Smartwatch im Ohr

TUDa-Start-up Voxel Sound macht Bluetooth-Kopfhörer zum Fitness Tracking Produkt

02.11.2023 von

Einkaufen oder spazieren gehen, joggen oder Bahn fahren, arbeiten oder chillen – für viele ist der In-Ear-Kopfhörer nicht mehr wegzudenken. Wegen der Bewegungsfreiheit sind Bluetooth-Modelle besonders beliebt. Gut 60 Prozent aller verkauften Kopfhörer sind kabellos, Tendenz steigend, so der Elektronik-Branchenverband GFU. Da steckt mehr drin als kabelloser Musikgenuss, sagen Lucas Damrau und Pascal Schmitt. Mit einem innovativen Konzept und individuell angepassten Hearables wollen sie auf dem großen Markt mitmischen.

Ein guter Song, ein Podcast, ein Telefonat, eine Videokonferenz: In-Ear-Kopfhörer, die Musik und Sprache übertragen, haben sich zu einem fast unentbehrlichen Trendprodukt entwickelt. Technologisch geht noch mehr, sagen Lucas Damrau und Pascal Schmitt. Die beiden Maschinenbaustudenten sind überzeugt: „Die kleinen Knöpfe im Ohr könnten mehr als nur Ton“. Ihre Vision ist es, die Hearables zu einem Fitness Trackingtool weiterzuentwickeln. „Unsere In-Ear-Kopfhörer können biometrische Daten wie Puls, Blutdruck oder Körpertemperatur messen.

Sie zählen Schritte, schreiben ein EKG und EEG oder erstellen ein Schlafprotokoll“, erklärt Lucas Damrau die Geschäftsidee von Voxel Sound. „Das können Smartwatches teilweise heute schon, aber unsere Hearables mit integrierten intelligenten Vitaldatensensoren können das viel besser, weil sie durch den Sitz im Ohr an einer der besten Stellen des Körpers sitzen, um diese Daten zu erfassen“, ergänzt Pascal Schmitt. Eine Marktanalyse bestätigt: Digitales Vitaldatentracking ist in der breiten Bevölkerung angekommen. Laut GFU messen bereits 44 Prozent der Deutschen mindestens vier Vitalwerte mit digitalen Begleitern. Der Markt für Personal Fitness Gadgets nimmt gerade erst Fahrt auf. Voxel Sound mischt mit Originalität und viel Innovationskraft mit.

Unsere In-Ear-Kopfhörer können biometrische Daten wie Puls, Blutdruck oder Körpertemperatur messen. Sie zählen Schritte, schreiben ein EKG und EEG oder erstellen ein Schlafprotokoll.

Zwischen Hörsaal und Gründung

Die Idee, In-Ear-Kopfhörer zu verbessern und zu erweitern, kam Lucas und Pascal im Jahr 2015. Die beiden hatten gerade ihr Maschinenbaustudium an der TU Darmstadt begonnen. Zu dieser Zeit gab es noch keine kabellosen In-Ear Kopfhörer, sondern nur kabelgebundene, bei denen es oft zu Kabelbruch kam. Nervig fanden Lucas und Pascal auch, dass die Kopfhörer bei vielen Nutzer:innen schlecht saßen und immer wieder aus dem Ohr fielen. Es folgten Experimente mit individuell angepassten In-Ear-Monitoring Systemen, die in der heimischen Werkstatt selbst gegossen wurden.

Kreativität erweitert Kompetenzen

Zunächst aber tauchten Pascal und Lucas tief ein in die bunte Welt der Technischen Universität Darmstadt. Eine der zahlreichen studentischen Vereine der TU Darmstadt hatte das Interesse der beiden Studenten geweckt. Die Hochschulgruppe Formula Student lockte. Zwei Jahre lang konstruieren, fertigen, testen und fahren sie mit Gleichgesinnten einen kleinen Rennwagen, erfahren viel über Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik und Betriebswirtschaft, setzen Studieninhalte direkt in die Praxis um. „Wir haben unglaublich viel gelernt“, schwärmt Pascal noch heute. „Wir waren ein interdisziplinäres Team. So entdeckt man ganz neue Möglichkeiten, kommt zu kreativeren Lösungen, entwickelt bessere Produkte.“ Wissen und Erfahrungen, von denen die Start-up-Gründer heute profitieren. Denn die Idee der angepassten Kopfhörer – die selbstgebauten Prototypen trugen sie täglich in den Ohren –, behielten Pascal und Lucas während der ganzen Zeit im Hinterkopf.

