Expertin für magnetische Nanopartikel

Kurt-Ruths-Preis 2021 für Dr. Anne-Marie Zieschang

02.03.2021 von

Die besten Chemikerinnen und Chemiker beherrschen Theorie wie Praxis aus dem Effeff – fachlich fit und äußerst geschickt im Umgang mit komplizierten Apparaturen und reaktiven Reagenzien. Die 29-jährige Anne-Marie Zieschang ist Chemikerin par excellence. Das bewies sie mit ihrer Doktorarbeit, für die ihr der Kurt-Ruths-Preis 2021 zuerkannt wurde. Die Auszeichnung würdigt Zieschangs Beitrag auf einem zukunftsträchtigen Gebiet: der Herstellung magnetischer Nanopartikel.

Dr. Anne-Marie Zieschang im Labor.

Hochleistungsmagnete stecken in Smartphones, E-Autos, Windkraftanlagen und vielem mehr. Das Problem: Meist enthalten sie knappe und bedenkliche Metalle. Für die Energiewende sei es unerlässlich, schreibt Zieschang in ihrer von Chemieprofessorin Barbara Albert betreuten Doktorarbeit, „magnetische Phänomene von Grund auf zu verstehen und die Weiterentwicklung magnetischer Materialien voranzutreiben“. Große Hoffnungen setzen Forschende weltweit in Nanopartikel. Aber wie genau wirkt sich die Winzigkeit der Teilchen auf ihre magnetischen Eigenschaften aus? „Um diesen Größeneffekt zu untersuchen, braucht man extrem saubere Nanopartikel“, erklärt Zieschang. Und genau die hat sie hergestellt, darunter vor allem Verbindungen aus Metallen wie Eisen oder Chrom mit Stickstoff, im Fachjargon als Übergangsmetallnitride bezeichnet.

Apparatur selbst ergänzt

Für die Synthese arbeitete Zieschang mit flüssigem Ammoniak, einem unkonventionellen Lösungsmittel, und unter Luftausschluss, denn die von ihr hergestellten Nanoteilchen vertragen weder Sauerstoff noch Feuchtigkeit. Experimentelles Geschick ist bei solchen Umsetzungen zwingend nötig. Wenn Zieschang für ihre Apparatur ein spezielles Plastikteil benötigte, stellte sie es übrigens kurzerhand zuhause mit einem 3D-Drucker her. „Das ist mein Hobby“, sagt die Chemikerin, die sich mit CAD-Software zum Erstellen der Druckdateien ebenfalls auskennt.

Kreativität bewies Zieschang auch beim Versuch der Synthese von Samarium-Cobalt-Verbindungen, denen sie in ihrer Arbeit ein eigenes Kapitel widmet. Hierbei arbeitete sie mit dickwandigen Glasampullen, die mit den Reagenzien befüllt und für die Durchführung der Reaktion zugeschmolzen werden. Die Technik beherrschen weltweit nur wenige Forschergruppen. Zieschang ließ sie sich an der Philipps-Universität Marburg in der Arbeitsgruppe von Professor Florian Kraus beibringen.

Hinaus in die Welt

Ungewöhnliche Wege ging die Kurt-Ruths-Preisträgerin schon in ihrer Jugend. Aufgewachsen in Darmstadt, erlangte sie die Allgemeine Hochschulreife 2008 im australischen Brisbane. Den eigentlich für sechs Monate geplanten Aufenthalt verlängerte sie auf eineinhalb Jahre und schloss die Schule dort ab. Ihre Doktorarbeit führte sie ebenfalls mehrmals ins Ausland: An der University of California in Santa Barbara charakterisierte sie die magnetischen Eigenschaften der Nanopartikel, am indischen Jawaharlal Nehru Centre for Advanced Scientific Research wiederum untersuchte sie die katalytische Wirkung der winzigen Teilchen bei der Wasserelektrolyse, die für die Gewinnung von Wasserstoff mit Sonnenenergie eine Schlüsselrolle spielt.

Für die Nanopartikel gebe es verschiedenste Anwendungen, sagt Zieschang. Dass aber genau die von ihr entwickelten Teilchen praktische Verwendung finden, hält sie wegen deren Luftempfindlichkeit für eher unwahrscheinlich. Hier müssen jetzt andere weiterforschen, denn Zieschang wechselte in die Industrie. Beim Chemiekonzern BASF leitet sie seit vergangenem Jahr ein Laborteam, das sich mit anorganischen Materialien beschäftigt.

Infobox: Kurt-Ruths-Preis

Der mit 12.000 Euro dotierte Kurt-Ruths-Preis 2021 geht zu gleichen Teilen an Dr. Anne-Marie Zieschang und Dr.-Ing. Anna Wagner , die im Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwissenschaften der TU Darmstadt promoviert wurde.

Der seit 1989 jährlich verliehene Kurt-Ruths-Preis würdigt herausragende wissenschaftliche Leistungen aus den Fachbereichen Architektur, Bau- und Umweltingenieurwissenschaften sowie Chemie und wird an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der TU Darmstadt verliehen. Der Preis geht zurück auf Kurt Ruths, den langjährigen Sprecher der Geschäftsführung der Braas-Gruppe.