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Start-up Lylu öffnet älteren Menschen den Weg in die digitale Welt

30.03.2021 von

Den Kontakt zur Familie halten, einkaufen, Volkshochschulkurse besuchen, Filme schauen oder einen Impftermin vereinbaren: Auch für ältere Menschen verlagert sich der Alltag spätestens seit der Coronakrise immer mehr ins Digitale. Damit sie sich dort selbstsicher bewegen können, hat das vom TU-Gründungs- und Innovationszentrum HIGHEST gecoachte Start-up Lylu eine neue App auf den Markt gebracht. Sie vereinheitlicht die Nutzung gängiger Webseiten und Dienste – eine Innovation für mehr digitale Teilhabe.

Lylu-Gründungsteam Felix Beinenz, Vitalij Hilsendeger und Sebastian Felger und Lea Fonteyne, die das Marketing verantwortet.

Für die drei Erfinder der Lylu-App ist es „ein wirklich gutes Gefühl“. Gerade haben sie mit ihrem neuen Dienst ein flexibles Produkt auf den Markt gebracht, das genau den Nerv der Zeit trifft. „Seniorinnen und Senioren macht der Umstand, dass jede Internetseite, jede App anders aussieht, den Zugang zum Internet unheimlich schwer“, erläutert Mitgründer Felix Beinenz.

„Sind die Ängste vor der neuen Technologie jedoch überwunden und die Zugangshürden erfolgreich genommen, unterscheidet sich die ältere Generation mit ihrem Nutzungsverhalten kaum von der jüngeren“, beobachten Beinenz und seine beiden Mitgründer Vitalij Hilsendeger und Sebastian Felger. So lernten ihre teils hochbetagten Probandinnen und Probanden zum Beispiel schnell die Vorteile von YouTube schätzen – nicht nur als Alternative zu den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender, sondern auch als Erklärhilfe etwa für den neuen Induktionsherd.

Bekannte Dienste, konsequent vereinheitlicht

Benutzeroberfläche der Lylu-App.
Benutzeroberfläche der Lylu-App.

„Unsere App öffnet den Flaschenhals, der vielen älteren Menschen bislang den Weg in die digitale Welt versperrt hat“, sagt Wirtschaftsingenieur Beinenz. Das Erfolgsrezept, das das Spin-Off der TU Darmstadt von anderen Anbietern seniorengerechter Digitaltechnologie abhebt: Es setzt auf bereits bekannte Dienste statt auf eine eigene Insellösung und verschmilzt konsequent die verwirrende Vielfalt zu einer überschaubaren, gut wiedererkennbaren Bedienungsoberfläche. Einmal damit vertraut können Nutzerinnen und Nutzer das Gelernte auf jede App und Website übertragen.

Hinter dem neuen Service, der seit einigen Wochen im Abonnement für Android Tablets und iPads erhältlich ist, steckt eine Menge Entwicklungsarbeit. „Wir mussten jede Funktion abgreifen, um die verschiedensten Dienste einzubinden“, berichtet Vitalij Hilsendeger. So arbeitete sich das Lylu-Team von Mock up zu Mock up, von Test zu Test und von Feedback zu Feedback vor bis zum ersten klickbaren Prototyp und schließlich zu der Benutzeroberfläche, die jetzt im Einsatz ist.

Unterstützung, die Gold wert war

Das Team hat sich mit dem Älterwerden intensiv auseinandergesetzt.
Das Team hat sich mit dem Älterwerden intensiv auseinandergesetzt.

Doch nicht nur technologisch standen die drei Gründer immer wieder vor riesigen Herausforderungen, seit Maschinenbauingenieur Hilsendeger sich 2017 zum ersten Mal Gedanken darüber machte, wie man die Großelterngeneration besser am digitalen Fortschritt teilhaben lassen kann. „Am Anfang hat man eine tolle Idee, aber dann wird man von der Realität knallhart eingeholt“, erinnert sich Beinenz. Jeden Tag stellen sich neue Fragen. Was ist rechtlich möglich? Und wie findet man die richtige Geschäftsstrategie? Wie sollen wir uns finanzieren?

„Wir mussten alles von Null auf neu lernen“, sagt Hilsendeger heute. Auf dem Weg von der Wissenschaft in die Selbstständigkeit fanden die drei Gründer bei HIGHEST nach seinen Worten Unterstützung, die „Gold wert war.“ Das Beratungsteam begleitete die Jungunternehmer durch alle Höhen und Tiefen der Antragstellung für ein EXIST-Gründerstipendium. Und es vermittelte immer wieder Experten, die mit ihrem Know-how halfen, juristische und unternehmensstrategische Fragen zu klären.

Hartnäckig sein

Nach dem Auslaufen der EXIST-Förderung war die Lylu GmbH ab Sommer 2020 zunächst auf sich allein gestellt. Obwohl die Akquise angesichts der Coronakrise zum Teil schleppend lief, hat das Start-up diese Durststrecke gut hinter sich gebracht. Mittlerweile sind private Investoren mit verschiedenen Expertisen an Bord, die an die Gründer und ihre Geschäftsidee glauben und Lylu mit einer Seed-Finanzierung in sechsstelliger Höhe unterstützen. Erste eigene Einnahmen sollen folgen. Zum einen aus dem Abonnement-Verkauf, zum anderen aus den Provisionen der Internet-Unternehmen, die bei Lylu andocken.

„Hartnäckig sein und dranbleiben. Beim ersten Mal klappt vieles manchmal nicht“, empfiehlt Felix Beinenz mit Blick auf die Erfahrungen der letzten Jahre. Auf dem Programm steht nun, weitere Dienste zu implementieren, das B-to-B-Geschäft weiter anzukurbeln und die App startklar zu machen für andere mobile Endgeräte. Wie schnell Lylu tatsächlich skalieren kann wird die Auswertung der Zahlen aus den ersten Aboverkäufen zeigen.

Meilensteine

  • Mai 2019 bis Juli 2020
    Förderung über ein EXIST-Gründerstipendium
  • Januar 2020
    Gründung der Lylu GmbH
  • September 2020
    Teilnahme am Online Matching der Business Angels FrankfurtRheinMain (BA FRM)
  • Oktober 2020
    Erfolgreicher Abschluss der Seed-Finanzierung
  • November 2020
    Finalist des Hessischen Gründerpreis 2020 in der Kategorie „Gesellschaftliche Wirkung“
  • Februar 2021
    Start in den Markt

Das leistet HIGHEST für Lylu

- Erstberatung ab Frühsommer 2018

- Bezug EXIST-Gründerstipendium von Mai 2019 bis April 2020 plus Aufstockung (wegen Corona-Pandemie) bis Juli 2020 für insgesamt 153.000 Euro. Betreuung und Unterstützung durch HIGHEST während der gesamten Laufzeit

- EXIST-Zwischenpräsentation mit Experten aus dem Netzwerk, Vertrieb & Softwarelösungen

- Workshops und Einzelcoachings

- Vermittlung an das Netzwerk (potentielle Investoren/Business Angels) und Feedback zu Investoren-Pitch-Deck

- Ende der Beratung Oktober 2020, seitdem als HIGHEST Alumni im Netzwerk

Innovations- und Gründungszentrums HIGHEST