Einsatz für erneuerbare Energien

TU-Alumnus Oliver Steinmetz im Porträt

28.07.2023 von

Über zwei Jahrzehnte arbeitete Dr. Oliver Steinmetz als Wirtschaftsinformatiker für die Europäische Investitionsbank. Der Alumnus hat die Wüstenstrom-Stiftung Desertec mitgegründet und setzt sich seit 2008 für Ökostrom- und Umweltprojekte ein. Auch an der TU will er Kooperationen und Startups im Bereich Erneuerbare Energien fördern.

Alumnus Oliver Steinmetz

Oliver Steinmetz ist immer in Bewegung. Seine freie Zeit als Pensionär allein mit Hobbies zu verbringen, kann er sich nicht vorstellen. „Ich möchte meine Arbeitskraft für die Rettung des Planeten einsetzen.“ Das hat der 62-Jährige auch in der Vergangenheit getan. 2008 gründete der TU-Alumnus der Wirtschaftsinformatik mit anderen Engagierten unter anderem aus dem Mittelmeerraum die DESERTEC Stiftung und war viele Jahre auch Mitglied im Aufsichtsrat. Ziel war, den Wüstenstrom populär zu machen und den Bau von Solarkraftwerken in diesen Regionen zu fördern. Mit der Kraft der Wüstensonne lässt sich der Energieverbrauch der Welt umweltschonend decken, ist er überzeugt. „Dann hätten wir jetzt keine Probleme wegen Gas-Lieferungen.“

Problemlöser Sonnenenergie

400 Milliarden Euro, so erste Berechnungen von 2008, hätten gereicht, um genügend Kraftwerke in den Wüsten zu bauen. Desertec hatte 2009 den Rückversicherer Münchner Rück als Förderer gewinnen können, der ein kommerzielles Interesse daran hat, den Klimawandel zu verhindern, berichtet Steinmetz. Er reiste rund ums Mittelmeer und hielt Vorträge. „Wir standen sogar im Programm der Merkel-Regierung.“ Der marokkanische König ließ sich als einer der ersten überzeugen. „Heute stehen dort Solaranlagen, die die Energie eines Atomkraftwerkes erzeugen“, so Steinmetz. Die arabische Revolution ab 2011 und instabile politische Verhältnisse stoppten jedoch die Investitionslust und eine schnelle Umsetzung der Desertec-Vision. Mittlerweile haben aber Saudi-Arabien und Emirate wie Dubai oder Abu Dhabi die Chancen erneuerbarer Energien für sich entdeckt. Schließlich ist Öl endlich, die Sonne nicht. „Wir haben das angeschoben“, ist Steinmetz überzeugt.

Der 62-Jährige hat in den 1980er Jahren Wirtschaftsinformatik an der – damals noch – TH Darmstadt studiert. Begonnen hatte er eigentlich ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit Schwerpunkt Elektrotechnik. Doch nach sechs Wochen merkte er, dass ihm das zu theoretisch war. In einer der gemeinsamen Wirtschafts-Grundvorlesungen traf er auf Studierende der noch jungen Fachrichtung Wirtschaftsinformatik und war fasziniert. „In der Schule hatte ich in der Computer AG bereits Programme geschrieben.“ Davon versprach er sich mehr Praxis im Studium und entschied sich für den Wechsel noch im laufenden Semester. „Das ging problemlos.“ Gerne erinnert er sich an Vorlesungen wie die von Professor Müller-Merbach, „die Spaß gemacht haben, weil er rhetorisch begabt war und eine Horde Studierender zum Zuhören bringen konnte“.

