Immunologie lernen mit „Dr. House“

Die Athene-Hauptpreisträger Martina Anzaghe und Stefan Schülke über ihre kreativen Lehrmethoden

17.02.2023

Für ihre außergewöhnlichen didaktischen Formate zum Thema Immunologie sind Dr. Martina Anzaghe und PD Dr. Stefan Schülke vom Fachbereich Biologie mit dem Athene-Hauptpreis 2022 gewürdigt worden. Im hoch³-Interview erzählen sie, warum sie in der Lehre Folgen einer Arztserie zeigen – und wie das bei Studierenden ankommt.

V.l.n.r.: Prof. Tanja Brühl, Dr. Martina Anzaghe, Dr. Stefan Schülke, Heribert Warzecha und Stephan Rapp.

Liebe Frau Dr. Anzaghe, lieber Herr Dr. Schülke, herzlichen Glückwunsch zum Athene-Hauptpreis für Gute Lehre! Was macht Ihre Lehr- und Prüfungsformen denn so besonders?

Martina Anzaghe: In unseren Lehrveranstaltung ist es uns besonders wichtig, eine gute Arbeits- beziehungsweise Lernatmosphäre zu schaffen. Wir ermutigen Student:innen, aktiv an der Vorlesung teilzuhaben, und wenden dafür alternative, kreative Lehrformate an. Was uns dabei so besonders macht, sind, glaube ich, die Mischung aus Wissensvermittlung und Spaß sowie der konkrete Bezug zum alltäglichen Leben. Das erworbene medizinische Wissen kann somit unabhängig vom Studium im privaten Umfeld dabei helfen, klinische Parameter wie beispielsweise ein Blutbild oder ein EKG zu verstehen und zu interpretieren.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Folgen aus der Fernsehserie „Dr. House“ einzusetzen? Sind Sie selbst Fans der Serie?

Stefan Schülke: Ich habe in Mainz Immunologie studiert, dort waren für mich immer die Fallbeispiele aus der Klinik die, die am interessantesten waren und sich am meisten eingeprägt haben. Deswegen wollten wir etwas in die Richtung machen. Ich selbst bin Fan der Serie, weswegen sie mir direkt in den Sinn kam. „Dr. House“-Seminare sind natürlich keine neue Idee, aber die mir bekannten Lehrformate, die mit „Dr. House“ arbeiten, sind für Mediziner gedacht. Meines Wissens sind wir die Ersten, die sich speziell auf die immunologischen Themen für Naturwissenschaftler fokussiert haben. Nach einer ersten Konzeptbesprechung mit Martina im Auto auf dem Weg zu einer Vorlesung hatte ich direkt ihre Unterstützung und habe dann meine Frau erstmal durch die komplette Serie gepeitscht und eine lange Liste mit möglichen Folgen und einen Prototyp generiert.

War es schwierig, eine Vorführlizenz für die Folgen zu erhalten? Wie haben Sie das bewerkstelligt?

Schülke: Wer mehr als zehn Prozent einer Fernsehserie oder eines Filmes öffentlich zeigen möchte, benötigt hierfür eine Vorführlizenz. In Deutschland werden diese über die Motion Picture Licensing Company (MPLC) vergeben. Als wir mit dem „Dr. House“-Modul angefangen haben, habe ich mein Konzept dem Lizenzgeber per E-Mail erklärt und mich bezüglich der passenden Lizenz beraten lassen. Wenn man sich dann mal durch die Antragsformulare gearbeitet hat, ist die Lizenz eigentlich relativ einfach zu bekommen, aber teuer.

Welche Vorteile für das studentische Lernen versprechen Sie sich von der Einbindung der Serie?

Anzaghe: Das Modul „Klinische Immunologie“ ist keine klassische Vorlesung, da sie verschiedene Facetten aufweist. Es entsteht dabei eine gewisse Dynamik, bei der die alles andere als trivialen Lehrinhalte durch die Nutzung der Serie „Dr. House“ stark an einen gewissen Unterhaltungsfaktor geknüpft sind.

In jeder Vorlesung schauen wir eine bestimmte Episode der Serie in mehreren Passagen, erarbeiten gemeinsam die Symptome, woraufhin wir uns im nächsten Schritt in hochkomplexe Themengebiete hervorwagen. Das reicht von „Wie liest man eigentlich ein EKG?“ bis hin zum Verständnis von seltenen Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Churg Strauss (von letzterem hatten wir vor dem Seminar auch noch nie gehört).

Die Vorlesungen verlaufen dabei sehr interaktiv und erlauben jedem, sich aktiv an der Gestaltung der Unterrichtsstunde zu beteiligen. So haben wir festgestellt, dass selbst ruhigere Charaktere spätestens in der zweiten Vorlesung eifrig die Hände heben. Selbst nach Prüfungssituationen haben Student:innen uns berichtet, dass sie es nicht als Stresssituation empfunden haben, sondern durch diese ganz andere Form der Lehre bei der Prüfung sogar Spaß hatten. Die Vorlesungen machen uns großen Spaß, und diesen Spaß wollen wir gerne mit den Student:innen teilen. Nach unserer Erfahrung wird durch diese kreative und auch sehr anschauliche Lehrform Wissen definitiv leichter aufgenommen und auch gespeichert – denn wie man so schön sagt: Alles, was man mit Spaß lernt, das lernt man leichter.

