, erzwungen durch einen starken Regenguss. Von links nach rechts: Bryan Ospina Jara, Christoph von Beeren, Philipp Hönle und Adrian Brückner. Bild: Bryan Ospina Jara

Die Studie der TU-Forscher untersuchte das Beutespektrum von elf Treiberameisenarten in La Selva Biological Station, einem Regenwaldgebiet in Costa Rica. 98 Prozent der gesammelten Beutestücke waren andere Ameisenarten, und 87 Prozent davon waren Brutstücke. Ameisenbrut auf Artebene zu bestimmen ist äußerst schwierig und in vielen Fällen nicht möglich. Um die gesammelten Beutestücke dennoch zu identifizieren, nutzten die Forscher genetisches Barcoding (engl. „DNA barcoding“), eine Methode, bei der eine kurze DNA-Sequenz mit einer Referenzbibliothek verglichen wird. Der Erstautor der Studie, Philipp Hönle, Doktorand an der TU Darmstadt im Fachbereich Biologie, beschreibt die Resultate: „Mithilfe von DNA barcoding konnten wir ein detailliertes Räuber-Beute-Netzwerk aufstellen. Es war überraschend zu sehen, dass es nur sehr geringe Überlappungen der Nahrungsnischen zwischen Treiberameisenarten gab. Im Gegensatz zu Raubtieren im Allgemeinen sind die untersuchten Treiberameisen äußerst spezialisierte Jäger.“

Zudem entdeckten die Forscher, dass die Treiberameisen ihre Beutezüge zu unterschiedlichen Zeiten durchführen und unterschiedliche Lebensräume bejagen. Laut ökologischer Theorie erlaubt solch eine multidimensionale Nischendifferenzierung die Koexistenz von ansonsten ähnlichen Arten – im Falle der Treiberameisen die Koexistenz von über 20 Treiberameisenarten in einem einzigen Waldgebiet.

Die der Spezialisierung zugrundeliegenden Faktoren werden Gegenstand künftiger Forschungen sein.

Die Studie

Molecular Ecology: Species-level predation network uncovers high prey specificity in a Neotropical army ant community, DOI: 10.1111/mec.15078