Fulbright-Stipendiat in den USA

Früh war ihm klar, dass er während des Studiums ein Jahr ins Ausland wollte. Er bewarb sich um ein Fulbright Stipendium und verbrachte das 7. und 8. Semester 1983/84 an der University of Massachusetts in Amherst. „Das hat mir die Augen geöffnet.“ Erstmals kam er mit dem Thema Künstliche Intelligenz in Kontakt. Die Ausstattung der Institute „war fundamental besser als bei uns. Jeder Doktorand hatte damals seinen eigenen Rechner zur Verfügung“. In Darmstadt, erzählt Steinmetz, war er einer unter 400 Studierenden, in Amherst wurde er vom Dekan persönlich angesprochen, hatte seinen eigenen Schreibtisch und ein eigenes Fach. „Das war ein ganz anderes Klima.“

Derart motiviert kehrte er aus den USA zurück und wurde Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Grafische Datenverarbeitung an der TU. Dort schrieb er sein Diplom und begann als Doktorand bei Professor Encarnação, wurde jedoch später vom Unternehmen Bosch abgeworben, wo Professor August-Wilhelm Scheer von der Universität Saarbrücken sein Doktorvater wurde. „Damals der Papst der Wirtschaftsinformatik.“ Als einziger von nur drei externen Doktoranden promovierte Oliver Steinmetz 1992 bei ihm.

Infrastrukturprojekte für Europa

In die Bankenwelt verschlug es ihn eher zufällig. Ein früherer Kommilitone hatte Kontakte zur Dresdner Bank, wo Steinmetz ab Ende 1992 als Informatiker fürs Investment Banking und „mit viel Vergnügen“ auch Systeme für das Risikomanagement der Bank programmierte. Nach einem Intermezzo für eine Softwareberatungsfirma wechselte Steinmetz 1997 zur Europäischen Investitionsbank nach Luxemburg. „Die kennt kaum jemand, dabei hat sie dreimal so viel Kreditvolumen wie die Weltbank.“ Die Bank, eine europäische Institution, finanziert große Infrastrukturprojekte „im Interesse Europas“, berichtet Steinmetz. Darunter die Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden oder der Eurotunnel.

Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er über 21 Jahre lang in Luxemburg und kam dort immer wieder auch mit Solar- und Windenergieprojekten in Berührung. Mit ein Grund, dass er sich heute für diese nachhaltige Energiegewinnung engagiert. Seit Desertec hat er vielfältige Kontakte zur Solarbranche und Forschung aufgebaut, etwa zur Université Savoie Mont Blanc in Annecy, einer der führenden französischen Hochschulen in diesem Bereich. Sie bietet unter dem Oberthema Solar Academy gleich mehrerer internationale Master-Studiengänge an und ist auf der Suche nach deutschen Partneruniversitäten.

Das Alumni-Management half bei der Vernetzung

„Da habe ich gleich an meine Alma Mater gedacht“, sagt Steinmetz, der mittlerweile in Gießen lebt. Das Alumni-Management der TU half dabei, Verbindungen zu knüpfen, freut sich Leiterin Christine Haller. Eine Zusammenarbeit zwischen der TU Darmstadt und Annecy wird derzeit geprüft. Steinmetz sieht sich am liebsten als „Vermittler und Übersetzer“ – zwischen Wirtschaft und Informatik, verschiedenen Kulturen und Sprachen. An seiner alten Uni engagiert er sich vielfältig: Als Berater in der TU-Energiespar-Initiative oder als Förderer von Startups im Bereich Solar- und erneuerbare Energien. Er will mit seinem Erfahrungsschatz helfen. „Die TU war für mich prägend. Sie hat mir mit ihrem guten Namen und ihrer guten Ausbildung Möglichkeiten eröffnet, die ich sonst nicht gehabt hätte. Da gebe ich gerne etwas zurück.“

Wenn Oliver Steinmetz doch mal Zeit für ein Hobby hat, dann bewegt er seinen Oldtimer-Rennwagen, einen 50 Jahre alten Steinmetz-Opel Commodore „artgerecht“, wie er sagt, auf dem Nürburgring. Sein Vater, Klaus Steinmetz, war ein erfolgreicher Ingenieur, Rennfahrer und Tuner. Sein Name war in der Tourenwagen-Szene der 60er- und 70er Jahre ein Begriff. Der Sohn hat ein Buch über seinen verstorbenen Vater geschrieben und auch dessen ehemalige Firma „Steinmetz-Automobiltechnik“ wieder aufleben lassen. Der Alumnus hat eine Schwäche für Opel-Oldtimer: „Das ist der Sound meiner Kindheit.“

Fokusthema der hoch³-Ausgabe 3/2023 : TU-Spitzenforschung zu Künstlicher Intelligenz