Wie kommt Ihr besonderes Konzept bei den Studierenden an?

Schülke: Das Konzept kommt durchweg sehr gut an. Vor Corona waren die Kurse zum Teil innerhalb weniger Stunden ausgebucht. Auch sind die Student:innen während der Veranstaltungen stets sehr motiviert. Wenn wir an bestimmten Stellen in der Folge stoppen und die Student:innen nach ihren Beobachtungen fragen, kommen immer so viele Meldungen, dass ich in der Regel im Rahmen einer Veranstaltung alle Teilnehmenden mindestens einmal drannehmen kann. In klassischen Lehrformaten beobachten wir das in der Regel nicht in diesem Ausmaß.

Sind Sie mit Ihren Methoden auch schon einmal auf Vorbehalte gestoßen, bei Studierenden oder anderen Lehrenden?

Anzaghe: Um ehrlich zu sein, haben wir bisher für alle Module, die wir anbieten, durchweg positive Rückmeldungen bekommen, da können wir uns echt nicht beschweren. Zudem bieten wir nach Abschluss eines jeden Moduls eine Abschlussbesprechung an, in der wir nach Feedback fragen, Verbesserungsvorschläge sammeln und uns die Wünsche der Student:innen anhören. So haben wir zum Beispiel beschlossen, zusätzlich zu den Vorlesungen in Präsenz unsere digitalen Aufzeichnungen als zusätzliches Lehrmaterial für die Student:innen anzubieten. Es ist wichtig, zuzuhören und dabei offen für Optimierungsvorschläge zu sein. Außerdem sprechen wir Ideen für neue Module stets mit den Kolleg:innen aus dem Studienbüro ab, bevor wir uns in neue Gefilde hervorwagen. Aber auch hier bekamen wir bislang immer positive Resonanz haben, und uns wurde bisher kein Wunsch wirklich verwehrt.

Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung mit dem Athene Preis?

Anzaghe: Als Stefan und ich von dem Preis erfahren haben, waren wir wirklich mehr als überrascht. Wir wussten bis zu diesem Zeitpunkt ehrlich gesagt nicht einmal, dass wir überhaupt nominiert waren. Uns beiden bedeutet die Auszeichnung wirklich enorm viel, besonders, weil die Student:innen uns hierfür vorgeschlagen haben. Das zeigt uns, dass die ganze Zeit, Arbeit und Mühe, die wir uns machen, gesehen und wertgeschätzt wird und gibt einem enormen Rückenwind für die Entwicklung weiterer kreativer Lehrkonzepte.

Haben Sie schon Pläne, wofür Sie das Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro einsetzen möchten?

Schülke: Einen Teil des Preisgeldes werden wir kurzfristig für die Finanzierung der Vorführlizenz verwenden, einen Teil mittelfristig in die kontinuierliche Verbesserung unserer digitalen Zusatzangebote investieren (professionelle Lehrvideos sind wahre Zeit- und Geldfresser). Den Rest möchte ich langfristig dafür einsetzen, andere außergewöhnliche Lehrformate zu finanzieren.

Planen Sie bereits weitere außergewöhnliche Lehrformate? Falls ja, verraten Sie uns schon etwas dazu?

Schülke: In den letzten zwei Jahren waren wir ziemlich damit beschäftigt, unseren Vorlesungskatalog zu digitalisieren. Das ist jetzt abgeschlossen. Damit haben wir wieder ein bisschen Zeit und kreative Kapazitäten, um uns neue Lehrinhalte auszudenken.

Für das kommende Sommersemester planen wir eine Lehrveranstaltung, in der sich die Student:innen sehr intensiv damit auseinandersetzen sollen, wie wissenschaftliches Publizieren funktioniert. In der Lehrveranstaltung „Immunpathologie“ im Sommersemester wird sich der Seminarteil sehr stark mit den Teilnehmer:innen auf die Erstellung wissenschaftlicher Grafiken zum Transport von Informationen konzentrieren. Hier bekommen die Teilnehmer:innen eine Einführung und erste Tipps für die Verwendung von Grafikdesignprogrammen.

Beides erachten wir als besonders wichtig, da sowohl die Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Literatur als auch die grafische Aufarbeitung komplexer wissenschaftlicher Themen in der Wissenschaftlerausbildung häufig viel zu kurz kommt.

Natürlich gibt es neben „Dr. House“ auch andere Serien/Filme mit zum Teil starkem immunologischen Fokus. Ich habe mir hier schon einige Kandidaten ausgesucht, die zum Beispiel für einmalige Veranstaltungen geeignet wären. Hier bin ich aber noch in der Screening- und Konzeptionsphase und will noch nicht zu viel verraten…

Interview: Michaela Hütig

Weitere aktuelle Nachrichten aus der TU Darmstadt