„Als Student habe ich nie daran gedacht, dass ich mal im Vorstand sitzen werde“
TU-Alumnus Nikolai Setzer ist seit 15 Jahren in der Leitung des DAX-Konzerns Continental
09.12.2024 von Astrid Ludwig
Nikolai Setzer gehört zu den Absolventen des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen an der TU. Nach dem Studium in Darmstadt und Bordeaux wechselte er zum Automobilzulieferer Continental, wo der Alumnus der Technischen Universität innerhalb weniger Jahre bis zur Chefetage und dem Vorstandsvorsitz aufstieg. Heute muss der 53-Jährige den DAX-Konzern durch die Krise der Automobilbranche führen.
Ginge es um Fußball, wäre sicherlich Stürmer und Mannschaftskapitän. Er war zwölf Jahre bei Continental beschäftigt und erst 38 Jahre alt, als er in die Chefetage des Konzerns „stürmte“. 2009 wurde der Darmstädter Mitglied des Vorstandes des internationalen Unternehmens und war zuständig für die Division Pkw-Reifen. Später kamen weitere Aufgaben wie der Einkauf und Automotive Bereich dazu. Seit vier Jahren ist Nikolai Setzer nun Vorstandsvorsitzender des Technologieunternehmens mit Sitz in Hannover. Das klingt nach einer zielstrebigen, ambitionierten Karriereplanung, doch der 53-Jährige winkt ab. „Als Student habe ich nie daran gedacht, dass ich mal im Vorstand sitzen werde.“ Er ist dennoch rasant schnell an der Spitze angekommen. „Ich wollte immer Freude am Job haben und etwas leisten. Wichtig war mir aber immer auch, was ich im Team erreichen kann“. Mit dem Team gewinnen, nennt er das. Schon während Schule und Studium bevorzugte er Mannschaftssportarten wie Volleyball. Nikolai Setzer
Setzer stammt aus einer Akademiker-Familie. Er wuchs in Darmstadt auf, eine Nähe zur Universität bestand seit Kindertagen. Sein Vater lehrte Politikwissenschaften an der TU. Nach dem Abi bewarb er sich dennoch auch an anderen Unis, doch Freunde und Familie und der gute Ruf der TU gaben letztlich den Ausschlag. „Wirklich Gedanken über mein Studienfach habe ich mir erst im letzten Schuljahr gemacht“, erinnert er sich. In der Schule war er gut in Mathematik und als Jugendlicher schraubte er immer gern an allen möglichen Zweirädern. „Ingenieurwesen passte also gut, aber ich interessierte mich auch für ökonomische Zusammenhänge.“ Der junge Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Maschinenbau erschien maßgeschneidert.
Hilfsassistent bei Professor Bert Rürup
Die breite Fächerung der Studieninhalte und Disziplinen lag ihm. Technische Mechanik war kein Problem, „Strömungslehre und Thermodynamik schon abstrakter und schwieriger“, lacht er. Eine Prüfung verhauen hat er jedoch nie. Besonders positiv in Erinnerung geblieben ist ihm das Fach „Game Theory“. Klingt nach Computerspiel, aber tatsächlich ging es um Entscheidungsstrategien, Taktik, Verhandlungsführung und wirtschaftliches Verhalten. „Das hat Spaß gemacht, obwohl es deutlich trockener war als es klingt.“ Gern erinnert sich Setzer auch an die Vorlesungen bei Bert Rürup, Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik. Rürup war Politikberater in sozialpolitischen Fragen für mehrere Bundesregierungen. Er war Wirtschaftsweise und nach ihm ist die 2005 eingeführte Rürup-Rente benannt.
„Das waren inhaltlich sehr gute und insbesondere unterhaltsame Vorlesungen. Der Hörsaal war bei ihm immer voll“, sagt der TU-Alumnus. Nikolai Setzer wurde sein Hilfsassistent und schrieb bei Professor Rürup unter anderem seine Diplom-Arbeit über die Frage, welche Renditen aus dem deutschen Rentensystem zukünftig zu erwarten seien. „Er hat mich sehr geprägt. Ich habe viel mitgenommen.“
In der Schule zählte neben Mathematik, Französisch zu Setzers Leistungsfächern. Mit ein Grund, dass er sich während des Studiums für ein Auslandsjahr in Frankreich entschied. Viele gingen nach Paris, doch er wählte Bordeaux. Schule und Studium hatten sich bisher in Darmstadt abgespielt, daher war der Wechsel über die Grenze prägend. „Ich wollte in einer anderen Sprache und Kultur studieren, aber auch in einer Stadt mit hohem Freizeitwert.“ Mit dem Atlantik sowie Weinbergen gleich um die Ecke. Eine spannende Zeit, in der er am französischsprachigen Magistère-Programm teilnahm und im Anschluss ein mehrmonatiges kaufmännisches Praktikum in einer Software-Firma in Bordeaux absolvierte. Internationale Erfahrungen, die in der Berufswelt zählen.
