Was wächst wo?

Ausgründung CORAmaps beobachtet Agrarflächen mit Satellitenradar

19.04.2021

Sie nutzen Radarsignale, um Agrarflächen auf der ganzen Welt zu beobachten und wollen am Markt mit einer KI-gestützen Technologie punkten, die präziser, schneller und zuverlässiger ist als bisherige Lösungen. CORAmaps-Mitgründer Markus Huhn über ein Geschäftsmodell, das perfekt in die Digitalökonomie passt, und die Gratwanderung, die das mit einem EXIST-Forschungstransfer geförderte Start-up der TU Darmstadt gerade vollzieht.

Das Gründungsteam von CORAmaps.

Herr Huhn, warum fokussieren Sie sich mit ihrer neuen Monitoring-Technologie auf den Agrarbereich?

Markus Huhn: Weil Agrarlandschaften sich so schnell verändern. Wir haben hier jedes Jahr eine komplett neue Vegetation. Weizen, Roggen, Mais oder Rapsfelder zeigen auch abhängig von der Jahreszeit ein ganz unterschiedliches Bild. Hinzu kommt: Die Pflanzen wachsen wegen der sich ständig verändernden Umgebungsbedingungen an verschiedenen Orten unterschiedlich schnell und zu unterschiedlichen Zeitpunkten. In der Erdbeobachtung diese große Dynamik abzubilden ist eine spannende Herausforderung. Und es gibt nicht viele, die das können.

Für jede Feldfrucht ein eigener Schlüssel

Wie werden Agrarflächen bislang gescannt und analysiert?

Bisher wurden großflächige Analysen der Agrarstruktur durch Vor-Ort-Erhebungen und Hochrechnungen ermittelt. Zudem nutzen alle unsere Konkurrenten optische Satellitendaten. Das funktioniert meistens gut, wenn man begrenzte Regionen in einem trockenen Sommer betrachtet. Aber optische Sensoren können nicht durch Wolken schauen. Dieses Problem versuchen gerade alle zu lösen.

Welchen Ansatz verfolgt CORAmaps?

Einen völlig neuen. Wir nutzen keine optischen Sensoren, sondern Radarsignale, vor allem die der Sentinel-1-Satelliten aus dem europäischen Copernicus-Programm. Diese Signale gehen durch die Wolkendecke durch. So haben wir immer ein komplettes Bild der ganzen Erde und dies einmal pro Woche. Natürlich kann ein menschliches Auge auf einem solchen Radarbild nicht viel erkennen. Sie sehen nur schwarze, graue und weiße Flecken.

Wie lösen Sie dieses Problem?

Hier kommt die KI ins Spiel. Wir trainieren unser Monitoringsystem mit Daten, die wir einmal an einem bestimmten Ort erheben. Mittels dieser Daten bringen wir ihm bei, zu welchem Zeitpunkt ihres Wachstums eine Pflanze welches Radarsignal empfängt. Das heißt, wir programmieren für jede Feldfrucht einen eigenen Schlüssel, den der Algorithmus wiedererkennt. Die Wachstumsmodelle, die so individuell für jede Pflanzenart entstehen, können wir dann auf jeden Ort der Erde übertragen. Einmal entwickelt ist unser Instrument in jeder Region einsetzbar – unabhängig von den Randbedingungen, die dort herrschen.

„Wir bauen gerade unseren eigenen Markt auf"

Typische Feldfruchtkarte.
Typische Feldfruchtkarte.

Welche Produkte entstehen aus diesen Daten?

Wir verkaufen momentan zuerst einmal eine Information: Was wächst wo? Diese Feldfruchtklassifikation stellen wir – mittlerweile für 14 Feldfrüchte – unseren Kunden in Form von Shape-Dateien oder mittels einer Schnittstelle zur Verfügung, die sie dann selbstständig auslesen und weiterbearbeiten können. Als nächstes wollen wir aber auch weitergehende Aussagen treffen zur Vitalität der Pflanzen, zum Schädlingsbefall oder zu den zu erwartenden Ernteerträgen. Diese Informationen wollen wir perspektivisch für zusätzliche Services nutzen, zum Beispiel für Börsenbriefe mit Wachstumsprognosen.

