Für mehr Mitbestimmung

Vor 50 Jahren: die erste drittelparitätische Senatssitzung an der TH Darmstadt

22.05.2019 von

Blick in die Geschichte: Im Mai 1969 wurde an der TH die bundesweit erste drittelparitätische Hochschulsatzung verabschiedet. Doch schon im Januar 1970 erklärte der Hessische Verwaltungsgerichtshof die TH-Satzung für ungültig.

Direktorium, bestehend aus (v.li.) den Professoren Manfred Teschner, Max Guther und Friedrich Beck. Bild: Universitätsarchiv
Direktorium, bestehend aus (v.li.) den Professoren Manfred Teschner, Max Guther und Friedrich Beck. Bild: Universitätsarchiv

Als 1966 das Hessische Hochschulgesetz (HHG) verabschiedet wurde, brachte die Hessische Landesregierung in Darmstadt einen Stein ins Rollen, der nach turbulenten Zeiten 1970 wieder abrupt zum Stehen kam: In § 6 des HHG wurden alle hessischen Hochschulen aufgefordert, sich eine Satzung zu geben. Diese sollte unter anderem die Zusammensetzung des Senats festlegen.

Unter der Leitung von Rektor Dietrich Schultz bildete sich daraufhin an der damaligen TH eine Verfassungskommission, in der neben sieben Hochschullehrern auch ein Assistent und zwei Studierende mitwirkten. Es entstand ein 50-seitiger Entwurf, der dem Senat vorgelegt und nach umfassenden Diskussionen am 28. Juni 1967 verabschiedet wurde.

Neue Satzung im März 1968

Die Studierenden hatten die Gelegenheit für mehr Mitbestimmung erkannt und hofften auf ein Ende der Ordinarienuniversität. Bisher hatte die Professorenschaft (Ordinarien) in den Debatten zu Grundsatzangelegenheiten immer eine klare Mehrheit. Die neue Satzung enthielt allerdings einen Negativkatalog, der die Studierenden weiterhin bei bestimmten Themen aus dem Senat ausschloss.

Im März 1968 trat die neue Satzung der TH mit bedeutenden Änderungen durch Kultusminister Ernst Schütte (1959-1969 im Amt) und trotz heftiger Einwände einiger Professoren in Kraft: 1. Die Mitwirkung der Nichthabilitierten in Senat und Fakultäten wird nicht durch den vorgeschlagenen Negativkatalog eingeschränkt. Sie haben auch zu Themen wie Habilitation, Promotion und persönlichen Angelegenheiten der Hochschullehrer Stimmberechtigung. 2. Der dienstliche Schriftverkehr der Studentenschaft mit dem Kultusminister muss nicht durch die Hand des Rektors gehen.

Laut Satzung ist die Studentenschaft kein Organ der Hochschule, dem der Rektor als Vertreter gegenüber der Öffentlichkeit vorsteht. 3. Die 16 studentischen Vertreterinnen und Vertreter im Großen Senat werden gemäß Studentenschaftssatzung entsandt. Sie müssen nicht mit aktiven Mitgliedern im Kleinen Senat oder Fakultätsausschüssen übereinstimmen.

Darmstädter Studentenzeitung dds Nr. 101 vom Mai 1969. Bild: ULB
Darmstädter Studentenzeitung dds Nr. 101 vom Mai 1969. Bild: ULB

Fliegende Eier und protestierende Studenten

Auf Landesebene wurde gleichzeitig der nächste Entwurf für ein Hessisches Universitätsgesetz (HUG) diskutiert. Das sorgte vor allem in der Studentenschaft für Unruhen und Streik. Dennoch: Begleitet von fliegenden Eiern und protestierenden Studierenden entschloss sich eine knappe Mehrheit in der TH-Senatssitzung am 5. Februar 1969 für eine gleichberechtigte Mitbestimmung von Professorenschaft, Nichthabilitierten und Studentenschaft. Das gab es bisher an keiner deutschen Universität! Das amtierende Direktorium reagierte mit einem geschlossenen Rücktritt.

Die erste drittelparitätische Senatssitzung am 14. Mai 1969 hatte die vorrangige Aufgabe, ein neues Direktorium zu wählen. Bezeichnenderweise fiel die Wahl auf die Professoren Max Guther (Architektur), Friedrich Beck (Physik) und Manfred Teschner (Soziologie), die zuvor offen eine Drittelparität im Senat unterstützt hatten. Sie hielten an dem Reformgedanken fest und brachten die Drittelparität auch auf die Fakultätsebene. Viele Professoren sahen sich jedoch als Verlierer, da ihre Stimmberechtigung mit der Drittelparität stark an Gewicht verloren hatte. Mit zwei Normenkontrollanträgen beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof versuchten sie, den Status quo wiederherzustellen – ohne Erfolg. Doch spielte ihnen ein Formfehler schließlich in die Hände: Nachdem sich der Kultusminister auf keine weitere Prüfung der Satzung eingelassen hatte, hatte Rektor Schultz bereits im August 1968 Klage gegen das Land Hessen erhoben. Im Berufungsverfahren stellte das Gericht im Januar 1970 fest, dass die TH weder eine gültige Hochschul- noch Studentenschaftssatzung besaß. Der Formfehler lag darin, dass die Satzungsänderungen des Kultusministers weder vom Senat offiziell gebilligt noch im Staatsanzeiger veröffentlicht worden waren.

Als im Mai 1970 das neue HUG in Kraft trat, war das Kapitel Drittelparität an der TH Darmstadt endgültig abgeschlossen.