Tutorielle Qualifizierung an der TU

„Eine digitale Orientierungswoche ist kein vollwertiger Ersatz, aber sie funktioniert“

28.10.2020

Eine wichtige Aufgabe des Arbeitsgebietes Schlüsselkompetenzen der Hochschuldidaktischen Arbeitsstelle (HDA) der TU Darmstadt ist die Qualifizierung von Tutorinnen und Tutoren für die Orientierungsveranstaltungen (OWO). Die Leiterin des Arbeitsbereichs, Dipl.-Kffr. Christiane Reese und ihre Mitarbeiterinnen Dr. Maria Clippard sowie Dr. Sandra Rieger berichten im Interview über ihre Arbeit im digitalen Wintersemester – eine besondere Herausforderung sowohl für die Verantwortlichen der OWO-Qualifizierung als auch die studentischen Hilfskräfte.

Digitales Lernen.

Die meisten Tutorinnen und Tutoren für die Orientierungsveranstaltungen arbeiten ehrenamtlich, ist es leicht, Studierende dafür zu begeistern?

Dipl.-Kffr. Christiane Reese: Es ist so, dass die Fachschaften die neuen Tutorinnen und Tutoren für die OWO-Phase selbst akquirieren. Aus unserer Erfahrung machen viele Studierende das gerne, weil sie die OWO selbst für wichtig erachten. Sie haben den Wunsch, die dort gemachten Erfahrungen und den motivierenden sowie informativen Einstieg in das Studierendenleben an die Neuen zu vermitteln.

Die Fachschaften und die Tutorinnen und Tutoren sind äußerst engagiert und machen sich Gedanken, wie sie die Studierenden so unterstützen können, dass sie einen guten Einstieg haben. Auch für unsere internationalen Studierenden gibt es Einführungsveranstaltungen.

Welche Inhalte werden den Tutorinnen und Tutoren vermittelt?

Dr. Sandra Rieger: Zu Beginn der Qualifizierung sollen sich die Tutorinnen und Tutoren noch einmal in die Situation der Erstsemesterstudierenden hineinversetzen. Was sind die Herausforderungen in der Studieneingangsphase generell und welche bringt die digitale Situation mit sich? Wir gehen zudem darauf ein, was die Rolle und Aufgaben der Tutorinnen und Tutoren sind.

Dr. Maria Clippard: Uns ist dabei enorm wichtig, dass die Tutoren und Tutorinnen sich ihrer Verantwortung gegenüber der TU und ihrem Fachbereich bewusst sind. Sie sind zum Teil eines der ersten Gesichter, welche die Erstsemesterstudierenden mit der TU verbinden.

Rieger: Wir vermitteln ihnen auch, dass sie den Erstsemestern wertschätzend und offen gegenübertreten. Ein zentraler Punkt der Schulung sind die Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den Studierenden im digitalen Setting. Wir gehen darüber hinaus auf schwierige Situationen ein, die auftreten können und überlegen uns gemeinsam Lösungsstrategien. Und wir sensibilisieren für die Themen Gender und Diversität.

Clippard: Wir thematisieren auch den Stundenplanbau und simulieren hier ein Informationsgespräch der Tutorinnen und Tutoren mit ihren Erstsemestern in Kleingruppen.

Welche Schlüsselkompetenzen sind wichtig für zukünftige Tutorinnen und Tutoren?

Clippard: Soziale Kompetenzen liegen im Fokus. Die Anleitung von Gruppen ist ein wichtiges Thema und die dazu notwendige Empathie um jeden miteinzubeziehen. Aber auch das Selbstbewusstsein und die Selbstsicherheit wird in den Schulungen gefördert. Insbesondere wird die Problemlösekompetenz weiterentwickelt: Wie gehe ich damit um, wenn in der Woche Schwierigkeiten auftreten? Dabei ist Kommunikationsfähigkeit das A und O, einschließlich einer Sensibilität für Gender und Diversität.

Welche besondere Herausforderung stellt das digitale Semester für Ihre Arbeit dar?

Reese: Das Thema Vernetzung ist ein wichtiger Bestandteil, um während des digitalen Semesters gemeinsam studieren zu können. Zusätzlich muss die Motivation für das Semester ohne Präsenz aufrechterhalten werden. Dafür ist insbesondere viel Eigenverantwortlichkeit gefragt.

Clippard: Wir haben uns im letzten halben Jahr viel mit interaktiven Tools beschäftigt um die Vernetzung der Studierenden untereinander zu fördern. Dabei haben wir einige gefunden, die man sehr gut für die OWO verwenden kann.

Rieger: Die Studierenden kommen bei interaktiven Aufgaben – etwa wenn sie ein Rätsel oder Quiz gemeinsam lösen oder digital etwas mit anderen zusammen gestalten – digital miteinander ins Gespräch und lernen sich dabei besser kennen.

Reese: Zum Beispiel empfehlen wir die Nutzung von vielen kleinen „Break out Sessions“, um sich digital in Kleingruppen auszutauschen. Auch regen wir an den Chat, der parallel läuft, zur Vernetzung zu verwenden.

