Mehr Power für die grüne Transformation

Forschung am Institut für Politikwissenschaft

21.06.2019 von

Internationale Abkommen setzen die Leitplanken, aber die Zukunft unseres Planeten entscheidet sich weitgehend in den Nationalstaaten. Politologen der TU Darmstadt analysieren die Klimaschutzpolitik im globalen Süden.

Professor Markus Lederer

Klimawandel, Artensterben und Gefährdung der Weltmeere: Von den Folgen der weltweiten Umweltzerstörung sind die Menschen des globalen Südens besonders betroffen. Aber sie zählen auch zu den zentralen Akteuren, die über den Erfolg oder Misserfolg der weltweiten Bemühungen um den Klimaschutz mitentscheiden. Professor Markus Lederer, Leiter des Arbeitsbereichs Internationale Beziehungen an der TU Darmstadt, sieht Entwicklungs- und Schwellenländer nicht nur in der Opferrolle. Denn eine wachsende und immer stärker in globale Konsummuster eingebettete Mittel- und Oberschicht, der Ausbau von Industrie sowie ein extensiver Landraubbau machen sie einerseits zu Mitverursachern des drohenden ökologischen Kollapses. Andererseits entsteht in diesen Staaten gegenwärtig eine Vielzahl von offiziellen Initiativen, die einen nachhaltigen Wandel in der Umweltpolitik vorantreiben sollen.

„Ohne diese Länder werden wir die Klimaproblematik nicht in den Griff bekommen“, betont Lederer. Spätestens seit dem Pariser Abkommen von 2015 sind auch sie völkerrechtlich in der Pflicht, Ziele für eine nachhaltige Klimaschutzpolitik zu formulieren und deren Erreichung kontinuierlich zu überprüfen.

„Dies kann den Wandel aber nur anstoßen und es wäre naiv zu glauben, dass ein Klimaabkommen automatisch zu einer besseren Politik führt“, warnt der Experte. Selbst Deutschland könne seine für 2020 gesteckten Klimaschutzziele nicht einhalten. „Und die Länder des globalen Südens befinden sich in einer ungleich komplexeren Lage als wir.“ Wie aber gelingt eine globale Klimaschutzpolitik, die alle ins Boot holt? Lederer und sein Forschungsteam sind überzeugt: Es braucht eine grundlegende grüne Transformation, die Ökologie, Wirtschaft und Soziales umfasst und auf weitreichende Veränderungen in allen Sektoren von der Energieversorgung über die Landwirtschaft bis hin zur Mobilität hinarbeitet – ein Umbruch, den die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der industriellen Revolution vergleichen.

Gemeinsam mit ihrem Potsdamer Forschungspartner haben sie die Rahmenbedingungen und Umsetzungsstrategien für eine solche Transformation in Indonesien, Indien, Südafrika und Brasilien unter die Lupe genommen. Dabei wollten sie vor allem wissen, wie von der internationalen Ebene ausgehandelte Vereinbarungen und angestoßene Initiativen für den Klimaschutz die Staaten und ihre Verwaltungen sowie die Rolle und das Zusammenspielunterschiedlicher politischer Ebenen beeinflussen. Zum anderen haben sie die zentral gesteuerte Klima- und Umweltschutzpolitik in Vietnam und Costa Rica untersucht.

So standen im Fokus der Forschungen des DFG-Projektes „Globale Klimaschutzinitiativen und der Nationalstaat“ zwei Initiativen mit unterschiedlichen Umsetzungsstrategien. Einmal das inzwischen weitgehend etablierte Konzept REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) zur Reduzierung von Abholzungen und Schädigung von Wäldern. Es setzt als Regulierungsmechanismus „top down“ an und soll über finanzielle Ausgleichsmaßnahmen Anreize geben, die verbliebenen tropischen Waldflächen zu schützen. Demgegenüber fördert das länderübergreifende Netzwerk C40 (Cities Climate Leadership Group), ein Zusammenschluss von mehr als 80 Großstädten und Megacities weltweit, Klimaschutz eher „von unten“, da die Städte dabei mit ihren Projekten potenziell auch die Politik des Zentralstaates beeinflussen können.