Uns wurde klar, dass wir unseren Unique Selling Point besser herausarbeiten, unser Selbstmarketing und unser Pitch Deck deutlich verbessern mussten.

Steinige Gründerreise

Innovative Projekte setzen sich nur dann durch, wenn auch andere davon überzeugt sind. Als Lucas Damrau und Pascal Schmitt ihre Idee, In-Ear-Plugs weiterzuentwickeln, zum Geschäftsmodell machten, suchten sie sich Unterstützung: beim Innovations- und Gründungszentrum HIGHEST und bei thinc!, einer Ideenschmiede für studentische Gründer:innen. Knüpfen Kontakte, bauen ein Netzwerk auf. Lernen, aus Ideen Konzepte und Businesspläne zu entwickeln. „Unsere ersten Pitch Decks waren eine Katastrophe“, erzählen die beiden rückblickend. Immer wieder sei ihnen gesagt worden, dass es so etwas schon gebe. „Uns wurde klar, dass wir unseren Unique Selling Point besser herausarbeiten, unser Selbstmarketing und unser Pitch Deck deutlich verbessern mussten.“ Ein zweiwöchiges Gründer-Inkubator-Programm bei thinc! Mannheim brachte den notwendigen Schub, das Projekt Voxel Sound auf das nächste Level zu heben.

Der Weg zum Hearable

An unternehmerischem Mut mangelt es den jungen Gründern nicht. Ihre Vision, aus einem Hearable ein digitales Fitness-Wearable zu machen, gehen Lucas und Pascal nun in mehreren Schritten an. Das minimiert Risiken und vermeidet unnötige hohe Entwicklungskosten. Zunächst planen sie den Markteintritt mit einem passiven Gehörschutz, der per Smartphone Scan individuell an das Kundenohr angepasst wird. Als persönliche Schutzausrüstung benötigt dieser Gehörschutz eine Zertifizierung, an der die beiden momentan arbeiten.

Im nächsten Schritt ist eine Variante des Gehörschutzes geplant, die mittels integrierter elektronischer Hardware-Geräusche aktiv unterdrückt (Active Noise Cancelling/ANC), Warntöne aber durchlässt. Aus gutem Grund: „Die derzeit handelsüblichen ANC-Modelle blenden Außen- und Hintergrundgeräusche wirkungsvoll aus. So effektiv, dass sie fast schon wieder zur Gefahr werden“, stellten Pascal und Lucas fest. „Immer wieder kommt es deshalb zu schlimmen Unfällen im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz, weil die Nutzer Gehörschutz oder sogar nicht zugelassene In-Ear-Kopfhörer verwenden, die auch Warnsignale herausfiltern.“ Für den Gehörschutz von Voxel Sound verwenden sie deshalb Filter, die Störgeräusche herausfiltern, Warntöne aber durchlassen. „Denkbar sind auch Sensoren, die zum Beispiel direkt mit Warnsystemen von Maschinen kommunizieren.“ Adaptive Geräuschunterdrückung ist das Stichwort.

Die derzeit handelsüblichen ANC-Modelle blenden Außen- und Hintergrundgeräusche wirkungsvoll aus. So effektiv, dass sie fast schon wieder zur Gefahr werden.

In Zwischenschritten zum Ziel

Pascal und Lucas haben ein klares Ziel vor Augen. Eines Tages wollen sie in der Lage sein, ein Wearable für Sportler auf den Markt bringen: „Mit dem weltbesten Vitaldatentracking, überragendem Sound und einem perfekten Tragegefühl durch die individuelle Anpassung des Produkts.“ In dieses Fitness Tracking Hearable fließen die Erfahrungen, die die Co-Gründer mit der Produktion und dem Verkauf der passiven und aktiven Gehörschutzmodelle machen. „Es sind für uns Basismodelle, die wir dazu nutzen, sowohl Hardware als auch Software zu evaluieren. Das Sportler-Hearabel vereint am Ende das Beste aus den zuvor entwickelten Produkten.“

Derzeit arbeiten die Voxel Sound Gründer mit Partnern an einem finalen Prototypen für die Fertigung des passiven Gehörschutzes. Doch die Zertifizierung als persönliche Schutzausrüstung ist teuer. Ohne zusätzliche Finanzspritze geht es nicht. Dafür ziehen sie wie ein Weberschiffchen durch das Start-up-Ökosystem der Rhein-Main-Neckar-Region, pitchen ihr Geschäftsmodell vor Investoren. Die beiden Gründer geben sich locker. Sie wissen: Der Bedarf für individualisierten Gehörschutz, Fitnesstracking und In-Ear Kopfhörer ist riesig. Da ist viel Platz für individuelle, smarte Lösungen.