„Mit Menschen arbeiten, die Lust auf Neues haben“

Salome Niedecken, Dirigentin des TU-Chors, im Porträt

25.07.2023 von

Einmal die Woche kommen Studierende der TU, Beschäftigte und Ehemalige zur gemeinsamen Chor-Probe zusammen. Seit Anfang 2023 singen die bis zu 160 Frauen- und Männerstimmen unter der musikalischen Leitung von Salome Niedecken. Die 25-Jährige ist selbst noch Studentin.

Mit offenen Armen empfangen: Dirigentin Salome Niedecken.

Salome Niedecken stammt aus einer musikbegeisterten Familie. Mit fünf Jahren begann sie Klavier zu spielen, mit sechs Jahren kam die Geige dazu. „Im späten Kindesalter habe ich mit Geige aufgehört und mich mehr dem Gesang zugewendet“, erzählt sie. „Neben Klavierunterricht nahm ich Gesangsunterricht und habe in vielen Chören gesungen. Chorleiterin zu werden, hatte ich aber nie im Kopf.“

Zu ihrem aktuellen Studium – Chordirigieren mit künstlerisch-pädagogischem Schwerpunkt – an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim kam die gebürtige Gießenerin deshalb auch über einen kleinen Schlenker. „Nach dem Abitur habe ich angefangen, Musikpädagogik zu studieren. In einem Chor zu singen, war Pflicht“, sagt sie. „Dort habe ich verschiedene Chorliteratur – A-Capella-Werke und Chor-Symphonik – kennengelernt und gemerkt, dass mir das große Freude macht.“

Praktische Erfahrung ist notwendig

Salome Niedecken hat selbst schon in vielen Chören gesungen.
Salome Niedecken hat selbst schon in vielen Chören gesungen.

Zum Wechsel des Studienfaches motivierte Niedecken ein Professor bei einer Prüfung im Fach Ensemble-Leitung: „Er fragte, ob ich nicht Lust hätte, mehr in Richtung Chordirigieren zu gehen. Ich selbst habe mich da nicht ran getraut. Aber er bestärkte mich und war überzeugt, dass ich es schaffen kann. Während einer halbjährigen, intensiven Vorbereitung für die Aufnahmeprüfung habe ich dann meine erste komplette Chorprobe gehalten.“

Mittlerweile steht die junge Frau kurz vor ihrer Bachelorprüfung. Zudem dirigiert sie – den TU-Chor mitgezählt – vier Ensembles als Chorleiterin. „Neben dem Studium ist die Praxis extrem wichtig“, betont sie. „Deshalb leite ich nebenher verschiedene Ensembles, springe als Krankheitsvertretung von Chorleiterinnen oder -leitern ein und gebe auch sehr gerne Stimmbildungs-Workshops.“

Zum Auswahlverfahren an der TU erzählt Dr. Christoph Merkelbach, der in seiner Freizeit Chor und Orchester der TU verwaltet: „Für uns war es wichtig, eine jüngere Person für die Stelle zu bekommen, die sich mit dem Chor entwickeln kann. Außerdem finde ich persönlich es klasse, mit einer Dirigentin zu arbeiten.“ Ausschlaggebend für Niedeckens Erfolg war aber schließlich ihr gelungenes Vordirigat. „Im Dezember habe ich die wunderbare Zusage erhalten und im Januar direkt mit dem Chor losgelegt. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, das war sehr schön. Wir hatten einen guten Start, und nach zwei, drei Wochen fühlte es sich für mich an, als kennen wir uns schon lange“, freut sich die Dirigentin.

Momentan probt der Chor für eine Konzert-Kooperation mit den Rheingauer Film-Symphonikern, ein Orchester, das sich auf Filmmusik spezialisiert hat. Niedeckens Konzertdebüt findet im Advent statt. Gemeinsam mit dem Orchester der TU Darmstadt führt der Chor Puccinis „Messa di Gloria“ auf. Die Proben dafür starten voraussichtlich ab August. Interessierte Personen können jederzeit dazustoßen und mitsingen.

„Angestrebt ist es, wieder mehr Studierende für den Chor zu begeistern. Wer einfach mal etwas Neues erleben möchte, für den ist der Chor ein sehr guter Ort“, ist sich die junge Frau sicher. „Ein Uni-Chor dient ja dazu, sich entwickeln zu dürfen. Gerade in einem so großen Chor kann man am Anfang auch mal untertauchen und über das Zuhören lernen.“

Auf freundschaftlicher Basis proben

Die Dirigentin bei einer Probe.
Die Dirigentin bei einer Probe.

Als Chorleiterin liebt es Niedecken zu sehen, wie sich Chor und Projekt gemeinsam fortentwickeln: „Von den Überlegungen, welches Repertoire wir singen, bis zum Konzert. Diesen Weg mit Menschen zu bestreiten und ihnen Mut zuzusprechen, dass der Weg machbar ist, das macht mir großen Spaß.“ Sie vergleicht den Prozess gerne mit einem Puzzle. „Jede Woche puzzelt man mit dem Chor etwas weiter. Man fängt an einer Ecke an, zwischendurch puzzelt man in der Mitte, danach geht man wieder an den Rand und arbeitet sich so durch das ganze Stück.“ Was auf den ersten Blick etwas chaotisch scheint, folgt aber einem System. „Ein Musikstück immer nur von vorne anzufangen, empfände ich auf Dauer langweilig“, sagt sie. „Mit dem Chor am Klang zu feilen, zu sehen, wie er sich verändert und über die Jahre verbessert, das macht mir viel Freude.“

Ein Herzensthema für sie ist es, die Sprache der zeitgenössischen Musik zu verbreiten. „Während eines Dirigierkurses bekam ich die Möglichkeit, anspruchsvolle Chorliteratur mit einem Profi-Chor einzustudieren. Ich werde nie vergessen, wie mich das Stück ‚Canticum Calamitatis Maritimae‘ von Jaakko Mäntyjärvi – eine zeitgenössische Komposition, die den Untergang der Fähre MS Estonia zum Inhalt hat – berührte.“

Für ihre berufliche Zukunft wünscht sich die junge Frau, mit Chören zusammenzuarbeiten, die offen sind für Neues. „Außerdem ist es mir sehr wichtig, dass die Chorprobenarbeit auf einer freundschaftlichen Basis beruht“, sagt Niedecken. „Dass man gemeinsam Fehler machen darf, auch mal darüber lachen kann und trotzdem den Ehrgeiz hat, weiter daran zu feilen, es das nächste Mal besser zu machen und nicht zu verzweifeln.“

Der TU-Chor

Der Chor der TU Darmstadt trifft sich mittwochs um 19.30 Uhr in Raum S1|03 175 im Alten Hauptgebäude der TU Darmstadt (Hochschulstraße 1) zur Probe. Interessierte Personen können auch ohne Vorkenntnisse mitsingen.

Ein wichtiges Anliegen des Chores ist die Zusammenarbeit mit anderen Ensembles und Institutionen in Darmstadt und im Rhein-Main Gebiet. Mit regelmäßigen Aufführungen, etwa vor Weihnachten und zum Semesterende, bereichert der Chor das Musikleben in Darmstadt und Umgebung. Sowohl der Chor als auch das Orchester bauen kulturelle Brücken zwischen Universität und Darmstädter Öffentlichkeit. Mit ihrem abwechslungsreichen Repertoire zeigen sie ein weiteres Spektrum der TU Darmstadt.

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