„Die ganze Wertschöpfungskette abgebildet“

An der TU wird die Nutzung von Wasserstoff interdisziplinär erforscht

07.09.2021

Professor Bastian J. M. Etzold leitet das Fachgebiet Technische Chemie 1 im Fachbereich Chemie und beschäftigt sich mit seinem Arbeitskreis unter anderem mit den Herausforderungen durch den Wechsel hin zu einer nachhaltigen Energie- und Rohstoffversorgung. Auch in die Wasserstoff-Forschung an der TU ist er intensiv eingebunden. Im Interview erklärt er, was im Wasserstoff steckt und warum die TU für die Wasserstoff-Forschung bestens aufgestellt ist.

Professor Bastian J. M. Etzold

TU Darmstadt: Was macht Wasserstoff zu einem so vielversprechenden „Rohstoff“ in der Energiewirtschaft?

Professor Bastian J. M. Etzold: Wasserstoff hat in der Tat eine hervorgehobene Stellung in einer zukünftigen Energiewirtschaft. Während bisher in fossilem Öl oder Erdgas chemische gebundene Energie verwendet wird, ist nachhaltige Energie meist Elektrizität aus Photovoltaik oder Windkraft. Diesen Grünen Strom können wir nur bedingt direkt nutzen und müssen ihn in andere Energieformen umwandeln. Direkt damit verbunden ist die Problematik, dass wir im Sommer wesentlich mehr Grünen Strom produzieren können als im Winter.

Es ist also notwendig, über mehrere Monate enorme Menge an elektrischer Energie zu speichern. Praktisch alle Konzepte zur Speicherung abseits der Batterie bauen auf Grünen Wasserstoff, der durch die Wasserelektrolyse entsteht. Bei der Elektrolyse wird Strom genutzt, um Wasserstoff aus Wasser zu erzeugen. Egal ob dieser Wasserstoff direkt in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle genutzt wird, ob damit sogenannte E-Fuels hergestellt werden oder ob Eisenoxid zu Eisen reduziert wird – Elektrolysewasserstoff ist zunächst der primäre Energieträger, der gewonnen werden muss.

Zahlreiche Teams an der TU forschen rund um das Thema Wasserstoff – warum ist Interdisziplinarität wichtig?

Sobald eine chemische Idee in die technische Realisierung überführt wird, ergeben sich interdisziplinäre Fragestellungen zwischen den Naturwissenschaften und den Ingenieurwissenschaften. Bei der Wasserstofftechnologie ist dies jedoch viel weittragender. Die Änderung im Energiesystem, der Mobilität und im verarbeitenden Gewerbe sind so umfassend, dass es kaum einen Bereich gibt, der nicht hiervon betroffen ist. Es sind somit die Produzenten von Grünem Strom mit den Wasserstoffproduzenten eng verwoben und diese wiederum mit den späteren Nutzern des Wasserstoffes.

Würde die Forschung und Entwicklung sequentiell an den grundlegenden und technischen Fragen arbeiten, so würden wir nur langsam mit der Umsetzung voranschreiten können. Ein direktes enges Zusammenarbeiten und Dirigieren der Forschung und Entwicklung auch entlang der gemeinsamen Fragestellungen bis hin zur Fragen über die politische Umsetzung und gesellschaftliche Akzeptanz kann diesen Prozess beschleunigen. An der TU Darmstadt sind wir hierfür in der Expertise exzellent aufgestellt und untereinander hervorragend vernetzt, um diese interdisziplinäre Wasserstoff-Forschung zu leben.

Was zeichnet die Forschung im Bereich Wasserstoff an der TU aus? Worin liegt die besondere Expertise der hier beteiligten Wissenschaftler/innen?

Die TU Darmstadt zeichnet eindeutig die Tiefe und Breite in der Forschung aus. Egal ob in der Elektrochemie oder bei der Nutzung von Wasserstoff in Motoren und Turbinen, es werden einzigartige Versuchsaufbauten realisiert, um tiefgreifende Fragestellungen beantworten zu können. Die TU Darmstadt ist sicher im Bereich der Elektrokatalysatoren, einem Schlüsselelement für die elektrochemischen Prozesse, durch mehrere Kolleginnen und Kollegen hervorragend aufgestellt, von der Synthese über die Charakterisierung bis hin zur Anwendung.

Die Stärke der TU Darmstadt geht aber weit über diesen einen Baustein der Wasserstofftechnologie hinaus und ist in der bereits erwähnten gelebten Interdisziplinarität zu sehen. Praktisch die gesamte Wertschöpfungskette für die Wasserstofftechnologie ist an der TU Darmstadt abgebildet und die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interagieren miteinander.

Die Fragen stellte Silke Paradowski