Clippard: Wichtig ist, dass man sich Gedanken dazu macht, wie ein optimaler Mix aus reinem Input und gemeinsamen Erarbeiten in der Kleingruppe gestaltet wird. Dabei müssen Möglichkeiten gefunden werden, die besprochenen Ergebnisse festzuhalten. Nur so können Handouts und Protokolle verschickt werden. Unsere Devise in den Schulungen war, weniger ist mehr. Denn im Digitalen braucht alles mehr Zeit.

Rieger: Genau. Und nach etwa 60 Minuten ist der Kopf voll, da nimmt die Konzentration stark ab. Dann ist es in jedem Fall sinnvoll, eine Pause zu machen.

Reese: Als wir damit konfrontiert wurden, dass wir die Schulungen nicht in Präsenz machen können, dachten wir zunächst, dass dies unmöglich sei. Unsere Schulungen leben davon, dass wir miteinander in Kommunikation stehen und wir voneinander lernen.

Jetzt mit den gesammelten Erfahrungen sehen wir, dass doch einiges möglich ist. Aber es bleibt eine Herausforderung. Man muss differenzierter kommunizieren. Der persönliche Kontakt ist ein anderer und muss im Digitalen teilweise neu hergestellt werden. Das betrifft sowohl die Qualifizierung als nachher auch die OWO selbst. Auf der anderen Seite müssen wir aber sagen, es geht doch viel und funktioniert erstaunlich gut. Wir sind positiv überrascht über die doch vielfältigen Vernetzungsmöglichkeiten, die uns die digitalen Tools liefern.

Die Fragen stellte Martina Schüttler-Hansper.

Fest entschlossen, online Kontakte zu knüpfen

Wir haben Tutorinnen und Tutoren, die sich in den Orientierungswochen engagieren, befragt: Was motiviert Euch? Und welche besondere Herausforderung stellt das digitale Semester für Eure Arbeit dar?

Ich bin immer wieder gerne OWO-Tutor, weil ich den Mechanismus unterstützen möchte, der mich am Anfang des Studiums so unterstützt hat: Ich habe den Fachbereich Physik als sehr vernetzt erlebt, insbesondere auch die Studierenden untereinander. Dieses „Man-kennt-sich-Gefühl“ ist sehr hilfreich, zum Beispiel wenn man kurzfristig ohne Lerngruppe dasteht. Dieses Gefühl bekommt man zum ersten Mal in der OWO: einfach dazugehen, einfach dazugehören, einfach über Physik reden.

Die große Herausforderung im digitalen Studienstart sehe ich auch genau bei der Herausbildung des „Man-kennt-sich-Effektes“: Sich online kennenzulernen bedeutet, Gestik und Mimik des anderen nur zweidimensional zu erleben. In Online-Vorlesungen entfällt der Smalltalk über die Übungsaufgaben vor und nach der Vorlesung oder in der Pause, auch Humor entfaltet sich anders, wenn alle Mikrofone stumm sind. Bei der Überwindung dieser Hürden sollen wir OWO-Tutoren helfen, ohne selbst viel Erfahrung damit zu haben, darin sehe ich eine große Aufgabe.

Das erste Semester ist mit das schwierigste. Ich möchte den Erstsemestern den Einstieg so leicht wie möglich machen und meine Erfahrungen weitergeben, so dass auch sie Erfolg an der TU Darmstadt haben werden.

Die außergewöhnliche Situation durch Corona erschwert den Einstieg enorm. Mein Ziel ist trotzdem, Spaß am Studium erzeugen zu können. Die größte Herausforderung liegt darin, dass man sehr schwer digital persönliche Kontakte aufbauen kann und dadurch schwieriger auf die Erstsemester eingehen kann.

Ich habe nun schon während drei Tutorenjobs Erstsemester in ihren ersten Wochen oder ihrem ersten halben Jahr begleitet und finde es spannend, das auch in diesem etwas anderen Jahr zu tun. Es wichtig, dass die Erstis vor allem in der ersten Zeit ein Gesicht als Orientierung haben, an das sie sich mit allen möglichen Fragen wenden können und es macht mir Spaß, mein Wissen weiterzugeben.

Herausfordernd ist ganz eindeutig die fehlende Möglichkeit, sich persönlich auszutauschen und face-to-face mit den neuen Erstsemestern zu kommunizieren. Bei meinen vorangegangenen Tätigkeiten als Tutor habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, in der ersten Zeit ein Gefühl für die jeweils andere Person zu bekommen und sich somit kennenzulernen und aufeinander einzustellen. Ich bin mir sicher, wir schaffen das dieses Jahr genauso, aber es wird eine deutliche Umstellung und Herausforderung für alle Beteiligten sein.

Zahlen und Fakten

Vom 21. September bis 23. Oktober wurden in 19 Schulungen rund 180 Tutorinnen und Tutoren ausgebildet. Durch das digitale Semester waren es dieses Jahr so viele wie nie zuvor. Die OWO-Qualifizierung findet in Kleingruppen statt und dauert fünf Stunden.

Link-Tipps für Erstsemester:

Unter „einfachsTUdieren“ finden Erstsemester aller Fachbereiche Informationen rund um die Themen Übergang ins Studium sowie Studium im digitalen Wintersemester.

Wie der Studienstart gelingt, erfahren Erstsemester in der Orientierungswoche (OWO) der TU Darmstadt und auf der begleitenden Info-Seite.