„Die Perspektiven der Geflüchteten bereichern die Universität“

Fünf Jahre Zentrale Koordinierungsstelle für Flüchtlingsintegration

09.04.2021 von

Die TU war eine der ersten Hochschulen, die mit gezielten Angeboten Geflüchteten einen Weg in die Hörsäle ebnete. Heute bringt die Zentrale Koordinierungsstelle für Flüchtlingsintegration (ZKF) ihre gesammelten Erfahrungen auf vielfältige Weise in die Universität und die Arbeit mit internationalen Studierenden ein.

Seit 2016 ebnet die zentrale Koordinierungsstelle Geflüchteten den Weg.

Als 2015 viele geflüchtete Menschen nach Darmstadt kamen, reagierte das Präsidium der TU Darmstadt schnell und entschlossen auf die besondere Lage. „Wir tun was“ nannte sich die Initiative, die TU-Kanzler Dr. Manfred Efinger anstieß, weil sich rasch abzeichnete, dass viele der Neuankömmlinge Interesse an einem Studium haben würden. Die Universitätsleitung gab finanzielle Mittel für erste Sprachkurse, Zeugnisberatungen und Campusbesichtigungen frei. Aus dem Projekt wurde bald mehr: Die Zentrale Koordinierungsstelle für Flüchtlingsintegration (ZKF) am Dezernat Internationales wurde gegründet und nahm 2016 ihre Arbeit auf. Schnell füllten sich daraufhin die Flure des Dezernates mit geflüchteten Menschen, die sich über Studienmöglichkeiten informieren wollten.

Es waren vor allem junge, gut ausgebildete Menschen, die es an die TU drängte, weil sie in ihrer Heimat schon an einer Universität eingeschrieben waren oder jetzt ein Studium beginnen wollten. „Für sie wollten wir etwas auf die Beine stellen“, sagt Aaron Szczerba, Koordinator für Flüchtlingsintegration und Scholars at Risk in der ZKF. Dabei ging es vor allem um zwei Anliegen: Denjenigen, die in der Heimat ihr Studium abbrechen mussten, sollten Wege für eine Fortsetzung aufgezeigt werden. Und neue Studieninteressierte sollten die notwendigen Qualifikationen nachholen und vor allem auch die Sprache lernen können. Ziel war, so Benedetta Gennaro, Sachgebietsleitung International Student Services und Flüchtlingsintegration, den jungen Menschen den Studienstart zu erleichtern, eine Perspektive und Selbstvertrauen zu vermitteln.

Ich hatte keine Ahnung, welche Wege für meinen zukünftigen Bildungsweg offenstehen, und an diesem Punkt hat mir die ZKF eine Orientierung und – am wichtigsten – Mut gegeben, um meine Zukunft zu planen. Als internationale Studentin hatte ich Schwierigkeiten beim Studienanfang und habe sie immer noch, aber ich fühle mich nicht allein mit meinen Problemen, weil die ZKF viele Angebote für ausländische Studierende anbietet und darauf aufmerksam macht. (Büsra – Studentin im B.A. Pädagogik)

Was tut die ZKF für die Geflüchteten?

Zwei Beschäftigte in Voll- und Teilzeit und vier studentische Hilfskräfte arbeiten heute für die Anlaufstelle. „Wir haben viel erreicht“, ziehen Aaron Szczerba und Benedetta Gennaro nach fünf Jahren Bilanz. Insgesamt 2.073 Studieninteressierte hat die ZKF seither beraten, einen Großteil davon intensiv und über einen längeren Zeitraum. „Und die Nachfrage ist noch immer hoch“, so der Koordinator. Statt aus Syrien kommt die Mehrzahl der Geflüchteten, die die ZKF unterstützt, heute aus der Türkei.