Kein „Game-Changer“

Der Vergleich zwischen Indonesien, Südafrika, Brasilien und Indien zeigt, dass Mechanismen wie REDD+ den Einfluss von Zentralregierungen wie zum Beispiel der brasilianischen und der indonesischen weiter stärken können, während das C40- Netzwerk zwar in den Metropolen ein „Katalysator“ für einige wenige Klimaschutzinitiativen ist, aber insgesamt kein „Game Changer“ mit Blick auf eine Dezentralisierung oder gar Weiterentwicklung der Klimapolitik. Vor allem aber zeigt sich, dass keine der beiden Strategien der anderen überlegen ist. „Ihre Wirkung hängt ab von den nationalen, regionalen und lokalen Rahmenbedingungen und dabei ganz stark von den handelnden Personen, ihren politischen Möglichkeiten, ihren normativen Vorstellungen und den jeweiligen Eigeninteressen“, betont Chris Höhne, Wissenschaftler am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt.

So fanden zum Beispiel die Maßnahmen zu einem stärkeren Schutz von Wäldern und Torfmooren durch REDD+ in der indonesischen Provinz Zentral-Kalimantan ein schnelles Ende, als ein neuer Gouverneur ins Amt kam, dessen Familie stark in den Anbau von Palmölplantagen investierte. Dagegen engagierte sich ein weitblickender Gouverneur in Ost-Kalimantan selbst dann noch für einen starken Ausbau des Waldschutzes als Beitrag zur ökologischen Umorientierung der Provinz, als die nationale Regierung Indonesiens zwischenzeitlich ihre Waldschutzbemühungen zurückfuhr.

Wie aber setzen Länder, die den „top down“-Weg wählen, grüne Transformation um? Unter anderem mit dieser Frage befasst sich das Forschungsvorhaben „GreeTS“. So forciert der sozialistische Einparteienstaat Vietnam, der in Folge eines enormen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums steigenden Umwelt- und Klimaproblemen gegenübersteht, den Wandel im Energiesektor und versucht diesen mit den Zielen eines grünen Wachstums und einer insgesamt nachhaltigeren Entwicklung zu verknüpfen. „Eine ganzheitliche Strategie aber fehlt bislang“, beobachtet Höhnes Forschungskollegin Linda Wallbott.

Auch Costa Rica, der demokratische Vorzeigestaat Zentralamerikas, hat sich den Klima-, Umwelt- und Waldschutz auf die Fahnen geschrieben. Trotz erster Erfolge in der Energiepolitik und einer politischen Führung, welche die grüne Agenda unter Einbindung von Wirtschaft und Zivilgesellschaft konsequent mitträgt, bietet „der Blick hinter die Fassade“ ein differenziertes Bild. So wurde zum Beispiel die Abholzung großer Waldflächen für Staudammprojekte gegen den Willen der indigenen Bevölkerung durchgesetzt.

Beide Projekte zeigen also nicht nur die komplexe und heterogene Ausgangslage, aus der heraus die Länder des globalen Südens den Klimawandel stemmen müssen. Sie demonstrieren auch, dass es ein global gültiges Patentrezept in der Klimaschutzpolitik nicht gibt. „Der Wandel ist möglich. Aber er verläuft inkrementell und langsam und er ist von starken Akteurs-Konstellationen abhängig“, erklärt Lederer. Ob er gelingt, steht und fällt nach Überzeugung der Fachleute mit der politischen Ökonomie, mit einer über alle Ebenen gut funktionierenden Verwaltungsstruktur, mit einem klaren ökonomischen Nutzen für die betroffenen Länder und mit einem „normativen Wandel in den Köpfen“. Auf der Mikroebene sehen sie viele erfolgreiche Initiativen und zielführende Partnerschaften zwischen Geber- und Nehmerländern. Auf der Makroebene aber fehle bislang der entscheidende Schub für einen wirklich transformativen Umbruch.

Kooperationsnetzwerke

Das Projekt Carbon Governance Arrangements and the Nation State: The Reconfiguration of Public Authority in Developing Countries wurde von 2015 bis Ende März 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Kooperationspartner der TU Darmstadt ist der Lehrstuhl für Internationale Politik an der Universität Potsdam.

Das Projekt Europe and Green Transformation in the global South (GreeTS) wird bis Ende Juni 2019 von der Volkswagenstiftung, dem Riksbankens Jubiläumsfonds und dem Wellcome Trust finanziert. Unter Federführung der TU Darmstadt beteiligen sich das Tropical Agricultural Research & Higher Education Center (CATIE) in Costa Rica, die School of Oriental and African Studies (SOAS) an der University of London und die Vietnamese Academy of Social Sciences (VASS) in Hanoi an dem Projekt.

Weitere spannende Artikel in der hoch³ FORSCHEN 2/2019: