Neue Arzneien gegen Coronaviren und Körpergewebe aus dem 3D-Drucker

Weitere Projekte im Rahmen des Pioneer Fund bewilligt

13.04.2021 von

Mit dem gemeinsamen Innovationsförderprogramm Pioneer Fund unterstützen die TU Darmstadt und das Entega NATURpur Institut den Transfer von der Forschung in die Praxis seit 2017 mit insgesamt 600.000 Euro jährlich. Mit zwei Projekten zur Gesundheitsforschung startet der Pioneer Fund jetzt in seine achte Runde.

Professor Dr. Felix Hausch leitet das Projekt CoMaProtInhib.

Die derzeitige Pandemie verliefe weitaus weniger dramatisch, wenn Medikamente zur Bekämpfung von Sars-CoV-2 und seiner Mutanten zur Verfügung stünden. In dem jetzt bewilligten Pioneer-Fund-Projekt CoMaProtInhib beschäftigt sich ein Team um Professor Dr. Felix Hausch vom Clemens-Schöpf-Institut für Organische Chemie und Biochemie der TU Darmstadt mit neuen Wirkstoffen gegen Coronaviren. CoMaProtInhib steht für „Coronavirus Main Protease Inhibitor“, denn die Wissenschaftler forschen an Substanzen, die ein bestimmtes Enzym, die sogenannte Hauptprotease, hemmen. Ohne dieses Enzym können sich die Viren in den Wirtszellen nicht vermehren. Bei dem Hemmstoff wird es sich um ein kleines Molekül handeln, das gut in die Zellen gelangt, dort an die Protease bindet und sie so inaktiviert.

Breitband-Wirkstoffe für die Pandemiebekämpfung

„Wir kennen die räumliche Struktur der Protease und wissen auch, wo ein Hemmstoff angreifen muss“, erklärt Hausch. Allerdings sei die molekulare Gestalt des Enzyms eine Herausforderung: „Die Angriffsstelle ist relativ offen.“ Hausch vergleicht das Andocken des Hemmstoffs mit dem Klettern an einer steilen Wand ohne Stufen. Mit derart komplizierten Angriffszielen für neue Medikamente kennen sich die TU-Biochemiker bereits bestens aus. Bislang haben sie vorrangig an Mitteln gegen Depressionen, chronische Schmerzen und Fettleibigkeit geforscht. Die dafür entwickelten Methoden des Wirkstoffdesigns wollen sie jetzt im Pioneer-Fund-Projekt einsetzen. Dass sie sich dabei auf die Hauptprotease als Zielmolekül konzentrieren, hat zwei Gründe: Zum einen neigt dieses Enzym nicht zu Mutationen – Resistenzen sind daher kaum zu befürchten. Zum anderen besitzen Hemmstoffe der Hauptprotease eine Breitbandwirkung, denn sie bekämpfen nicht nur Sars-CoV-2, sondern auch andere Coronaviren.

Die Archillisferse von Corona-Viren? Schema einer SARS-CoV2-infizierten Zelle mit der Kristallstruktur der Hauptprotease (Main Protease) von SARS-CoV2 inhibiert durch die Modellsubstanz Boceprevir (PDB-ID: 6WNP).
Die Archillisferse von Corona-Viren? Schema einer SARS-CoV2-infizierten Zelle mit der Kristallstruktur der Hauptprotease (Main Protease) von SARS-CoV2 inhibiert durch die Modellsubstanz Boceprevir (PDB-ID: 6WNP).

CoMaProInhib begann am 1. April. „Für die Bewältigung der aktuellen Pandemie ist das zwar viel zu spät“, sagt Hausch. Aber eine derart dramatische Lage, wie sie jetzt durch Sars-CoV-2 ausgelöst wurde, gelte es zukünftig zu verhindern. Antivirale Breitband-Medikamente sind dafür dringend erforderlich.

3D-gedrucktes Gewebe mit feinen Blutgefäßen

Menschliche Organe aus dem 3D-Drucker sind zwar noch eine Zukunftsvision, aber einfache Teilgewebe stellen Forscher um Professor Dr.-Ing Andreas Blaeser, Leiter des Instituts für BioMedizinische Drucktechnologie im Fachbereich Maschinenbau der TU Darmstadt, bereits so her. Sie verwenden dafür gelartige Biotinten, denen sie menschliche Zellen untermischen. Da der 3D-Drucker mehrere Druckköpfe besitzt, lassen sich lebende Strukturen aus verschiedenen Zellen in gewebetypischer, räumlicher Anordnung drucken. Die so erzeugten Gewebevorläufer können zukünftig zum einen als Implantat dienen, zum anderen lässt sich daran die Wirkung von neuen Arzneistoffen und anderen Substanzen testen – als Alternative zu Tierversuchen. Besonders praktisch für solche Studien sind sogenannte Organ-on-a-chip-Systeme. Hierbei werden Gewebe, die eine Teilfunktion komplexer Organe wie der Leber oder der Niere abbilden, in einen mikrofluidischen Chip gedruckt und dort unter speziellen Bedingungen kultiviert. „Mit einem solchen System kann man zum Beispiel untersuchen, wie Abbauprodukte einer Substanz, die in der Leber verstoffwechselt wird, auf die Niere wirken“, erklärt Blaeser.

„Wir unterstützen in der 8. Runde des Pioneer Funds Projekte aus der Gesundheitsforschung mit einer hohen gesellschaftlichen Relevanz. Bei einer möglichen späteren Überführung in die Praxis profitieren sowohl Wissenschaft und Wirtschaft wie auch die Gesellschaft und jeder betroffene Patient.“ (Harald Holzer, Geschäftsführer von HIGHEST)

Entscheidend für die Versorgung und Funktionsfähigkeit des gedruckten Gewebes ist ein intaktes Gefäßnetz. Dessen Herstellung aber ist eine Herausforderung. „Der 3D-Druck bietet hier eine gute Lösung“, betont Blaeser. Die TU-Forscher geben der Biotinte entweder gefäßbildende Zellen zu, die während einer Reifezeit feine Kapillaren formen, oder sie sparen beim Drucken Gefäßhohlräume aus, die sie anschließend mit Zellen auskleiden.

In dem Pioneer-Fund-Projekt VascuTISS, das am 1. Juni startet, wollen Blaeser und seine Mitarbeiter neue Biotinten testen, die auf einer Mischung aus natürlichen Polymeren und menschlichen Proteinen basieren. „Über die genaue Zusammensetzung dieser Verbundmaterialien können wir steuern, ob die darin enthaltenen Zellen feine Gefäße ausbilden oder nicht“, erläutert Blaeser. Auch die Steifigkeit und andere mechanische Eigenschaften des gedruckten Gewebes lassen sich so einstellen. Im Fokus des Pioneer-Fund-Projektes stehen die Validierung der neuen Biotinten sowie die Skalierbarkeit der Technologie.

Hintergrund: Pioneer Fund

Der Pioneer Fund leistet einen wichtigen Beitrag zum Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der TU Darmstadt in Wirtschaft und Gesellschaft. Das Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST fördert zusammen mit dem Partner ENTEGA NATURpur Innovationen in einer sehr frühen Phase und steigert somit die Innovationsfähigkeit der TU Darmstadt. Viele der geförderten Projekte begleitet HIGHEST zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Weg zu öffentlichen Förderungen, wie z.B. EXIST, oder in Ausgründungen. HIGHEST managt den Fund und koordiniert sämtliche Aktivitäten während der gesamten Antrags- und Förderungsphase. Die Entscheidungen zur Förderung trifft eine Kommission, die paritätisch aus jeweils vier Vertretern der ENTEGA AG und der TU Darmstadt besetzt ist. Das hier vorgestellte Projekt lief im Rahmen der Förderlinie „Booster“, welche die Bearbeitung aktueller praxisrelevanter Fragestellungen unterstützt.