Ausgezeichnete Pionierin
Ottilie Bock – die erste Assistentin an der TH/TU Darmstadt
24.07.2019 von Jan Nils van der Pütten
Als erste Assistentin gehörte Ottilie Bock zu den weiblichen Vorreiterinnen an der damaligen Technischen Hochschule Darmstadt. Sie wurde am 28.11.1896 in Gambach (Oberhessen) geboren.
Die Gleichstellung von Frauen in der Wissenschaft und im Allgemeinen ist nach wie vor ein gesellschaftliches Diskussionsthema. Der Weg dorthin ist und war ein steiniger. Eine Frauen- beziehungsweise Gleichstellungsbeauftragte an der TU Darmstadt gibt es erst seit 25 Jahren.
In Darmstadt war es Frauen seit 1896 gestattet, als Gasthörerinnen Vorlesungen zu besuchen. Eine Prüfung abzulegen oder gar einen Abschluss zu machen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Es sollte bis zum Jahr 1908 dauern, bis sich Frauen erstmals als ordentliche Studentinnen an der damaligen Großherzoglich Technischen Hochschule zu Darmstadt einschreiben konnten.
Im Oktober 1908 begann Franziska Braun (1885 – 1955) als erste TH-Studentin ein Architekturstudium. Ein großer Ansturm erfolgte jedoch zunächst nicht. Bis in die 1920er-Jahre lag die Zahl der eingeschriebenen Studentinnen noch unter der Zahl der Hörerinnen (1925: 30 Frauen immatrikuliert = ca. zwei Prozent der Studierenden; 2016: 29 Prozent Frauen).
Als erste Assistentin gehörte Ottilie Bock zu den weiblichen Vorreiterinnen an der damaligen Technischen Hochschule Darmstadt. Sie wurde am 28.11.1896 in Gambach (Oberhessen) geboren. Ihre Eltern waren der Lehrer Wilhelm Bock und Elise Bock (geb. Jäger). Ottilie besuchte die Stadt- und Schillerschule in Friedberg. Ab Juni 1913 wohnte sie zusammen mit ihrer Mutter in Darmstadt. Dort besuchte sie die Viktoriaschule und legte 1916 die Reifeprüfung ab. Von 1916 bis 1921 studierte sie Chemie an der TH Darmstadt.
Assistentin am Chemischen Institut
Ihr Diplom schloss sie mit Auszeichnung ab. Anschließend folgte die Anstellung als Assistentin am Chemischen Institut unter Leitung des damaligen Chemieprofessors Dr. Lothar Wöhler. 1922 promovierte Bock zur Dr.-Ing. mit der Arbeit »Das Silicium-Analogen des Kalkstickstoffs«. Wie lange sie genau als Assistentin arbeitete, ist nicht bekannt; letztmalig ist sie im Personal- und Vorlesungsverzeichnis 1925/26 aufgeführt.
Im Zuge der Recherchen für diesen Beitrag wurde schnell klar, dass es äußerst schwierig ist, die Lebensgeschichte von Wissenschaftlerinnen und Studentinnen an der TH Darmstadt zu rekonstruieren, die vor 1945 forschten und studierten. Im Fall von Ottilie Bock ist die Hauptquelle ihre Diplomprüfungsakte, die sich im Universitätsarchiv der TU Darmstadt befindet. Zu ihrer Promotion und Tätigkeit an der TH Darmstadt sind keine Akten mehr vorhanden, denn ein Großteil des TH-Aktenbestands wurde in der Darmstädter »Brandnacht« 1944 vernichtet. Daher ist es kaum möglich, Bocks späteren Lebensweg zu verfolgen.
Erst eine Anfrage beim Stadtarchiv Darmstadt brachte weitere Erkenntnisse. In der dortigen Melderegistratur findet sich ein Eintrag, demzufolge Ottilie Bock sich im April 1928 aus Darmstadt nach Berlin-Niederschönweide abmeldete und am 16. April 1930 den Diplomingenieur Paul Schmid in Berlin-Treptow heiratete. Die Frage, ob sie danach noch weiter als Wissenschaftlerin tätig war oder sich hauptsächlich ihrem Ehemann beziehungsweise der Familie widmete, bleibt jedoch offen. Auch ihr Todesjahr 1969 konnte noch nicht quellenmäßig bestätigt werden.
Im Oktober 2013 kam es zu Straßenumbenennungen auf dem TU-Campus Lichtwiese, bei denen eine Reihe bedeutender Studentinnen und Wissenschaftlerinnen geehrt wurden. Seither erinnert die Ottilie-Bock-Straße tagtäglich an eine Pionierin der TU Darmstadt, über deren Leben man gerne mehr herausfinden würde. Für die 2008 gezeigte Ausstellung »100 Jahre Studium von Frauen an der TU Darmstadt« konnten auch keine weiteren Erkenntnisse gewonnen werden. Die historische Frauenforschung der TU Darmstadt, die im Zuge der Ringvorlesung 1985/86 »Frauen in der Wissenschaft« ihren Anfang nahm, ist längst nicht abgeschlossen.
Der Autor studiert im Masterstudiengang Geschichte und arbeitet als studentische Hilfskraft im Universitätsarchiv der TU Darmstadt.
(wird in neuem Tab geöffnet). Ausstellungsbroschüre »100 Jahre Studium von Frauen an der TU Darmstadt«