Wer sind Ihre Kunden?

Wir fokussieren uns erst einmal auf Rohstoffhändler und Lebensmittelhersteller. Auch Versicherungen kommen in Frage, die unsere Daten für eine automatisierte Policenbestimmung oder Schadenserkennung brauchen könnten. Im Moment sind wir vor allem mit Großkunden in Kontakt, die gerade erst entdecken, welche Potenziale Geoinformationen für ihre Geschäftsentwicklung haben können. Unser Ziel ist es, jeder Kundengruppe individuelle Lösungen anzubieten. Mit jedem Kunden wächst also unser Portfolio. Wir bauen, wenn man so will, gerade unseren eigenen Markt auf.

„Wie ein Ritt auf der Rasierklinge"

Das klingt sehr voraussetzungsvoll. Wie sind Sie mit Ihrem Start-up so weit gekommen?

Das Geschäftsmodell war für uns eigentlich von Anfang an klar, aber wir mussten es natürlich schärfen. Da sind wir mit Unterstützung engagierter Mentoren und Coaches durch einen langen Lernprozess gegangen. Und ganz klar: Ohne die EXIST-Förderung, die wir mit Unterstützung von HIGHEST akquirieren konnten, wären wir das Risiko einer Unternehmensgründung nicht eingegangen. Diese Förderung sichert uns für 21 Monate unsere Gehälter und finanziert uns einen großen Teil der Sachkosten. Wir hatten also bislang vergleichsweise wenig wirtschaftlichen Druck. Das lässt einen schon gut schlafen.

Und wie geht es jetzt weiter?

Vor uns liegt sehr viel Entwicklungsarbeit und wir müssen schnell sein, damit wir die individuellen Wünsche der Unternehmen und Institutionen, mit denen wir im Moment zusammenarbeiten, bedienen können. Momentan fühlt es sich an wie ein Ritt auf der Rasierklinge. Wenn wir in zwei Jahren mehrere wiederkehrende Kunden haben, können wir davon super leben, weil wir dann entsprechend hohe Umsätze generieren. Dann können wir die Instrumente und Dienstleistungen, die wir für unsere deutschen Pilotkunden entwickeln, auf interessierte Kundengruppen in allen möglichen Ländern automatisiert übertragen und auf einer Plattform zur Verfügung stellen.

Welchen Tipp möchten Sie an andere Start-ups weitergeben?

Netzwerken ist das A und O. Man muss ins persönliche Gespräch kommen und Vertrauen aufbauen – in uns als Gründerinnen und Gründer, dass wir das, was wir versprechen, auch leisten können. Das Vertrauen in uns ist das Allerwichtigste, um eine Beziehung zum Kunden aufzubauen.

Das Gespräch führte Dr. Jutta Witte

Zahlen und Fakten zu CORAmaps

CORAmaps wurde im Dezember 2019 von Damian Bargiel, Pouya Hedayati, Maximilian Guntrum und Markus Huhn als GmbH gegründet. Das Start-up vereint Expertisen aus der Geodäsie, Informatik, Künstlichen Intelligenz und der Wirtschaftsingenieurwissenschaft. Es wird bis Ende Juni 2021 im Rahmen des EXIST-Forschungstransfers mit rund 800.000 Euro gefördert und ist Teilnehmer des Copernicus Accelerators. Das Innovations- und Gründungszentrum der TU Darmstadt HIGHEST begleitet CORAmaps seit Herbst 2017, unter anderem bei der EXIST-Beantragung und der Akquise weiterer Förderprogramme.

Innovations- und Gründungszentrums HIGHEST