Wie wir lernten, Atome präzise zu sehen

Kavli-Preis für Physik-Professor Harald Rose und langjährige Forschungskollegen

27.05.2020

Die Norwegische Akademie der Wissenschaften hat die Kavli-Preisträger 2020 bekanntgegeben, die für bahnbrechende Entdeckungen in Astrophysik, Nano- und Neurowissenschaften geehrt werden. Den hochrenommierten, mit einer Million US-Dollar dotierten Kavli-Preis für Nanowissenschaften teilt sich Professor Harald Rose (TU Darmstadt und Universität Ulm) mit seinen langjährigen Kollegen Maximilian Haider, Knut Urban und Ondrej Krivanek.

Professor Harald Rose.

Es ist noch nicht lange her, dass Atomen fast etwas Mystisches anhaftete. Bis in die 1980er Jahre hatte sie niemand mit eigenen Augen gesehen. Kein Elektronenmikroskop war stark und exakt genug, um die unvorstellbar winzigen Bausteine der Materie sichtbar zu machen. Physiker versuchten vergeblich, die Abbildungsschärfe von Elektronenmikroskopen so weit zu verbessern, dass diese Atome auflösen konnten. Doch Professor Harald Rose gelang Ende der 1980er Jahre der Geniestreich, der die Atome und deren Wechselspiel für Elektronenmikroskope sichtbar machen sollte.

Der Wissenschaftler im Institut für Angewandte Physik der TU Darmstadt entwarf eine Art Brille für das Elektronenmikroskop, die jene fehlgeleiteten Elektronenstrahlen, die das Bild unscharf machten und verzerrten, auf die richtige Bahn lenkte. Zusammen mit Maximilian Haider, der bei Rose promovierte und die Firma CEOS GmbH gründete, und Knut Urban vom Forschungszentrum Jülich setzte Rose Theorie und Erfindung in die Praxis um. Auf Basis der immer weiter verfeinerten Erkenntnisse und Technologien realisierte Ondrej Krivanek das erste ultrapräzise Rastertransmissionselektronenmikroskop.

„Licht in eine Dimension gebracht, die wir vorher nicht sehen konnten“

Für ihre Leistungen erhielten Rose, Haider und Urban 2011 den höchst angesehenen Wolf-Preis. Nun also wird ihnen erneut eine überragende Auszeichnung zuerkannt für „aberrationskorrigierte Linsen für Elektronenmikroskope, mit denen Forschende auf der ganzen Welt in die Lage versetzt werden, die Struktur und chemische Zusammensetzung von Materialien in drei Dimensionen in bisher unerreichten Maßstäben abzubilden“. Laut Bodil Holst, Vorsitzender des Kavli-Preis-Komitees für Nanowissenschaften, haben die Wissenschaftler „Licht in eine Dimension gebracht, die wir vorher nicht sehen konnten“. Ihre Forschung und Technologie „haben die Industrie und unser Leben verändert“.

Über Harald Rose

Harald Rose, geboren 1935 in Bremen, studierte und promovierte an der TU Darmstadt. Nach mehrjährigen Forschungsaufenthalten in den USA übernahm Rose 1980 eine Professur am Institut für Angewandte Physik der TU Darmstadt, die er bis zu seiner Emeritierung 2000 innehatte. Seit 2010 ist Rose Senior-Professor an der Universität Ulm. Ein seit einigen Jahren alternierend an der TU Darmstadt und der Uni Ulm vergebener „Harald-Rose-Preis“ würdigt herausragende Abschlussarbeiten in Physik, Materialwissenschaften oder Chemie.

Über den Kavli-Preis

Der Kavli-Preis ist eine Partnerschaft zwischen der Norwegischen Akademie der Wissenschaften, dem norwegischen Ministerium für Bildung und Forschung und der Kavli-Stiftung (USA). Die Akademie vergibt alle zwei Jahre Preise im Gesamtwert von drei Millionen Dollar, eine Million für jedes der drei Wissenschaftsfelder. Die Norwegische Akademie der Wissenschaften wählt die Preisträger auf der Grundlage der Empfehlungen von drei Preiskomitees aus, deren Mitglieder von der Chinesischen und der Französischen Akademie der Wissenschaften, der Max-Planck-Gesellschaft Deutschlands, der US-amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften und der britischen Royal Society nominiert werden.

Preisverleihung

Die Kavli-Preisträger werden gewöhnlich in Oslo in einer Zeremonie unter dem Vorsitz seiner Majestät des norwegischen Königs Harald gefeiert, gefolgt von einem Bankett im Osloer Rathaus, wo auch der Friedensnobelpreis vergeben wird. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde die diesjährige Preisverleihung verschoben und soll zusammen mit der Preisverleihung 2022 im September 2022 stattfinden.

feu