Wassersensitive Stadtgestaltung Down under

Der erste Ernst Ludwig-Stipendiat Simon Gehrmann erforscht vorbildliche Projekte

29.04.2020 von

Von Darmstadt nach Australien: Simon Gehrmann ist der erste Stipendiat des Ernst Ludwig Mobilitätsstipendiums. Er berichtet von seinem Forschungsaufenthalt in Melbourne, der sich an seine Promotion am Fachbereich Architektur anschloss.

„Wassersensitive Stadtgestaltung“, englisch Water Sensitive Urban Design oder kurz WSUD, ist ein Thema, welches im Kontext von Klimawandel und Ressourcenverknappung auch in unseren Breitengraden verstärkt diskutiert wird. Dabei geht es im Kern um die planerische Auseinandersetzung mit der Ressource Wasser auf verschiedenen Ebenen. Im Rahmen meiner Promotion „Resource Water“ habe ich die verschiedenen Ebenen um eine sehr verfahrenstechnische ergänzt, die ich vor allem während meiner Zeit an der TU Darmstadt durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Umweltingenieuren des Instituts IWAR kennengelernt habe.

Das Ernst Ludwig-Mobilitätsstipendium eröffnete mir die einmalige Chance, meine Forschung im Anschluss an die Promotion in einem Land fortzusetzen, welches WSUD seit über 30 Jahren maßgeblich prägt: Australien. Aufgrund der internationalen Lehr- und Forschungskooperation „Designing Resilience in Asia“ haben wir vom Fachgebiet Entwerfen und Stadtentwicklung gute Kontakte zur RMIT Universität in Melbourne, die von der Idee meines Forschungsaufenthaltes von Anfang an begeistert war: Die nachhaltigsten und modernsten WSUD-Projekte in Australien zu identifizieren, im Rahmen einer Buchveröffentlichung zu diskutieren und mögliche Übertragungsszenarien auf den europäischen Kontext zu erarbeiten.

Auf Tasmanien befinden sich mit die ältesten und größten Bäume der Welt, die zum Teil weit über 1000 Jahre alt sind.
Auf Tasmanien befinden sich mit die ältesten und größten Bäume der Welt, die zum Teil weit über 1000 Jahre alt sind.

60 nachhaltige Projekte untersucht

Im August 2019 habe ich Darmstadt verlassen, um meinen Arbeitsplatz für die nächsten sechs Monate nach Melbourne zu verlegen. Neben Recherchen in Literatur und den gängigen Fachforen waren es vor allem die spannenden und ergiebigen Diskussionen mit meinen australischen Kolleginnnen und Kollegen, die wertvolle Impulse für das Forschungsprojekt lieferten. Sie stellten auch den Kontakt zur Monash Universität in Melbourne her, die mit ihrer Forschungsgruppe um Professor Tony Wong für Water Sensitive Cities weltberühmt ist, und später auch zu den Verfahrenstechnikern der UTS in Sydney um Professorin Cynthia Mitchell, die aufgrund ihrer ingenieurtechnischen Leistungen als Pioniere auf dem Gebiet gelten.

Nach etwa acht Wochen hatten wir gemeinsam einen Katalog mit mehr als 60 Projekten erarbeitet, in deren Mittelpunkt die nachhaltige Gestaltung von Wasserkreisläufen in unterschiedlichen Maßstäben steht. Viele von ihnen gehören zu den innovativsten Vorhaben, die der australische Kontinent zu bieten hat. Einige Projekte, wie der Edinburgh Garden in Melbourne, bedienen sich vorrangig des Instruments der Landschaftsgestaltung, um ein Missverhältnis zwischen Mensch und Natur zu beheben. Andere Projekte, insbesondere Immobilienentwicklungen auf der grünen Wiese, verfolgen konsequent von Anfang an einen nachhaltigen Ansatz, so wie zum Beispiel Springfield Lakes in Brisbane. Darüber hinaus existieren eine Reihe von Beispielen, die mithilfe von High-Tech Lösungen die Latte der Nachhaltigkeit neu definieren, wie im McLaren Vale in Adelaide, wo es gelingt, aus Abwasser Wein herzustellen. Der Katalog nahm schnell die Form eines Manuskriptes an, mit dem Arbeitstitel „Repair. Prevent. Support.“

Wegen der verheerenden Waldbrände in Australien, konnte ich in den nächsten Wochen leider nur 23 der insgesamt 60 Projekte persönlich besuchen. Dort hatte ich aber Gelegenheit, mit relevanten Akteuren zu sprechen, die nicht nur ihre positiven Erfahrungen mit mir geteilt haben, sondern die Projekte auch sehr kritisch diskutierten. Die Dokumentation dieser Experteninterviews stellt eine vielversprechende Grundlage für die Fortführung des Projektes nach meiner Rückkehr an die TU Darmstadt dar.

Weitere Zusammenarbeit in Planung

Zum Abschluss meiner Forschungsreise kam meine Doktormutter Professorin Annette Rudolph-Cleff nach Melbourne. Neben erfolgversprechenden Gesprächen über strategische Partnerschaften, wurde auch der Grundstein für eine gemeinsame Antragstellung im Rahmen eines bilateralen Forschungsprojektes auf EU-Ebene gelegt, die noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden soll.

Ich habe in Darmstadt und in Australien umfangreiche Unterstützung bekommen und bin auf Menschen getroffen, die nicht nur ein hohes Interesse an „Repair. Prevent. Support.“ gezeigt haben, sondern dieses auch aktiv unterstützt haben, indem sie mir offene und ehrliche Einblicke in verschiedene Projekte gewährt haben. Die Erfahrungen haben mir noch einmal verdeutlicht, wie interessant und wichtig die planerische Schnittstelle zu Ingenieuren ist. Der interdisziplinäre Ansatz, der de facto all diesen Projekten zu Grunde liegt, ist die wichtigste Voraussetzung um unseren Wasserkreislauf nachhaltig zu schonen.

Ernst Ludwig-Mobilitätsstipendium

Das „Ernst Ludwig-Mobilitätsstipendium“ der Vereinigung von Freunden der Technischen Universität zu Darmstadt e.V. fördert die internationale Mobilität von herausragenden Postdocs der TU Darmstadt. Das Programm bietet Postdocs die Möglichkeit, im Rahmen ihrer Postdoc-Phase internationale Erfahrung zu erwerben, sich mit internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu vernetzen und ihre Fachkompetenzen komplementär zu erweitern.

In der ersten Runde erhielten neben Dr. Simon Gehrmann auch Dr. Raja Sangili Vadamalu (Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik) und Dr. Marco Tamborini (Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften) ein Stipendium, in der zweiten Auswahlrunde Dr. Shihab Al-Daffaie (Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik) und Dr. Martin Pozsgai (Fachbereich Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften). Anträge für die nächste Runde können bis zum 15. Mai eingereicht werden.