In der Anfangszeit stellte sich vor allem eins heraus: Es fehlte den jungen Menschen an Orientierung, sich im deutschen Bildungssystem zurechtzufinden. Die ZKF bot und bietet daher regelmäßige Informationsveranstaltungen und Zeugnisberatungen an. „Wir schauen uns die Dokumente an, zeigen die unterschiedlichen Wege an die Universität auf und welche Alternativen es gibt“, sagt Aaron Szczerba. Das kann neben einem Bachelor- und Masterstudium auch das Studienkolleg sein oder eine Berufsausbildung, die später den Hochschulzugang ermöglicht. Die sogenannte Campusorientierung ist ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit der ZKF und dient als erstes, orientierendes Modul. „Das war eine der besten Ideen, und wir als TU waren die Ersten, die das in Hessen angeboten haben“, freut sich Benedetta Gennaro über den Erfolg.

Ein zentraler Bestandteil sind die studienvorbereitenden Kurse mit sprachlichem Schwerpunkt, die in Zusammenarbeit mit dem Sprachenzentrum der TU speziell entwickelt und täglich über mehrere Monate hinweg angeboten werden. 78 Sprachkurse konnten seit Bestehen angeboten werden, vier Kurse in jedem Quartal, an denen pro Jahr rund 150 Studieninteressierte teilnehmen.

Ein Blick in die Zukunft

Intensives Netzwerken nach innen und außen ist Teil der Integrationsarbeit. „Alleine könnten wir das nicht stemmen“, sagt Szczerba. Die ZKF arbeitet mit zahlreichen Stellen innerhalb und außerhalb der TU zusammen. Von 2017 bis 2019 floss die Erfahrung der ZKF auch in das europaweite Projekt EUCRITE, das European Center for Refugee Integration in Higher Education, ein. Es ging um den gemeinsamen Aufbau von Strukturen, um an Hochschulen europaweit besser vorbereitet zu sein auf die Arbeit mit Geflüchteten.

Szczerba spricht von einer Änderung des Blickwinkels. „Wie können wir als Mitarbeitende den Prozess für die Geflüchteten vereinfachen?“, beschreibt er den Ansatz. So wurden etwa Fragenkataloge erarbeitet und verschiedene Trainingsmodule konzipiert, etwa zum Thema Diversität und Inklusion – ein Angebot, das heute auch noch nach dem Ende von EUCRITE angewandt wird.

2018 wurden die International Student Services und die ZKF in einem Sachgebiet zusammengefasst. Internationale und geflüchtete Studierende werden in allen Bereichen „zusammen gedacht“, sagt Szczerba. „Unsere Arbeit ist keine Einbahnstraße“, betont Benedetta Gennaro. „Die Erfahrungen und Perspektiven der Geflüchteten bereichern die TU. Es ist ein zusätzlicher Wert, den sie einbringen.“ Die gewonnenen Erfahrungen und Expertisen der ZKF sollen zukünftig verstärkt in weitere Projekte einfließen, die sich dem Thema Diversität aus internationaler Perspektive widmen – beispielsweise ganz aktuell im Unite! Network for Inclusion.

Ohne die Hilfe der ZKF hätte ich es nie geschafft, in so kurzer Zeit einen Studienplatz zu finden. Auch nachdem ich mein Studium begonnen hatte, stand mir das Team mit jeder Art von Rat zur Seite. (Ahmad – Student im B.Sc. Informatik)

Die ZKF und die angebotenen Maßnahmen werden aktuell zu hundert Prozent über Projektdrittmittel, sprich Programmfördermittel, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und des hessischen Wissenschaftsministeriums finanziert. Planungssicherheit wünscht sich die Sachgebietsleiterin für die Zukunft. „Wir sind mittlerweile nicht mehr nur eine zentrale Koordinierungsstelle und ein einzelnes Projekt, sondern ein strukturiertes Kompetenzzentrum“, betont Benedetta Gennaro.

Themenschwerpunkt „Zentrale Koordinierungsstelle für Flüchtlingsintegration an der TU Darmstadt“ in der hoch³ 2/2021