Zeitmaschine — Ein Jahrhundert Hochschulstadion: eine bewegte Geschichte

21.07.2023 von

Der Darmstädter Hochschulsport kann auf eine Geschichte zurückblicken, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Was von einer kleinen Turnriege in den 1890er Jahren angestoßen wurde, entwickelte sich schon bald zu einem integralen Bestandteil studentischen Lebens. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts organisierten sich sportaffine Studierende in akademischen Verbindungen und nahmen an diversen Hochschulwettkämpfen teil. Sportliche Erfolge konnten vor allem im Fußball und Eilbotenlauf erzielt werden.

Historische Aufnahme des Stadions

Mit der Gründung des Akademischen Amts für Leibesübungen 1912, finanziert von freiwilligen Beiträgen der Studierenden, konnte der Hochschulsport in Darmstadt institutionalisiert werden. Pläne zur Schaffung einer eigenen Sportstätte mussten aufgrund des Kriegsausbruchs 1914 vorerst verschoben werden. 19 Prozent der zu diesem Zeitpunkt eingeschriebenen Studierenden sowie zehn Mitglieder des Lehrkörpers wurden im Ersten Weltkrieg getötet. Ihnen widmete man 1919 das Gefallenendenkmal am späteren Stadionstandort am Böllenfalltor.

Spätestens nach dem Ersten Weltkrieg fasste analog zu den Entwicklungen in Deutschland auch in Darmstadt der Hochschulsport Fuß. Körperliche Aktivität etablierte sich Schritt für Schritt an der Hochschule. Die zuständigen Ausschüsse konzentrierten sich auf Mannschafts- und Mehrkampfsportarten. Ernst Söllinger (1896-1985), einer der erfolgreichsten Leichtathleten seiner Zeit, wurde 1922 zum ersten hauptamtlichen Sportlehrer berufen. Mit Hilfe seiner Expertise konnte noch im selben Jahr der Bau eines eigenen Sportplatzes initiiert werden.

Auf dem Lichtwiesenareal entstand eine Anlage, die durch ihre Einfachheit hervorstach und lediglich die Mindestanforderungen erfüllte. Im Sommer 1922 wurde die Sportstätte im Rahmen der Deutschen Hochschulmeisterschaften eingeweiht und seit dem Sommersemester 1923 im Rahmen des neuen Lehrfachs „Leibesübungen“ regelmäßig genutzt.

Sukzessive zu einem Stadion ausgebaut

Der rudimentär ausgestattete Sportkomplex wurde sukzessive zu einem Stadion ausgebaut. Bereits 1924 wurde die Sportanlage um Faustball- und Fußballfelder erweitert. 1928 entstanden neben einem Freischwimmbad auch Tennisplätze. Um den internationalen Ansprüchen zu genügen, wurden notwendige technische Einrichtungen installiert und Wettkampfeinrichtungen ergänzt. Im Rahmen der 1930 im beschaulichen Darmstadt organisierten „IV. internationalen Meisterschaften der Studenten“, die zuvor in den Metropolen Warschau, Rom und Paris ausgetragen worden waren, konnte das erweiterte Hochschulstadion gebührend eingeweiht werden.

Sport war nicht mehr länger eine exklusive Betätigung einzelner Sportgruppen, sondern weckte das Interesse weiter Teile der deutschen Bevölkerung. In Darmstadt entwickelte sich das Hochschulstadion zu einem Ort der Kommunikation und Gesundheit sowie zu einem Zentrum des Breitensports.

Unter den Nationalsozialisten wurde das Stadion für propagandistische Veranstaltungen genutzt und um Hindernisbahnen, Keulenwurfanlagen und einen Kleinkaliberstand erweitert. Im Juli 1941 wurden „Reichswettkämpfe der Studentinnen im Kriege“ im Hochschulstadion veranstaltet, das 1945 von amerikanischen Besatzungstruppen beschlagnahmt und in „Yankee-Stadium“ umbenannt wurde.

Erst studentische Proteste mit der Forderung zur Freigabe des Stadions führten dazu, dass es 1953 komplett an die damalige TH zurückgegeben wurde. In den 1960er-Jahren wurde der Sportkomplex um zwei Turnhallen erweitert, wodurch Sportlerinnen und Sportler nun ganzjährig trainieren können. Die Arbeit des Instituts für Sportwissenschaften und des Unisport-Zentrums sowie das breite Sportangebot zeigen, dass der Hochschulsport bis heute ein bedeutender Bestandteil des universitären Alltags ist. Das seit 1985 unter Denkmalschutz stehende Hochschulstadion ist beispiellos in die bauliche Umgebung eingebunden und fungiert nicht nur als Sporteinrichtung, sondern auch als Erholungs- und Freizeiteinrichtung für Studierende und Bürger.

Der Autor ist Masterstudent am Institut für Geschichte und studentische Hilfskraft im Universitätsarchiv der TU Darmstadt.