Erhebliche Umsatzeinbußen durch Datenfehler

Europaweites TU-Projekt erforscht Ursachen und Abhilfen

13.11.2019 von

Professor Christoph Glock.

Die automatisierte Steuerung der Lagerbestände gehört im Einzelhandel schon lange zum Alltag. Elektronische Systeme, die auf Nachfrage- und Bestandsinformationen basieren, erfassen das Sortiment und bestellen fehlende Produkte nach. Auf diese Weise sollen die Regale mit nachgefragten Waren für die Kunden immer rechtzeitig aufgefüllt sein. Doch welche ökonomischen Folgen hat es für die Einzelhandelsunternehmen, wenn das nicht der Fall ist, weil die Software auf fehlerhafte Daten zurückgreift? „Wir wollten wissen, wie es zu diesen Problemen im System kommt und wie sich das ganz konkret auf den Umsatz auswirkt“, erklärt Professor Dr. Christoph Glock, Leiter des Fachgebietes „Produktion und Supply Chain Management“ am Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt.

Gemeinsam mit zwei Master-Studierenden der TU sowie Fachkollegen der französischen EM Lyon Business School und der Cardiff University in Wales initiierte Glock ein internationales Forschungsprojekt. An dem sehr praxisorientierten Vorhaben beteiligten sich der europäische Branchenverband „Efficient Consumer Response“ aus Brüssel sowie acht große internationale Einzelhandelsketten mit Filialen in ganz Europa und den USA. Das Sortiment reicht von Lebensmitteln über Kleidung bis zu Elektronikwaren. Untersucht haben die Wissenschaftler über 100 Filialen mit mehr als einer Million Produktgruppen, um Zusammenhänge zwischen fehlerhaften Daten und Umsatzrückgängen abschätzen zu können. Dabei haben sie in der einen Hälfte der Filialen die Bestände tatsächlich durchgezählt, inventarisiert und Datenfehler korrigiert und mit den Daten der anderen, nicht kontrollierten Einzelhandelsgeschäfte verglichen. Ergebnis: Die Korrektur von Datenfehlern in der automatisierten Bestandssteuerung führt zu einer Umsatzsteigerung von sechs Prozent – bezogen auf das gesamte Artikelsortiment.

Häufiger Inventuren durchführen

Das Ergebnis hat selbst Experten wie Christoph Glock erstaunt. „Mögliche sechs Prozent mehr Umsatz ohne aufwendiges Marketing oder Rabatt-Aktionen ist sehr viel. Wir hatten mit ein oder zwei Prozent gerechnet“, betont er. Als mögliche Ursachen für die Datenfehler nennt der TU-Wissenschaftler fehlerhaftes Scannen an der Kasse, gestohlene Ware sowie verdorbene oder beschädigte Produkte, die nicht korrekt im Bestand rückverbucht werden. Dabei verursachen laut der Studie rund 15 Prozent der Artikel rund 70 Prozent der Datenfehler. Zumeist sind das Wein, Spirituosen, Gebäck, Tabak oder Gesundheits- und Beautyprodukte. „Unsere Ergebnisse haben außerdem gezeigt, dass im Durchschnitt etwa sechs Prozent der Produktgruppen gleichzeitig sehr umsatzstark und besonders von Bestandsabweichungen betroffen sind“, so Glock.

Wie sollte der Einzelhandel darauf reagieren? Verbesserungen sind mit einem überschaubaren Kostenaufwand möglich. Der TU-Wissenschaftler und seine europäischen Kollegen raten zu häufigeren Inventuren, um festzustellen, welche Produkte von Fehlmeldungen des Bestands besonders betroffen sind. „Das bringt am meisten“, so Christoph Glock. Zudem empfehlen sich Prozessverbesserungen an der Kasse, Diebstahlvorkehrungen und spezielle Mitarbeiterschulungen. „Die Korrektur der Bestandsdaten ist ein sehr wirksames Mittel zur Steigerung der Umsätze“, so sein Fazit. Interessant sei das ebenso für Online-Händler oder andere Branchen, wo die Problematik in ähnlicher Form auftrete, sagt der TU-Experte.

Webinar

Einzelhandelsunternehmen bietet die TU Darmstadt am 19. November ein Webinar an, bei dem online die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojektes vorgestellt und auch Fragen beantwortet werden. Das Interesse ist groß: 150 Unternehmen europa- und weltweit haben sich bereits angemeldet. Das Webinar ist auf Englisch. Anmeldungen sind noch möglich.