Seit 1997 bei Continental
Zu Continental kam Nikolai Setzer „aus Zufall“, wie er sagt. Er besuchte einen Recruiting Workshop mit zehn Unternehmen, von dem er über einen TU-internen Aushang erfahren hatte. Dort lernte er Mitarbeitende von Continental kennen und wurde zu einem Vorstellungsgespräch nach Hannover eingeladen. „Alles verlief sehr professionell“, das beeindruckte den TU-Alumnus. 1997 begann er dort seine erste Stelle. „Ausschlaggebend war vor allem der internationale Trainee-Pool in der Forschung und Entwicklung, den Continental anbot.“ Eine zusätzliche Ausbildung, bei der „Neulinge“ zwei Jahre lang vieles von der Pike auf kennenlernen konnten – vom Reifen montieren und wechseln, diesen selber im Werk produzieren bis hin zum Verkauf. Er wählte den Bereich Forschung und Entwicklung bewusst als erste Station seiner Karriere. „Das ist die Basis. Ich wollte die Technologie verstehen.“
Der Reifenentwicklung folgten leitende Positionen in der Erstausrüstung und Produktentwicklung, im Ersatzgeschäft Pkw-Reifen und später unterschiedliche Aufgaben im Vorstand des Konzerns. In einem Unternehmen über zwanzig Jahre zu bleiben, ist heute eher ungewöhnlich. „Ich habe nie an einen Firmen- oder Jobwechsel gedacht. Warum auch? Ich hatte permanent neue Aufgaben und habe etwas anderes gemacht.“ Unter anderem war er über zwei Jahre mit seiner Familie in den USA, wo er in Detroit für die Erstausrüstung der dortigen Automobilindustrie mit Reifen verantwortlich war.
Nikolai Setzer,
Vorstandsvorsitzender der Continental AG
„Wirtschaftsingenieurwesen war genau das richtige Studium – die Schnittstelle zwischen Technik und Ökonomie. So konnte ich bei der Reifenentwicklung mitreden und eben auch im Management.“
Auf seine Aufgaben habe ihn die TU gut vorbereitet, sagt er im Rückblick. „Wirtschaftsingenieurwesen war genau das richtige Studium – die Schnittstelle zwischen Technik und Ökonomie. So konnte ich bei der Reifenentwicklung mitreden und eben auch im Management.“ 14 Semester studierte er bis zum Diplom. Ausreichend Zeit für quasi zwei Studiengänge, findet er. Als Vorstandsvorsitzender muss er Continental derzeit durch schweres Fahrwasser manövrieren. Das Unternehmen mit rund 200 000 Mitarbeitenden in 56 Ländern und Märkten erwirtschaftete 2023 einen Umsatz von 41,4 Milliarden Euro, doch der Dax-Konzern muss sparen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
„Die Automobilindustrie ist derzeit in einer schwierigen Situation“, sagt Setzer. Es sei eine große Herausforderung, aber auch einzigartige Aufgabe, das Unternehmen durch diese Entwicklung zu führen. Als herausfordernd beschreibt er insbesondere die nie dagewesene technologische Transformation bei gleichzeitig rückläufigen Märkten. „Die Pandemie, erodierte Lieferketten und weltweit steigende Preise haben die ohnehin schon angespannte Situation noch einmal deutlich verschärft.“ Dem müsse man sich täglich stellen. Für ihn ist klar: „Gewinnen werden wir nur im Team.“
TU-Alumni in der Leitung von DAX-Konzernen
Nikolai Setzer ist einer von neun Absolventen der TU Darmstadt, die derzeit im Vorstand eines DAX-Unternehmens sind. Wir freuen uns, einige dieser TU-Alumni und ihren Werdegang, der an der TU Darmstadt begann, vorzustellen:
Frank Weber, Maschinenbau-Alumnus der TU, entwickelt als Vorstandsmitglied bei BMW eine neue Generation Elektroautos