Moderne Architektur aus dem 3-D-Drucker

Doktorand der TU Darmstadt mit „Kultur-Kreativpiloten“-Preis ausgezeichnet

13.11.2019 von

Fassaden müssen nicht gerade, eben und konventionell bleiben. Künftig sind kühn geschwungene, geometrisch anspruchsvolle Glasfassaden für Häuser, Büros oder Wohntürme mit Hilfe des 3-D-Druckers denkbar. Die gedruckten Fassadenknoten aus Metall, die TU-Doktorand Alamir Mohsen entwickelt hat, könnten die Architektur revolutionieren. Für die patentierte Erfindung hat der Fassadentechniker am Dienstag (12.11.) in Berlin den „Kultur-Kreativpiloten“- Preis der Bundesregierung erhalten.

2018 hat der heute 33-Jährige Alamir Mohsen ein Startup-Unternehmen gegründet.

In dem grau metallisch schimmernden Bauteil stecken zehn Jahre Gedankengut, Erfindergeist und Durchhaltevermögen. So lange hat die Entwicklung gedauert, die Alamir Mohsen schlicht Fassadenknoten nennt, die es aber in sich hat. Erfunden hat er eine Steckverbindung, an die Glas- oder andere Fassadenelemente gleich an mehreren Punkten angedockt werden können. Das Besondere daran: Die Konstruktion aus Stahl oder Aluminium wurde am 3-D-Drucker gedruckt. „Sie ist stärker und stabiler als Guss-Fassadenknoten. Das haben meine Versuche bewiesen“, betont der Doktorand am Institut für Statik und Konstruktion der TU Darmstadt, der gerade seine Promotionsarbeit unter anderem zum Thema 3-D-gedruckte metallische Knoten abgegeben hat.

Der 33-Jährige zeigt am PC, was künftig mit seiner Erfindung möglich sein wird: Gebäudehüllen aus Glas, die gezackt sind wie Eierkartons oder geschwungen wie Seifenblasen. Futuristisches Design, das nichts gemein hat mit der heutigen Architektur aus zumeist geraden, ebenen Flächen. Für seine gedruckten, metallischen Fassadenknoten aus Aluminium oder Stahl kann er zudem digital alle Berechnungen und Informationen erstellen, die für eine Bauzulassung beim Institut für Bautechnik nötig sind. „Wenn ich ein Projekt hätte, könnte ich sofort in dieser Weise bauen und würde auch die Zulassung dafür bekommen“, sagt er.

Die Digitalisierung ist auch im Baugewerbe in vollem Gange. Alamir Mohsen hat sich diesen Trend zunutze gemacht. 2018 hat der gebürtige Ägypter ein Start-up-Unternehmen gegründet und betreibt heute das Architektur- und Fassadenplanungsbüro „Lithium Architects GmbH“ in Frankfurt-Oberrad. „Wir sind das erste Planungsbüro weltweit, das eine technisch umfangreiche Lösung für freigeformte Fassaden und potenzielle weitere Anwendungen in der Bautechnik liefern kann“, betonen Mohsen und sein Mitarbeiter Dr. Holger Strauß.

Auszeichnung als „Kultur-Kreativpilot 2019“

Für die Erfindung des Fassadenknotens aus dem 3-D-Drucker, die mittlerweile auch patentiert ist, hat das Start-up am 12. November in Berlin von Claudia Dörr-Voß, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die Auszeichnung als „Kultur-Kreativpilot 2019“ erhalten. Das Team des TU-Doktoranden wurde in den vergangenen Monaten aus über 800 Bewerbungen ausgewählt. 96 Finalisten mussten sich einer Jury in Berlin, Hamburg, Köln und Stuttgart in mehrmaligen Auswahlgesprächen stellen. 32 von ihnen erhalten nun den Titel Kultur-Kreativpilot. Verbunden ist der Preis mit einem individuellen Mentoring-Programm für ein Jahr und dem Erfahrungsschatz eines weitverzweigten Experten-Netzwerkes der Kultur- und Kreativwirtschaft.

„Kultur-Kreativpilot 2019“ für „Lithium Architects“ : Alamir Mohsen (links) und Holger Strauß erhalten von Staatssekretärin Claudia Dörr-Voß die Urkunde überreicht.
„Kultur-Kreativpilot 2019“ für „Lithium Architects“ : Alamir Mohsen (links) und Holger Strauß erhalten von Staatssekretärin Claudia Dörr-Voß die Urkunde überreicht.

Alamir Mohsen kam vor rund zehn Jahren aus Kairo nach Deutschland. In den vergangenen fünf Jahren hat er an der TU Darmstadt an seiner Promotion bei Professor Ulrich Knaack im Fachgebiet Fassadentechnik am Institut für Statik und Konstruktion des Fachbereichs Bau- und Umweltingenieurwissenschaften gearbeitet. Der 33-Jährige vereint die Disziplinen Bauingenieurwesen, Fassadentechnik und Architektur in seiner Person und Arbeit. „Ich wusste schon als Kind, dass ich Architekt werden wollte“, sagt er. Seit dem Moment, als vor seinem Fenster in Kairo ein Neubau entstand und der Sechsjährige fasziniert den täglichen Baufortschritte verfolgte.

Ein Master-Studium im Ausland

Mit 16 Jahren ging Alamir Mohsen an die Universität in Kairo. Der hochbegabte Junge hatte in der Schule zwei Klassen übersprungen und auch sein Bachelor-Architekturstudium schloss er bereits mit 21 Jahren ab. Nach ein paar Praxisjahren als Architekt entschied er sich für ein Master-Studium im Ausland. Ein früherer Gastprofessor wollte ihn an die Stanford-University in Kalifornien holen, doch Mohsen entschied sich später für den internationalen Studiengang „International Facade Design and Construction“ an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold. Dort traf er auch Holger Strauß, einen der Dozenten seines Studiengangs, der heute zum inzwischen vierköpfigen Team von „Lithium Architects GmbH“ gehört.

Das Interesse an Mohsens Fassadenknoten-Erfindung ist groß. Er hat bereits Anfragen aus dem arabischen und auch amerikanischen Raum. Ein Drucker-Hersteller aus Großbritannien und ein Software-Unternehmen aus den USA unterstützen den jungen Wissenschaftler und Junggründer. Von der Auszeichnung der Bundesregierung erhofft sich Alamir Mohsen weiteren Auftrieb. Aktuell hat sich er sich auch für eine Professorenstelle beworben. „Ein eigenes Architektur-Büro und ein Lehrstuhl waren immer mein Traum“, sagt er.

Unterstützung der TU Darmstadt

Auch das Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST der TU Darmstadt, die zentrale Anlaufstelle für wissens- und technologiebasierte Gründer der Rhein-Main-Region, unterstützte die Aktivitäten von Alamir Mohsen: Ein Team beriet ihn bei der Umsetzung seiner Geschäftsidee, die Abteilung Intellectual Property- und Innovationsmanagement evaluierten die Erfindung organisierten nach dem positiven Abschluss die Patent-Anmeldung bei einer Fachkanzlei.

„Die Erfindung und das darauf basierende Gründungsvorhaben ist ein gutes Beispiel dafür, welcher Nutzen und Impact aus wissenschaftlichen Ergebnissen in Kombination mit einem Blick für Innovationspotenziale und Anwendungsmöglichkeiten erzielt werden kann“, sagt Deniz Bayramoglu, Leiter des Sachgebietes Intellectual Property und Innovationsmanagements der TU Darmstadt.